Befreiung / Zielgesellschaft: Sartorius AG; Bieter: Sartorius-Herbst Beteiligungen I GmbH, Sartorius-Herbst Beteiligungen II GmbH

dpa-AFX · Uhr
    ^
DGAP-WpÜG: Sartorius-Herbst Beteiligungen I GmbH, Sartorius-Herbst
Beteiligungen II GmbH / Befreiung
Befreiung / Zielgesellschaft: Sartorius AG; Bieter: Sartorius-Herbst
Beteiligungen I GmbH, Sartorius-Herbst Beteiligungen II GmbH

09.03.2022 / 16:13 CET/CEST
Veröffentlichung einer WpÜG-Mitteilung, übermittelt durch DGAP - ein Service
der EQS Group AG.
Für den Inhalt der Mitteilung ist der Bieter verantwortlich.

---------------------------------------------------------------------------

Veröffentlichung über die Erteilung von Befreiungen gemäß § 37 Abs. 1 WpÜG
von den Verpflichtungen gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 in Bezug
auf die Sartorius Aktiengesellschaft, Göttingen

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ("BaFin") hat mit
Bescheiden vom 22. Dezember 2021 die Sartorius-Herbst Beteiligungen I GmbH
mit Sitz in München und Geschäftsadresse Berliner Straße 45 in 37120
Bovenden, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRB
268925, und die Sartorius-Herbst Beteiligungen II GmbH mit Sitz in München
und Geschäftsadresse Berliner Straße 45 in 37120 Bovenden, eingetragen im
Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRB 270001, (jede der
Gesellschaften nachstehend jeweils auch bezeichnet als "Antragstellerin" und
zusammen als "Antragstellerinnen") auf deren jeweiligen Antrag gemäß § 37
Abs. 1 Var. 5 WpÜG von den Pflichten befreit, nach § 35 Abs. 1 Satz 1 WpÜG
die Kontrollerlangung an der Sartorius Aktiengesellschaft mit Sitz in
Göttingen zu veröffentlichen, nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG der BaFin eine
Angebotsunterlage zu übermitteln und nach § 35 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 14
Abs. 2 Satz 1 WpÜG ein Pflichtangebot zu veröffentlichen.

Die Anträge der Antragstellerinnen wurden in zwei separaten Verfahren
beschieden. Nachstehend werden der Tenor und die wesentlichen Gründe für die
erteilten Befreiungen gemeinsam - und teilweise für die Veröffentlichung
gekürzt sowie zur zusammenfassenden Darstellung redaktionell angepasst -
dargestellt.

Die Befreiungsbescheide enthalten jeweils Nebenbestimmungen (in Form der
auflösenden Bedingung und des Widerrufsvorbehalts) und Auflagen.

Die Befreiungsbescheide haben jeweils folgenden Tenor:

1. Die Antragstellerin wird für den Fall, dass sie infolge des Vollzugs des
SPA-Franken (nachfolgend in Abschnitt A. IV. dieses Bescheids definiert)
einen Anteil an der Erbengemeinschaft-Sartorius (nachfolgend in Abschnitt A.
III. dieses Bescheids definiert) erwirbt und dadurch die Kontrolle im Sinne
des § 29 Abs. 2 WpÜG über die Sartorius AG mit Sitz in Göttingen erlangt,
gemäß § 37 Abs. 1 Var. 5 WpÜG von der Verpflichtung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1
WpÜG, die Kontrollerlangung an der Sartorius AG mit Sitz in Göttingen zu
veröffentlichen sowie von den Verpflichtungen nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG,
der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht eine Angebotsunterlage
zu übermitteln und nach § 35 Abs. 2 Satz 1 WpÜG in Verbindung mit § 14 Abs.
2 Satz 1 WpÜG ein Pflichtangebot zu veröffentlichen, befreit.

