Piloten warnen vor Sicherheitsrisiken durch Flugchaos

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Frankfurt/Berlin (Reuters) - Der momentan besonders hohe Stress im Flugbetrieb gefährdet nach Ansicht des europäischen Pilotenverbandes ECA die Sicherheit im Luftverkehr.

Steigende Arbeitsbelastung des Cockpitpersonals und Schwachstellen im Flugbetrieb aufgrund von Personalmangel erhöhten das Risiko von Fehlern, erklärte die European Cockpit Association am Dienstag. "Wenn sich die Fehler häufen, kann das am Ende zu ernsten Vorfällen, zu Unfällen führen", warnte die Technik-Fachfrau der ECA, Tanja Harter. Überstunden, Arbeitstage von zwölf Stunden und der Verzicht auf Freizeit seien an der Tagesordnung. An Flughäfen in Deutschland und Europa kommt es derzeit zu langen Wartezeiten, Verzögerungen und Tausenden Flugstreichungen. Grund ist vor allem Personalmangel bei den Bodendienstleistern, aber auch in der gesamten Luftfahrt. Die Branche hat eingeräumt, in der Virus-Pandemie mitunter zu viel gespart und ein zu ehrgeiziges Flugprogramm für den Sommer geplant zu haben.

Nach Ansicht des Pilotenverbandes muss deshalb die EU-Luftfahrtaufsicht EASA eingreifen und mit einem Sicherheitshinweis die Airlines dazu anhalten, ihr Personal nicht unter Druck zu setzen. Letztlich könne das zu weiteren Flugstreichungen führen, ergänzte ECA-Direktor Paul Reuter. Die EASA erklärte, sie sei sich der potenziellen Sicherheitsprobleme durch Übermüdung und Stress, insbesondere von Piloten bewusst. Sie arbeite mit EU-Mitgliedstaaten an Einzelfallprüfungen, zum Beispiel über die Lage am Flughafen Schiphol/Amsterdam, und werde womöglich reagieren. Ein Sicherheitshinweis (Safety Information Bulletin) sei ein Instrument, das zum Einsatz kommen könne, ergänzte eine Behördensprecherin.

Ein solcher Weckruf der Behörde wäre aber nur ein erster Schritt, sagte Reuter, der wie seine Kollegin Harter aktiver Pilot ist. Das System sei schon vor der Corona-Krise 2019 höchst angespannt gewesen und jetzt überstrapaziert. Nach Erkenntnissen der ECA verloren während der Pandemie 18.000 Flugzeuglenker in Europa ihren Job, rund ein Drittel. Auf Bemühungen von Airlines, sie zurückzuholen, gingen nicht alle ein, da sie etwa als Ingenieure andere attraktive Jobs gefunden hätten.

Nicht nur die Bodendienste an den Flughäfen seien personell ausgeblutet, sondern auch die Crews. "Der Glamour reicht nicht aus, die negativen Folgen auszubügeln. Wir sehen eine Menge Leute gehen." Neben dem aktuell besonders großen Stress liege das auch an schon länger verschlechterten Arbeitsbedingungen für Piloten, die nicht mehr alle mit Sozialleistungen fest angestellt werden, sondern zu Selbstständigkeit gezwungen seien.

AIRLINES UNTER KOSTENDRUCK

Wirtschaftsforscher von der Kreditversicherung Allianz Trade gehen davon aus, dass sich die Situation so bald nicht bessern wird. Für die Fluggesellschaften seien die Personalkosten mit einem Anteil von 25 Prozent der größte Kostenblock nach Kerosin. Sie hätten in einem finanziell angespannten Umfeld "kaum Anreize, das während der Pandemie abgebaute Personal aufzustocken." Die Airlines in Europa hätten ihre Belegschaft 2021 um weitere acht Prozent reduziert, hieß es. Dies führe nun auch zu Flugstreichungen. "Die Fluggesellschaften versuchen, die Verluste von zwei Jahren Corona-Pandemie wettzumachen", sagte Milo Bogaerts, der Chef von Allianz Trade in der Region Deutschland, Österreich und Schweiz.

Die Verbraucher müssten sich auf höhere Ticketpreise einstellen, wie auch von Lufthansa und anderen Airlines schon mit Verweis auf die gestiegenen Kerosinkosten schon erklärt. Seit Anfang 2022 seien die Kerosin-Kosten um 89 Prozent geklettert und dürften weiter steigen. Das Fliegen wird nach Schätzung von Allianz Trade im Gesamtjahr 21 Prozent teurer sein als vor Jahresfrist.

(Bericht von Ilona Wissenbach und Klaus Lauer. Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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