Plattformökonomie: Die Rückkehr zur Normalität

Holger Schmidt · Uhr

Ein Jahr nach dem Beginn der Corona-Pandemie waren viele Anleger in der vergangenen Woche offenbar überrascht, dass der Umsatzsprung vieler Handelsplattformen nicht immer so weitergeht. Die Rückkehr zu „normalen“ Wachstumsraten hat nicht nur Amazon in der Vorwoche, sondern jetzt auch Etsy (nicht in unserem Portfolio) erwischt und die Ebay-Aktie (auch nicht in unserem Portfolio) schon vor Veröffentlichung der Quartalszahlen unter Druck gesetzt. Positiv überrascht hat dagegen unser Portfolio-Wert MercadoLibre, das Ebay Südamerikas, das sich im Gegensatz zum Original stetig weiterentwickelt und nach starken Quartalszahlen in der vergangenen Woche 12 Prozent an Wert zugelegt hat.

Insgesamt war es aber eine gute Woche für den Plattform-Index. Der Index stieg um 1,5 Prozent auf 4099 Punkte, obwohl starke Arbeitsmarktdaten in den USA am Freitag die Aussicht auf steigende Zinsen erhöhten. Allerdings hat die US-Notenbank wiederholt klargemacht, diese Änderung ihrer Politik behutsam einzuleiten, so dass die zu erwartenden Ausschläge am Aktienmarkt eher gedämpft ausfallen sollten.

Von den 25 Aktien im Index haben 20 Aktien in der vergangenen Woche zugelegt, darunter alle 5 Big Techs (Alphabet, Amazon, Apple, Facebook und Microsoft). Da deren Gewinnkurve weiter steil nach oben zeigen und die Aktien auch nach klassischen Bewertungskriterien nicht mehr als teuer eingestuft werden, griffen die Anleger wieder zu.

Amazon ist Hauptinspirationsquelle der Online-Shopper

Wo informieren sich Online-Käufer vor dem Kauf eines Produktes? Der Future Shopper Report hat 28.000 Konsumenten in 17 Ländern nach ihren Inspirationsquellen für Einkäufe im Netz befragt. Die wichtigste Quelle im Durchschnitt aller Länder sind Suchmaschinen mit 39 Prozent, also vor allem Google. An zweiter Stelle folgt Social Media (33 Prozent) und an dritter Stelle die Websites der Händler (32 Prozent). Amazon allein ist für 29 Prozent der Online-Einkäufer in aller Welt die wichtigste Quelle.

Werden allerdings die einzelnen Länder betrachtet, in denen Amazon auch aktiv ist, ist der Gigant in der Regel auch die wichtigste Quelle. Zum Beispiel holen sich 57 Prozent der Online-Shopper in den USA und 56 Prozent in Deutschland ihre Hauptinspiration zum Online-Kauf bei Amazon. Google, die Websites anderer Händler oder Social Media spielen geringere Rollen. Viele Online-Shopper beginnen ihre Produktrecherchen und Preisvergleiche inzwischen auf Amazon – ohne dort zwingend auch zu kaufen. Zwar wandert inzwischen jeder zehnte umgesetzte Euro im Nonfood-Handel in die digitale Ladenkasse Amazons. Aber weitere 25 Prozent der Nonfood-Umsätze werden über Informationsrecherchen oder Preisvergleiche durch Amazon beeinflusst. Zum Beispiel sind in der Kategorie CE & Elektro mehr als 70 Prozent der Umsätze von Amazon abhängig. In der Kategorie Wohnen & Einrichten entfallen zwar „nur“ sieben Prozent der Umsätze auf Amazon – aber weitere 28 Prozent werden von Amazon beeinflusst, zeigt eine IFH-Untersuchung.

Regulierung in China bleibt Unsicherheitsfaktor

Die Regulierungspolitik in China sorgt weiterhin für Kurskapriolen. Kuaishou, KE Holding und Didi Global verloren auch in der vergangenen Woche zweistellig. Als in einem Bericht eines regierungsnahen Mediums Online-Spiele als „spirituelles Opium“ bezeichnet wurden, krachten auch die Kurse von Tencent oder Netease sofort runter. Wenig später wurde der Artikel depubliziert und kurz danach wieder online gestellt – ohne die beiden Wörter und erheblich milder formuliert. In der Folge erholten sich die Aktienkurse der Spieleplattformen wieder etwas, gingen aber dennoch mit hohen Verlusten aus der Börsenwoche. Der Nasdaq Golden Dragon China Index, in dem die chinesischen Werte enthalten sind, hat seit dem Höhepunkt im Februar 45 Prozent an Wert verloren. Noch immer rätselt der Markt, wohin die chinesische Regulierungspolitik die Plattformmärkte steuert. Keine unkontrollierbaren Superstar-Firmen, bessere Bedingungen für die Gig Worker und kein Missbrauch der Marktmacht sind nachvollziehbare Ziele. Für das Erreichen dieser Ziele die Wachstumsmotoren seiner Volkswirtschaft an den Kapitalmärkten derart zu beschädigen, erscheint dagegen wenig nachvollziehbar.

Im Plattform-Index sind aktuell keine chinesischen Werte enthalten. Aber wir beobachten, ob und wann chinesische Plattformen wieder als Kandidaten für den Fonds attraktiv sind, zumal sie nach den Kursstürzen inzwischen wieder attraktiv bewertet sind. Denn es gibt auch schon Gegenbeispiele: Die Aktie der Full Truck Alliance, dem „Uber for Trucks“, hat in der vergangenen Woche 31 Prozent zugelegt, nachdem Gerüchte über staatliche Konjunkturhilfen in China auf ein höheres Wirtschaftswachstum hoffen ließen.

Was sonst noch wichtig war:

TikTok-Mutter Bytedance erwägt Börsengang in HongKong ⇢ Reuters

TikTok überholt Facebook in der Zahl der App-Downloads ⇢ Nikkei Asia

Chinesische Lieferdienste Meituan und Ele.me sollen Arbeitsbedingungen verbessern ⇢ Nikkei Asia

Delivery Hero beteiligt sich am britischen Konkurrenten Deliveroo. Dessen Aktie legt 10 Prozent zu. ⇢ CNBC

Die Aktie des TikTik-Rivalen Kuaishou verlor in der vergangenen Woche 23 Prozent, nachdem es seine US-App Zynn aus den App-Stores entfernen musste. ⇢ WSJ

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