2. Die Befreiung gemäß vorstehender Ziffer 1 dieses Bescheids steht unter
der auflösenden Bedingung, dass die Befreiung entfällt, wenn die
Erbengemeinschaft-Sartorius (nachfolgend in Abschnitt A. III. dieses
Bescheids definiert) über den Zeitpunkt der Beendigung der
Testamentsvollstreckung (nachfolgend in Abschnitt A. III. dieses Bescheids
definiert) fortbesteht, mit der Folge, dass die Stimmrechte aus den zum
Nachlass des Erblassers (nachfolgend in Abschnitt A. III. dieses Bescheids
definiert) gehörenden Sartorius-Stammaktien (nachfolgend in Abschnitt A. I.
dieses Bescheids definiert) der Antragstellerin als Mitglied der
Erbengemeinschaft-Sartorius (nachfolgend in Abschnitt A. III. dieses
Bescheids definiert) zur gesamten Hand gehören.

Die auflösende Bedingung unter Ziffer 2. dieses Bescheids gilt nicht, wenn
die Stimmrechte aus den zum Nachlass des Erblassers (nachfolgend in
Abschnitt A. III. dieses Bescheids definiert) gehörenden
Sartorius-Stammaktien (nachfolgend in Abschnitt A. I. dieses Bescheids
definiert) zum Zeitpunkt der Beendigung der Testamentsvollstreckung
(nachfolgend in Abschnitt A. III. dieses Bescheids definiert) weniger als
30% der in der Sartorius AG mit Sitz in Göttingen vorhandenen Stimmrechte
ausmachen.

3. Die Befreiung gemäß vorstehender Ziffer 1 dieses Bescheids kann
widerrufen werden (Widerrufsvorbehalt), wenn

(i) die Antragstellerin selbst Einfluss auf die Ausübung der Stimmrechte aus
den zum Nachlass des Erblassers (nachfolgend in Abschnitt A. III. dieses
Bescheids definiert) gehörenden Sartorius-Stammaktien (nachfolgend in
Abschnitt A. I. dieses Bescheids definiert) nehmen kann, oder

(ii) die Antragstellerin ihren Stimmrechtsanteil an der Sartorius AG mit
Sitz in Göttingen anderweitig, einschließlich etwaiger gemäß § 30 WpÜG
zuzurechnender Stimmrechte (ohne Berücksichtigung der Stimmrechte, die ihr
aufgrund der Mitgliedschaft in der Erbengemeinschaft-Sartorius (nachfolgend
in Abschnitt A. III. dieses Bescheids definiert) gehören oder zuzurechnen
sind) auf mindestens 30% erhöht, oder

(iii) die Antragstellerin nach erfolgter Auseinandersetzung der
Erbengemeinschaft-Sartorius (nachfolgend in Abschnitt A. III. dieses
Bescheids definiert) über einen Stimmrechtsanteil an der Sartorius AG mit
Sitz in Göttingen (einschließlich etwaiger gemäß § 30 WpÜG zuzurechnender
Stimmrechte) von mindestens 30% verfügt.

Der Widerrufsvorbehalt unter Ziffer 3 (i) dieses Bescheids gilt nicht, wenn
die Stimmrechte aus den zum Nachlass des Erblassers (nachfolgend in
Abschnitt A. III. dieses Bescheids definiert) gehörenden
Sartorius-Stammaktien (nachfolgend in Abschnitt A. I. dieses Bescheids
definiert) weniger als 30% der in der Sartorius AG mit Sitz in Göttingen
vorhandenen Stimmrechte ausmachen und die Antragstellerin ihren
Stimmrechtsanteil an der Sartorius AG mit Sitz in Göttingen nicht
anderweitig, einschließlich etwaiger gemäß § 30 WpÜG zuzurechnender
Stimmrechte auf mindestens 30% erhöht.

4. Die Befreiung gemäß vorstehender Ziffer 1 dieses Bescheids ergeht unter
der Auflage, dass die Antragstellerin der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht jedes Ereignis, jeden Umstand und jedes
Verhalten, das den Widerruf der Befreiung gemäß der vorstehenden Ziffer 3
dieses Bescheids rechtfertigen könnte, unverzüglich mitzuteilen hat.

5. Für die positive Entscheidung über den Befreiungsantrag ist von der
Antragstellerin eine Gebühr zu entrichten.

Die Befreiungen beruhen jeweils im Wesentlichen auf folgenden Gründen:

A.

