OLG - VW musste 2008 Dieselmanipulation offenlegen

Reuters · Uhr

DEUTSCHLAND-VOLKSWAGEN-DIESELPROZESS:OLG - VW musste 2008 Dieselmanipulation offenlegen

Quelle: (c) Copyright Thomson Reuters 2021. Click For Restrictions - https://agency.reuters.com/en/copyright.html

Frankfurt (Reuters) - Im Mammutprozess um Aktionärsklagen gegen Volkswagen wegen des Dieselskandals hat der Autobauer einen Rückschlag erlitten.

Das Oberlandesgericht Braunschweig teilte am Donnerstag mit, es gehe davon, dass der Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen in Fahrzeugen für den US-Markt bereits 2008 eine Insiderinformation war, über die VW schon damals den Kapitalmarkt per Ad-hoc-Mitteilung hätte informieren müssen. In dem Prozess über milliardenhohe Schadensersatzforderungen argumentierte VW dagegen, die Abgasmanipulation sei erst mit dem Mahnbescheid der US-Behörden am 18. September 2015 börsenrelevant geworden. Daraufhin informierte VW damals per Ad-hoc-Mitteilung den Kapitalmarkt. Volkswagen bekräftigte nun, seine Veröffentlichungspflicht erfüllt zu haben. "Alle behaupteten Schadensersatzansprüche sind deshalb unbegründet", teilte der Konzern mit.

In dem seit drei Jahren laufenden Kapitalanleger-Musterverfahren vor dem OLG Braunschweig fordern VW-Aktienbesitzer Schadenersatz für erlittene Kursverluste aufgrund einer verspäteten Pflichtmitteilung. Musterkläger ist das Sparkassen-Institut Deka Invest. Der Streitwert der mehr als 1800 dahinter stehenden Einzelklagen beläuft sich auf rund vier Milliarden Euro. Deka Invest verwies für eine Stellungnahme auf die sie vertretende Anwaltskanzlei, die zunächst nicht zu erreichen war.

VORSTANDSEBENE ENTSCHEIDEND

Das OLG erklärte, entscheidend sei, was Vorstandsmitglieder des Unternehmens damals wussten. Volkswagen erklärte, der Vorstand hätte bis zum Sommer 2015 "keine gesicherten Erkenntnisse" über den Einbau des verbotenen Defeat-Device gehabt, durch das der Stickoxid-Ausstoß nur auf dem Prüfstand, nicht aber im normalen Straßenbetrieb eingehalten wurde. VW erklärte, untere Hierarchieebenen hätten die illegale Technik entwickelt und eingebaut. Das hätten sie gezielt gegenüber höheren Managementebenen und dem Vorstand verborgen.

Wegen Verjährungsfristen sind für Ansprüche vor und nach dem 9. Juli 2012 unterschiedliche Seiten beweispflichtig. Die Haftungsvorschrift des Wertpapierhandelsgesetzes gilt demnach nur für Forderungen ab 9. Juli 2012. Bei diesen muss Volkswagen beweisen, dass das Unterlassen der Mitteilung durch den Vorstand weder vorsätzlich noch grob fahrlässig war. Bei den älteren Ansprüchen greift § 826 BGB. Dabei müssen die Kläger beweisen, dass Vorstandsmitglieder wie etwa der damalige Konzernchef Martin Winterkorn die Sachlage kannten und eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung begingen. Rechtlich ist das eine höhere Hürde aus Sicht der Kläger als die Beweispflicht nach dem Wertpapierhandelsgesetze.

Beide Seiten haben jetzt Zeit für Stellungnahmen bis 31. Januar 2022. Danach werde der Senat einen Beweisbeschluss zur Klärung der erhobenen Behauptungen erlassen, teilte das Gericht weiter mit. (AZ 3 Kap 1/16)

Neueste exklusive Artikel