Inflationssorgen der Bürger lassen etwas nach - EZB vor neuem Zinsschritt

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Berlin (Reuters) - Trotz der aktuellen Teuerungswelle im Euroraum stellen sich die Verbraucher auf ein allmähliches Abebben der Inflation ein.

Im Mittel gingen sie im April davon aus, dass die Teuerungsrate von zuletzt 6,1 Prozent binnen drei Jahren auf 2,5 Prozent sinken wird, wie aus einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage der Europäischen Zentralbank hervorgeht. Im März waren die Inflationssorgen der Bürger noch größer, da sie mit einem Wert von 2,9 Prozent gerechnet hatten. Die EZB dürfte sich nach Ansicht von Volkswirten in der nächsten Woche mit der achten Zinserhöhung in Serie gegen den Preisauftrieb stemmen. Sie will mit ihrer immer strafferen Geldpolitik auch verhindern, dass sich die Erwartung einer hohen Inflation in den Köpfen der Bürger festsetzt.

Diese Einstellung birgt die Gefahr, dass sich Preise und Löhne gegenseitig immer weiter hochschaukeln und die Inflation damit länger hoch bleibt. Die EZB kann daher den jüngsten Rückgang der Inflationserwartungen als Teilerfolg verbuchen. Doch zeigt die Umfrage auch, dass die Bürger das von den Währungshütern ausgegebene Inflationsziel von zwei Prozent auch in drei Jahren als noch nicht ganz erreicht ansehen. Ihre Erwartungen für die Preisentwicklung auf Zwölfmonatssicht senkten die Konsumenten ebenfalls: Sie rechnen nun mit einer Teuerung von 4,1 Prozent. In der März-Erhebung hatten sie noch 5,0 Prozent veranschlagt.

"ANGRIFF AUF DIE KAUFKRAFT"

Die Inflation im Euroraum hat im Mai zwar spürbar nachgelassen, liegt mit 6,1 Prozent aber noch weit über der von der EZB angestrebten Stabilitätsmarke. "Dies ist eindeutig noch immer viel zu hoch", betonte der niederländische Notenbankchef Klaas Knot mit Blick auf die Teuerungsrate. Doch wenn weitere konjunkturelle Schockwellen ausbleiben sollten, dürfte aus seiner Sicht das Schlimmste mit Blick auf den "direkten Angriff auf die Kaufkraft" der Bürger im Währungsraum überstanden sein.

Die Zentralbank muss laut dem niederländischen EZB-Ratsmitglied ihre Zinszügel weiter anziehen. Dies müsse "solange wie nötig" weitergehen, bis die Rückkehr der Inflation zum mittelfristigen EZB-Ziel von 2,0 Prozent absehbar sei: "Doch wir werden es Schritt für Schritt tun." Umso straffer die Geldpolitik werde, desto größer werde ihre Wirkung. EZB-Chefin Christine Lagarde hat darauf hingewiesen, dass die jüngste Analyse des EZB-Stabs darauf hindeute, dass sich die Auswirkungen der Zinserhöhungen auf die Wirtschaft und die Inflation in den kommenden Jahren verstärken dürften. Lagarde signalisierte zu Wochenbeginn vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments, dass die Zeichen weiter auf Zinserhöhung stehen.

Die EZB hat die Schlüsselzinsen bereits sieben Mal in Folge um insgesamt 3,75 Prozentpunkte angehoben. Für die nächste Zinssitzung am 15. Juni rechnen viele Experten mit einer weiteren Erhöhung um einen viertel Prozentpunkt. Der am Finanzmarkt dabei maßgebliche Einlagensatz, den die Banken für das Parken überschüssiger Gelder erhalten, würde dadurch von aktuell 3,25 Prozent auf dann 3,50 Prozent steigen. Der Deutsche-Bank-Chefökonom für Europa, Mark Wall, und sein Team erwarten, dass der Zinsgipfel im Euroraum voraussichtlich im Juli bei 3,75 Prozent erreicht sein wird.

(Bericht von Reinhard Becker, Mitarbeit Balazs Koranyi, redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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