I. Zielgesellschaft

Zielgesellschaft ist die Sartorius AG mit Sitz in Göttingen, eingetragen im
Handelsregister des Amtsgerichts Göttingen unter HRB 1970 (die
"Zielgesellschaft").
Das Grundkapital der Zielgesellschaft beträgt derzeit EUR 74.880.000,00 und
ist eingeteilt in insgesamt 74.880.000 auf den Inhaber lautende
nennbetragslose Stückaktien mit einem rechnerischen Anteil am Grundkapital
von EUR 1,00 je Aktie, hiervon 37.440.000 Stammaktien (die
"Sartorius-Stammaktien")
und 37.440.000 Vorzugsaktien ohne Stimmrechte (die "Sartorius-Vorzugsaktien")
(die Sartorius-Stammaktien und die Sartorius-Vorzugsaktien zusammen auch die
"Sartorius-Aktien").

Die Sartorius-Aktien sind am regulierten Markt der Frankfurter
Wertpapierbörse (Prime Standard) und der Börse Hannover zugelassen. Die
Sartorius-Stammaktien werden unter der ISIN DE0007165607 und die
Sartorius-Vorzugsaktien unter der ISIN DE0007165631 gehandelt.

II. Antragstellerinnen

Die Antragstellerinnen sind Gesellschaften mit beschränkter Haftung, jeweils
eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRB 268925 und
HRB 270001.

Alleingesellschafterin beider Antragstellerinnen ist Frau Karin
Sartorius-Herbst.

III. Erbengemeinschaft nach Horst Walter Sartorius

Zum Nachlass des am 16.07.1998 verstorbenen Herrn Horst Walter Sartorius
(nachfolgend der "Erblasser") gehören insgesamt 18.754.160
Sartorius-Stammaktien (entsprechend rund 50,09% der Stimmrechte und 25,05%
des Grundkapitals der Zielgesellschaft).

Der Erblasser hat durch notarielles Testament vom 29.07.1997 über die zum
Nachlass gehörenden Sartorius-Aktien die Testamentsvollstreckung durch einen
Testamentsvollstrecker für die Dauer von 30 Jahren angeordnet, die mit
Wirkung zum Ablauf des 16.07.2028 enden wird (nachfolgend die
"Testamentsvollstreckung").
Das Amt des Testamentsvollstreckers wird seit dem 08.09.2017 von Dr. Lothar
Kappich ausgeübt (nachfolgend der "Testamentsvollstrecker"). In dieser
Funktion ist der zur weisungsfreien Ausübung der Stimmrechte aus den im
Nachlass befindlichen Sartorius-Aktien befugt.

Die Erbengemeinschaft nach dem Erblasser (nachfolgend die
"Erbengemeinschaft-Sartorius")
bestand bis zuletzt auf Frau Ulrike Baro (nachfolgend "Frau Baro"), Frau
Karin-Sartorius-Herbst (nachfolgend "Frau Sartorius-Herbst") und Frau
Christine Franken (nachfolgend "Frau Franken"), den Töchtern des Erblassers,
sowie den Herren Andreas Franken (nachfolgend "Herr A. Franken") und
Kai-Christian Franken (nachfolgend "Herr K.-C. Franken"), den Kindern von
Frau Franken (nachfolgend Frau Franken, Herr A. Franken und Herr K.-C.
Franken zusammen die "Familie Franken"; Frau Baro, Frau Sartorius-Herbst und
die Familie Franken zusammen die "Mitglieder der
Erbengemeinschaft-Sartorius").

Die Mitglieder der Erbengemeinschaft Sartorius waren insoweit an der
Erbengemeinschaft-Sartorius wie folgt beteiligt:

     Mitglied der             Anteil       Anteil
     Erbengemeinschaft        (absolut)    (prozentual)
     Frau Sartorius-Herbst    500/1500     33,33%
     Frau Baro                500/1500     33,33%
     Frau Franken             478/1500     31,87%
     Herr A. Franken          11/1500      0,73%
     Herr K.-C. Franken       11/1500      0,73%
Nach dem Versterben von Herrn A. Franken steht der auf Herrn A. Franken
entfallende Anteil an der Erbengemeinschaft-Sartorius nunmehr den
Mitgliedern der Erbengemeinschaft nach Herrn A. Franken (nachfolgend die
"Erbengemeinschaft-Franken")
zur gesamten Hand zu.

