Wirtschaft warnt vor Engpässen - Handel und Logistik unter Druck

Reuters · Uhr (aktualisiert: Uhr)

- von Christian Krämer und Rene Wagner

Berlin (Reuters) - Großhändler und Logistiker warnen wegen des Ukraine-Krieges vor Engpässen.

Neben der starken Abhängigkeit von Russland im Energiebereich könnten davon Aluminium-Produzenten und der Lebensmittelhandel betroffen sein, letzterer etwa bei Getreideprodukten, wie der Groß- und Außenhandelsverband BGA am Donnerstag in Berlin erklärte. Auch Zellstoffe könnten knapp werden, also etwa Toilettenpapier und Küchenrollen. Weitere Beispiele könnten chemische Reinigungsmittel, Honig und Zander werden. Der BGA warnte zugleich vor Panik. Knappheiten führten nicht automatisch zu leeren Regalen. Oft könnten Produkte zu höheren Preisen und mit längeren Lieferzeiten anderweitig als aus der Ukraine oder Russland bezogen werden. "Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist eine künstliche Verknappung durch Hamsterkäufe", sagte BGA-Präsident Dirk Jandura.

Alarm schlägt auch die Logistikbranche, die unter rekordhohen Kraftstoffpreisen leidet. "Die Unternehmen sind wirklich verzweifelt", sagte der Vorstandssprecher des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), Dirk Engelhardt. Viele Spediteure würden derzeit gegen die Insolvenz anfahren, ihnen gehe die Liquidität aus. Engelhardt schlug deshalb einen Krisengipfel mit der Bundesregierung vor. Es gebe aktuell "keinerlei Unterstützung seitens des Staates". Ohne diese drohten jedoch leere Regale und damit ein gesamtwirtschaftliches Problem, denn mehr als 70 Prozent der deutschen Versorgung hänge vom Lkw-Verkehr ab. "Gerade Mittelständler, die im Transportwesen tätig oder unmittelbar darauf angewiesen sind, verzweifeln an den hohen Treibstoffkosten", sagte auch Vorstand Marc Tenbieg vom Deutscher Mittelstands-Bund (DMB).

Zudem befürchtet die Logistikbranche in Europa einen akuten Personalmangel durch den Ausfall von mehr als 100.000 ukrainischen Lkw-Fahrern im internationalen Warenverkehr, da diese wegen Einberufungsbefehlen zur Armee nicht mehr zur Verfügung stünden. "Grundsätzlich hat ganz Europa den Fahrermangel durch den Ukraine-Krieg", sagte Engelhardt.

RUSSLAND-GESCHÄFT WOHL DAUERHAFT BESCHÄDIGT

Zur Kostenentlastung schlägt der Logistik-Verband die schnellstmögliche Einführung eines sogenannten Gewerbediesels vor. Dabei wird den Unternehmen ein Nachlass in Form von Steuererleichterungen gewährt. Einige Nachbarländer hätten dies bereits getan. Daher drohe eine "extreme Wettbewerbsverzerrung", sagte Engelhardt. Zudem müssten für die Flottenbetreiber von Lkw, die mit verflüssigtem Erdgas (LNG) fahren, ein Rettungsschirm gespannt werden, da hier die Preissteigerungen noch extremer seien.

Der BGA stellt sich auf eine dauerhafte Beeinträchtigung der Geschäftsbeziehungen zu Russland ein. Mit den Sanktionen gegen Russland und Gegenmaßnahmen der Regierung in Moskau werde der Handel nachhaltig geschädigt, sagte BGA-Präsident Jandura. Viele Firmen hätten sich bereits zurückgezogen. Wegen Verstaatlichungen tendiere die Investitionsbereitschaft zudem gegen null, ergänzte BGA-Hauptgeschäftsführer Antonin Finkelnburg.

Viele Ökonomen hatten vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine mit einem Wirtschaftswachstum in Deutschland von drei Prozent und mehr gerechnet. Die Prognosen seien jetzt Makulatur, sagte Jandura. In einer aktuellen BGA-Umfrage unter Hunderten Firmen gaben 60 Prozent an, mit einer Verlangsamung des Wachstums zu rechnen. 32 Prozent betonten, der Erholungsprozess von der Corona-Krise werde unterbrochen. Eine Rezession fürchten aber nur sieben Prozent der Firmen.

"Bei einem Außenhandelsvolumen von knapp 60 Milliarden Euro mit Russland und 8,5 Milliarden Euro mit der Ukraine sind Auswirkungen des Krieges unvermeidbar", so Jandura. Von den verhängten Sanktionen gegen Russland sind laut Umfrage 26 Prozent der deutschen Großhändler stark betroffen, fünf Prozent sogar sehr stark. Trotzdem trage die Groß- und Außenhandelsbranche die Maßnahmen mit. 52 Prozent der Unternehmen gaben an, die Sanktionen seien angemessen, 37 Prozent plädierten sogar für eine Ausweitung.

Die Betriebe spüren vor allem die zuletzt sprunghaft gestiegene Inflation. 60 Prozent sehen sich mit massiv erhöhten Einkaufspreisen konfrontiert. 55 Prozent gaben an, die hohen Energiepreise trieben die eigenen Kosten nach oben. "Ein Rückgang der Inflation von einem Niveau von rund fünf Prozent ist deshalb mittelfristig nicht zu erwarten", so Jandura.

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