Zu wenig Liquidität: Die US-Geldmärkte hängen weiter am Tropf der FED – Droht den europäischen Repo-Märkten ein ähnliches Schicksal?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Seit September diesen Jahres gibt es an den US-Finanzmärkten ein Problem, für das es noch keine so richtig eindeutige Erklärung gibt: Liquiditätsengpässe an den Repo-Märkten, die zu kurzzeitigen, extremen Anstiegen bei den Zinsen für Übernacht-Kredite geführt haben. Am Repo-Markt verkaufen Banken und weitere Finanzdienstleister Staatspapiere für einen sehr kurzen Zeitraum (sozusagen „über Nacht“) und kaufen sie am nächsten Tag zurück.

„Verstopfung“ am Geldmarkt

Diese Käufe sind praktisch Kurzfristkredite, deren Zins über einen entsprechend höheren Rückkaufpreis an den Geldverleiher gezahlt wird. Banken, aber zum Beispiel auch Hedgefonds, nutzen den Repo-Markt als Finanzierungsquelle für kurzfristigen Liquiditätsbedarf. Der Repo-Markt ist also so etwas wie die Adern, durch die das Blut (Liquidität in Form von Cash) der Finanzmärkte fließt. Entsprechend schlimm kann es also werden, wenn diese Adern verstopft werden (Im Jahr 2008 kam es zum Herzinfakt, mit allen bekannten Folgen). Im September hatte  sich wieder eine Verstopfung abgezeichnet, das erste Mal seit der Finanzkrise 2008. Um die Adern wieder frei zu bekommen, hat die US-Notenbank FED reagiert und eine eigene Repo-Auktion angeboten, um den Markt mit Geld zu versorgen. Das Problem: Bis jetzt hat sie nicht wieder damit aufgehört und muss den Markt weiterhin über solche Auktionen mit Liquidität versorgen.

Die Bilanz der FED ist seit dem erneuten aktiv werden an den Repo-Märkten wieder stark angewachsen, laut Medienberichten auf über 4,1 Billionen Dollar - somit wurde damit ein großer Teil des durch die Maßnahmen der quantitativen Straffung erzielten Abbaus der eigenen Bilanz wieder zunichte gemacht. Ein so großer Eingriff in die eigentlich freien Märkte ruft von vielen Seiten Kritik hervor, da dadurch einige Aspekte in der Finanzwelt verzerrt werden, zum Beispiel kann es Auswirkungen auf die Volatilität, oder auch auf die Bewertung vieler Assets haben. Vor allem droht dadurch jedoch die Eigenverantwortung, bzw. die Selbstständigkeit der Finanzakteure weiter abzuflachen, sodass es immer schwieriger wird, diese künstliche Versorgung irgendwann zu stoppen – Wie ein Patient, der nicht mehr ohne Bluttransfusionen weiterleben kann.

Was sind die Gründe?

Es gibt ein paar Erklärungsversuche: Zum Beispiel bevorstehende Steuerzahlungen von Unternehmen zum Quartals- oder Jahresende, die für erhöhten Liquiditätsbedarf sorgen, aber auch die schärferen Richtlinien bei Eigenkapitalreserven für Banken, die diese bei der Geldvergabe einschränken. Ein weiterer Grund könnte sein, dass die Banken aufgrund der allgemein unsicherer werdenden Lage (Handelsstreit, Brexit, Konjunktur) vorsichtiger bei der Geldvergabe werden, aus Angst vor einem ähnlichen Ereignis wie 2008. Nur eines scheint momentan klar zu sein: Bisher bringt die Intervention der FED nur wenig Erfolg und der Markt scheint sich nicht alleine beruhigen zu können. Zudem wird von einigen Marktbeobachtern befürchtet, dass es zum Jahresende wieder zu erhöhtem Liquiditätsdruck kommen könnte, da Bilanzen bereinigt und Portfolios ausgekehrt werden und dafür weiteres kurzfristiges Geld benötigt wird.

US-Finanzminister Steven Mnuchin hat vergangene Woche betont, dass er sich bereits mehrfach mit Jerome Powell, dem US-Notenbank-Präsident, getroffen habe, um die seit September bestehenden Liquiditätsprobleme zu besprechen und um sicherzustellen, dass die Banken und die Märkte zum Jahreswechsel über ausreichende Reserven verfügen. Zudem scheinen sich die Überlegungen zu verschärfen, die nach der Finanzkrise 2008 für die Banken auferlegten, strengeren Regeln für Liquiditätsreserven wieder zu lockern, um wieder mehr Liquidität in die Märkte zu bringen, ohne dass die Notenbank helfen muss.