IV. Die Transaktion

Am 24.11.2021 haben die Antragstellerinnen und die LifeScience Holding SCSp
mit Sitz in Luxemburg (Großherzogtum Luxemburg) (nachfolgend "LifeScience
SCSp") mit Familie Franken einen Vertrag über den Kauf und Erwerb von
Anteilen an der Erbengemeinschaft-Sartorius geschlossen (nachfolgend
"SPA-Franken").
Das SPA-Franken wurde notariell beurkundet (URNr. H 2719/2021 der Notarin
Dr. Eva-Maria Hepp in München).

Auf Grundlage des SPA-Franken sind (i) die Antragstellerin Sartorius-Herbst
Beteiligungen I GmbH zum Erwerb eines Anteils von Frau Franken an der
Erbengemeinschaft-Sartorius im Umfang von rund 7,14% (nachfolgend der
"Franken-Anteil
1"), (ii) die Antragstellerin Sartorius-Herbst Beteiligungen II GmbH zum
Erwerb eines Anteils von Frau Franken an der Erbengemeinschaft-Sartorius im
Umfang von rund 9,52% (nachfolgend der "Franken-Anteil 2") und (iii) die
LifeScience SCSp zum Erwerb eines Anteils von Frau Franken an der
Erbengemeinschaft-Sartorius im Umfang von rund 5,2% sowie den Anteilen von
Herrn A. Franken und Herrn K.-C. Franken an der Erbengemeinschaft Sartorius
im Umfang von jeweils 0,73% berechtigt.

Gemäß Ziffer 3.6 des SPA Franken war der Vollzug des SPA-Franken im Hinblick
auf die von den Antragstellerinnen zu erwerbenden Anteile jeweils
aufschiebend bedingt auf den Eintritt verschiedener Vollzugsbedingungen
(nachfolgend die "Vollzugsbedingungen-Franken"), die am 8. Februar 2022
vollständig eingetreten sind. Ferner war der Vollzug aufschiebend bedingt
auf die Vornahme verschiedener Vollzugshandlungen, die zwischenzeitlich
ebenfalls vorgenommen wurden, so dass der Kontrollerwerb nunmehr erfolgt
ist.

B.

Den Anträgen war stattzugeben, weil sie jeweils zulässig und begründet sind.
Die Voraussetzungen für eine Befreiung von den Verpflichtungen des § 35 Abs.
1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG liegen jeweils vor.

I. Zulässigkeit der Anträge

Die Anträge gingen am 06.12.2021 gemäß den Vorgaben des § 45 Satz 1 WpÜG bei
der BaFin ein und sind fristgerecht gestellt worden. Gemäß § 8 Satz 2
WpÜG-Angebotsverordnung kann ein Antrag vor Erlangung der Kontrolle über die
Zielgesellschaft gestellt werden. Dies ist vorliegend der Fall, da die
jeweilige Antragstellerin derzeit noch keine Kontrolle über die
Zielgesellschaft hat. Die Kontrollerlangung erfolgt erst infolge des Erwerbs
von Anteilen an der Erbengemeinschaft-Sartorius durch die jeweilige
Antragstellerin durch Vollzug des SPA-Franken, der jeweils aufschiebend
bedingt auf den Eintritt der Vollzugsbedingungen-Franken.

