Inflationsrate sinkt - Tankrabatt verschafft Atempause

Reuters · Uhr

Berlin (Reuters) - Tankrabatt und Neun-Euro-Ticket haben den inflationsgeplagten deutschen Verbrauchern im Juni eine kleine Verschnaufpause verschafft.

Waren und Dienstleistungen kosteten im Schnitt nur noch 7,6 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Im Mai war die Teuerungsrate mit 7,9 Prozent so hoch ausgefallen wie seit dem Winter 1973/74 nicht mehr, im April betrug sie 7,4 Prozent. Der Rückgang kommt unerwartet: Von Reuters befragte Ökonomen hatten mit einem weiteren Anstieg auf 8,0 Prozent gerechnet. Die staatlichen Entlastungen dürften auch in den Sommermonaten den Preisdruck dämpfen. Allerdings werde die Inflationsrate nach deren Auslaufen im September wieder nach oben schnellen, weil dann Tanken und Nahverkehr wieder teurer werden, warnen Experten.

"Es handelt es sich wohl eher um eine Atempause und nicht um einen Wendepunkt in der Inflation", sagte der Chefökonom des Vermögensverwalters HQ Trust, Michael Heise. Die staatlichen Maßnahmen wie Tankrabatt und Neun-Euro-Ticket hätten den Preisanstieg um etwa 0,9 Prozentpunkte gedrückt, laufen aber im August wieder aus. "Der Höhepunkt der Inflation dürfte eher im September erreicht werden", sagte Heise deshalb. Das sieht auch Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer so: Spätestens mit dem Ende dieser Entlastungen im September sollte die Inflation wieder nach oben springen", betonte er. "Das gilt umso mehr, als die deutschen Unternehmen die massiv gestiegenen Materialkosten noch lange nicht vollständig an die Verbraucher weitergegeben haben." Der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger, kommentiert den Rückgang der Teuerung so: "Damit ist die Inflationskuh nicht vom Eis. Werden die Entlastungen aufgehoben, entsteht neuer Inflationsdruck."

NAHRUNGSMITTEL DEUTLICH TEURER

Energie verteuerte sich im zu Ende gehenden Monat wegen des russischen Kriegs gegen die Ukraine um 38,0 Prozent und bleibt damit Preistreiber Nummer eins. Allerdings war das Plus im Mai mit 38,3 Prozent noch etwas höher ausgefallen. Nahrungsmittel kosteten 12,7 Prozent mehr als im Juni 2021. Hier hat sich der Preisauftrieb nochmals beschleunigt (Mai: plus 11,1 Prozent) - und das auch wegen der "preistreibenden Effekte unterbrochener Lieferketten infolge der Corona-Pandemie", so das Statistikamt. Für Dienstleistungen mussten diesmal nur 2,1 (Mai: plus 2,9) Prozent mehr bezahlt werden.

In der Wahrnehmung der Verbraucher steigen die Preise mehr als doppelt so schnell wie offiziell gemessen: Die gefühlte Inflationsrate liege derzeit bei fast 18 Prozent, sagte DekaBank-Chefvolkswirt Ulrich Kater. "Das ist ebenfalls historisch hoch." Viele Haushalte müssten auf Erspartes zurückgreifen, um über die Runden zu kommen.

VIELE SPAREN

Mehr als die Hälfte der Deutschen mit niedrigerem Einkommen will einer Studie zufolge wegen der hohen Inflation weniger Lebensmittel einkaufen. Rund 52 Prozent der Erwerbspersonen mit einem relativ niedrigen Haushaltseinkommen bis 2000 Euro netto im Monat sehen sich genötigt, sich wegen der gestiegenen Preise vor allem für Energie bei Nahrungsmitteln einzuschränken, so das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Darunter wollen rund 18 Prozent den Konsum etwa von Nahrungsmitteln, Getränken, Tabakwaren und ähnlichem sogar "bedeutend" zurückfahren.

Die Bundesregierung hat ein Milliardenpaket geschnürt, um eine Entspannung bei der Inflation zu erreichen. Die Energiesteuer auf Kraftstoffe etwa wird seit 1. Juni befristet für drei Monate "auf das europäische Mindestmaß" abgesenkt, was dem Finanzministerium zufolge 30 Cent pro Liter weniger bei Benzin und 14 Cent beim Diesel bedeutet. Zugleich wurde für 90 Tage im ÖPNV ein Ticket für neun Euro pro Monat eingeführt. Viele Sozialpolitiker und Ökonomen fordern weitere Entlastungen, besonders für einkommensschwächere Haushalte.

Die Europäische Zentralbank (EZB) will im Juli angesichts der rekordhohen Inflation in der Währungsunion erstmals seit 2011 ihren Leitzins anheben und im September nachlegen. Dadurch steigen die Kreditkosten für Verbraucher wie Unternehmen, worunter Konsum und Investitionen weiter leiden dürften. Das wiederum könnte der ohnehin schwächelnden Konjunktur zusätzlich zusetzen.

(Bericht von Rene Wagner, Klaus Lauer, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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