Wie sieht die Lage in Europa aus?

Der europäische Repo-Markt ist bisher von den Verwerfungen, wie sie in den USA passieren, verschont geblieben. Dennoch bleibt die Politik der Notenbanken auch hier nicht wirkungslos: Wie die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in ihrem jüngsten Quartalsbericht festgestellt hat, findet eine zunehmende Zersplitterung dieser Märkte im europäischen Finanz-Sektor statt.

Einzelne Banken würden sich demnach mehr auf bestimmte Arten von Repo-Sicherheiten spezialisieren. Das könne Konsequenzen für Liquidität und Preisbildung haben, heißt es im Quartalsbericht. Heißt: Weil das Geld durch die zunehmende Fragmentierung der Märkte nicht mehr richtig fließt, könnte es zu ähnlichen Problemen wie in den USA kommen.

Laut BIZ geht es den Investoren dabei viel mehr um Sicherheiten, als um Kurzzeitkredite. „Durch die großvolumigen Anleihekäufe der EZB wird der hiesige Repo-Markt gar nicht mehr so sehr vom Refinanzierungsbedarf bestimmt, sondern durch die Nachfrage nach den zugrunde liegenden Wertpapieren“, sagt BIZ-Chefökonom Claudio Borio.

„Es bleibt unklar, ob die Bedeutung der Nachfrage nach Sicherheiten für die Umgestaltung der Dynamik des Repo-Marktes eine permanente Verschiebung oder nur eine Folge der Bilanzausweitung der Zentralbank ist“, hieß es. „In beiden Fällen haben diese Bemühungen den Trend zur Marktsegmentierung verstärkt.“

Noch scheint die Lage aber nicht so schlimm zu sein, wie an den US-Finanzmärkten: „Trotz der Segmentierung zeigt sich, dass der Markt auch in Stressperioden funktioniert“, heißt es in dem Bericht. „Die Transaktionskosten bleiben niedrig, und die Preise passen sich nahtlos veränderten Fundamentalwerten an.“

Die lockere Geldpolitik der Notenbanken bleibt ein Problem

Das Kernproblem bei der ganzen Sache bleibt: Durch die massive Intervention der Zentralbanken, mit der sie versuchen, die Märkte oben und die Konjunktur stabil zu halten, werden die Geldmärkte weiter künstlich mit Liquidität versorgt. Das ist eine Verzerrung, die mit einem realen, freien Markt immer weniger zu tun hat. Um in der Metapher zu bleiben: Es ist wie mit einem Patienten, der ohne künstlich versorgt zu werden, nicht mehr auf eigenen Beinen stehen kann. Die künstliche Versorgung ist in diesem Fall jedoch wahrscheinlich leider eine Medizin, die den Status Quo nur aufrecht erhalten kann (fragt sich wie lange) und niemals dafür sorgen wird, dass es dem Patienten irgendwann wieder besser geht. Dafür bräuchte man wohl andere Maßnahmen.

onvista-Redaktion

Titelfoto: AKSENTIY VOLODYMYR / Shutterstock.com

Ist das die „nächste Netflix“?

Zurzeit nimmt ein Trend Fahrt auf, der frühe Investoren so glücklich machen könnte wie die Netflix-Investoren der ersten Stunde: Gaming. Netflix hat seine Aktionäre bereits auf diese Entwicklung vorbereitet „Wir konkurrieren mit diesem disruptiven Trend… und wir werden ihn vermutlich verlieren…!“. Dieses Unternehmen könnte Netflix als König des Next-Gen-Entertainment entthronen. Wir möchten dir gerne alle Einzelheiten über dieses Unternehmen an die Hand geben. Klick hier für weitere Informationen zu der Aktie, von denen wir glauben, dass sie von diesem Trend profitieren wird… und die „nächste Netflix“ werden könnte. Fordere unseren neuen kostenlosen Spezialreport „Die Gaming-Industrie steht vor einem neuen Schub - Das ist unsere Top-Empfehlung“ jetzt an!

Meistgelesene Artikel