Darüber hinaus besteht schon jetzt das erforderliche
Sachbescheidungsinteresse. Über die Anträge konnte vor der Kontrollerlangung
der jeweiligen Antragstellerin entschieden werden. Voraussetzung hierfür
ist, dass sich die Kontrollerlangung als vorhersehbar (vgl. BT-Drucks.
14/7034 v. 05.10.2001, S. 81) und aus Gründen der Sicherstellung der
ernsthaften Bereitschaft zum Kontrollerwerb als sehr wahrscheinlich
darstellt (vgl. Krause/Pötzsch/Seiler, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG,
§ 8 WpÜG-Angebotsverordnung, Rdn. 8 f.; Versteegen, in: Kölner Komm. z.
WpÜG, Anh. z. § 37 - § 8 WpÜG-AngVO Rz. 6). Dies ist vorliegend der Fall.
Die Antragstellerinnen haben mit Familie Franken und der LifeScience SCSp
das SPA-Franken geschlossen, dessen Vollzug vom Eintritt der
Vollzugsbedingungen-Franken abhängt. Bei den Vollzugsbedingungen-Franken
handelt es sich in erster Linie um noch ausstehende behördliche
Genehmigungen, insbesondere die BaFin-Befreiungen-Franken, auf deren
Eintritt die jeweilige Antragstellerin keinen Einfluss hat. Zwar stehen noch
einzelne Vollzugshandlungen zum Zeitpunkt des Vollzugs des SPA-Franken aus,
auf deren Erfüllung die jeweilige Antragstellerin Einfluss hat. Demgegenüber
haben die Antragstellerinnen jeweils beim Abschluss mehrerer auf die
Transaktion bezogener Vereinbarungen (insbesondere deren Finanzierung)
mitgewirkt, weshalb sich die ernsthafte Bereitschaft der jeweiligen
Antragstellerin zum Kontrollerwerb als sehr wahrscheinlich darstellt.
Insoweit ist nicht davon auszugehen, dass der Vollzug des SPA-Franken daran
scheitern wird, dass die jeweilige Antragstellerin die erforderlichen
Vollzugshandlungen zum Zeitpunkt des Vollzugs des SPA-Franken, auf deren
Erfüllung die jeweilige Antragstellerin Einfluss hat, nicht vornimmt.

II. Begründetheit

Der jeweilige Antrag ist auch begründet. Jedenfalls liegen die
Voraussetzungen für eine Befreiung der jeweiligen Antragstellerin gemäß § 37
Abs. 1 Var. 5 WpÜG (fehlende tatsächliche Möglichkeit der Kontrollausübung)
vor. Das Interesse der jeweiligen Antragstellerin an einer Befreiung von den
Verpflichtungen nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG überwiegt das
Interesse der außenstehenden Aktionäre der Zielgesellschaft an einem
öffentlichen Pflichtangebot.

1. Kontrollerlangung durch die jeweilige Antragstellerin

Die jeweilige Antragstellerin wird infolge des Vollzugs des SPA-Franken und
des damit einhergehenden Erwerbs der Mitgliedschaft in der
Erbengemeinschaft-Sartorius die Kontrolle an der Zielgesellschaft gemäß §§
29 Abs. 2, 35 WpÜG erlangen.

Die jeweilige Antragstellerin wird mit Vollzug des SPA-Franken zum Mitglied
der Erbengemeinschaft-Sartorius. Den Mitgliedern der Erbengemeinschaft steht
das Gesamthandseigentum an den zum Nachlass gehörenden Aktien zu mit der
Folge, dass die Aktien jedem einzelnen Mitglied der Erbengemeinschaft ganz
gehören (vgl. Bayer/Sarakinis, NZG 2018, 561; s.a. Ring, in: NK-BGB, 4.
Aufl. 2016, § 903 Rz. 18). Zum Nachlass des Erblassers gehören insgesamt
18.754.160 Sartorius-Stammaktien (entsprechend rund 50,09% der Stimmrechte
und 25,05% des Grundkapitals der Zielgesellschaft). Die jeweilige
Antragstellerin wird somit infolge des Vollzugs des SPA-Franken und des
damit einhergehenden Erwerbs der Mitgliedschaft in der
Erbengemeinschaft-Sartorius die Kontrolle an der Zielgesellschaft gemäß §§
29 Abs. 2, 35 WpÜG erlangen.

2. Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 Var. 5
WpÜG

Die Voraussetzung für eine Befreiung der jeweiligen Antragstellerin gemäß §
37 Abs. 1 Var. 5 WpÜG von den Pflichten des § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2
Satz 1 WpÜG liegen vor. Die fehlende tatsächliche Möglichkeit zur Ausübung
der Kontrolle rechtfertigt es, (auch) unter Berücksichtigung der Interessen
der anderen Inhaber von Aktien der Zielgesellschaft eine Befreiung von den
Verpflichtungen nach § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WpÜG auszusprechen.

Nach den rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten des vorliegenden Falls
ist es ausgeschlossen, dass die jeweilige Antragstellerin tatsächlich die
Kontrolle über die Zielgesellschaft ausüben kann. Die jeweilige
Antragstellerin wird zwar durch Vollzug des SPA-Franken zum Mitglied der
Erbengemeinschaft-Sartorius. Der Erblasser hat jedoch über die zum Nachlass
gehörenden Sartorius-Stammaktien die Testamentsvollstreckung angeordnet, die
mit Wirkung zum Ablauf des 16.07.2028 enden wird. In dieser Funktion ist der
Testamentsvollstrecker zur weisungsfreien Ausübung der Stimmrechte aus den
im Nachlass befindlichen Stammaktien der Zielgesellschaft befugt, ohne dass
die Mitglieder der Erbengemeinschaft-Sartorius - und somit letztlich auch
künftig die jeweilige Antragstellerin - Einfluss auf die Entscheidung des
Testamentsvollstreckers nehmen könnten.

Die Entscheidung über die Stimmrechtsausübung aus den zum Nachlass des
Erblassers gehörenden Sartorius-Stammaktien trifft somit bis zum Zeitpunkt
der Beendigung der Testamentsvollstreckung allein der
Testamentsvollstrecker, nicht aber die jeweilige Antragstellerin.
Dementsprechend ähnelt die Rechtsstellung der jeweiligen Antragstellerin der
eines "einflusslosen Poolmitglieds" (vgl. Meyer, in: Angerer/Geibel/Süßmann,
WpÜG, 3. Aufl. 2017, § 37 Rz. 54). Der Befreiungsgrund des § 37 Abs. 1 Var.
5 WpÜG liegt dementsprechend jeweils vor.

3. Ermessen

Befreiungen nach § 37 WpÜG stehen im Ermessen der BaFin. In der
Ermessensabwägung ist das Interesse der jeweiligen Antragstellerin an der
Befreiung dem Interesse der übrigen Aktionäre an der Durchführung eines
Pflichtangebots gegenüberzustellen (vgl. Schmiady, in: Steinmeyer, WpÜG, §
37 Rz. 56).

Bei Abwägung der Interessen der anderen Aktionäre der Zielgesellschaft an
einem Pflichtangebot mit dem Interesse der jeweiligen Antragstellerin an
einer Befreiung von den Verpflichtungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2
Satz 1 WpÜG überwiegen jeweils die Interessen der jeweiligen Antragstellerin
deutlich.

Der formale Kontrollerwerb der jeweiligen Antragstellerin bietet den
außenstehenden Aktionären keinen Anlass, eine außerordentliche
Desinvestitionsentscheidung zu treffen. Vielmehr bleibt die materielle
Kontrollsituation letztlich unverändert, da die Entscheidungen über die
Stimmrechtsausübung aus den zum Nachlass des Erblassers gehörenden
Sartorius-Stammaktien auch nach dem Erwerb von Anteilen an der
Erbengemeinschaft-Sartorius durch die Antragstellerin bis zum Zeitpunkt der
Beendigung der Testamentsvollstreckung allein vom Testamentsvollstrecker
getroffen werden, ohne dass die jeweilige Antragstellerin auf die
Entscheidungen des Testamentsvollstreckers über die Stimmrechtsausübung
Einfluss nehmen könnte.

Somit müssen die außenstehenden Aktionäre auch keine transaktionsbedingte
Änderung in der Unternehmensführung der Zielgesellschaft erwarten, so dass
ihr etwaiges Interesse an einem Pflichtangebot als gering zu bewerten ist
und jedenfalls hinter dem Interesse der jeweiligen Antragstellerin, nicht
mit den Kosten eines Pflichtangebots belastet zu werden, zurückstehen muss.


---------------------------------------------------------------------------

09.03.2022 CET/CEST Die DGAP Distributionsservices umfassen gesetzliche
Meldepflichten, Corporate News/Finanznachrichten und Pressemitteilungen.
Medienarchiv unter http://www.dgap.de

---------------------------------------------------------------------------

   Sprache:    Deutsch
   Börsen:     Regulierter Markt in Frankfurt (Prime Standard) und
               Hannover, Freiverkehr in Berlin, Düsseldorf, München,
               Hamburg, Stuttgart, Tradegate Exchange



   Ende der Mitteilung    DGAP News-Service
---------------------------------------------------------------------------

1297589 09.03.2022 CET/CEST

°

Meistgelesene Artikel