Wo überall noch Verfahren im VW-Dieselskandal laufen
Hamburg (Reuters) - Im Dieselskandal von Volkswagen ist mit dem früheren Audi-Chef Rupert Stadler ein erster Spitzenmanager verurteilt worden.
Insgesamt kommt die juristische Aufarbeitung der millionenfachen Abgasmanipulation, die vor fast acht Jahren die Branche erschütterte und seither viele Gerichte beschäftigt, nur schleppend voran. Es folgt eine Übersicht der Verfahren:
BETRUGSPROZESS IN BRAUNSCHWEIG TRITT AUF DER STELLE
Vor dem Landgericht Braunschweig müssen sich seit September 2021 vier teils ehemalige Manager und Ingenieure des Autokonzerns wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs verantworten. Der Prozess zieht sich so lange hin, weil zahlreiche Zeugen von ihrem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch machen, um sich nicht selbst zu belasten. Auch nach mehr als 70 Verhandlungstagen ist kein Ende absehbar.
Das Verfahren gegen den früheren VW-Chef Martin Winterkorn, der wenige Tage nach Bekanntwerden des Skandals im September 2015 zurücktrat, wurde wegen seines Gesundheitszustandes schon früh abgetrennt. Es gilt als fraglich, ob sich der 76-Jährige je wird vor Gericht verantworten müssen.
ZIG VERFAHREN WEGEN SCHADENSERSATZ
Daneben gibt es eine Vielzahl an zivilrechtlichen Verfahren, in denen sowohl Investoren als auch Dieselbesitzer auf Schadensersatz klagen. Am prominentesten ist der Anlegerprozess, in dem das Oberlandesgericht Braunschweig seit mehr als vier Jahren über eine Musterklage der Fondsgesellschaft Deka Investment verhandelt. Die Kläger - zumeist institutionelle Anleger - werfen Volkswagen und deren Konzernmutter Porsche SE vor, die Information über den Abgasskandal lange geheim gehalten und ihnen dadurch einen Wertverlust ihrer Aktien eingebrockt zu haben. Die Summe der Forderungen beläuft sich auf rund neun Milliarden Euro. Im Fall eines Urteils zugunsten der Deka müssen die Kläger ihre Ansprüche separat beim Landgericht durchsetzen.
MUSTERFESTSTELLUNGSKLAGE ENDETE MIT VERGLEICH
Mit einem millionenschweren Vergleich endete vor drei Jahren eine Musterklage von Verbraucherschützern. Für die mühsam ausgehandelte Einigung hatte Volkswagen insgesamt 830 Millionen Euro für die Entschädigung Hunderttausender Dieselkunden bereitgestellt. Diese hatten sich zuvor für die Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) vor dem Oberlandesgericht Braunschweig registriert. Im Gegenzug verzichteten die Anspruchsberechtigen auf künftige Klagen.
THERMOFENSTER - EIN WEITES FELD
Ein Streitfeld, dessen Dimension schwer absehbar ist, sind die so genannten Thermofenster bei Dieselmotoren. Hierbei geht es allerdings nicht um vorsätzlichen Betrug wie im Dieselskandal, sondern um den Vorwurf, dass die Abgasreinigung zur Motorschonung nur bei bestimmten Temperaturen funktioniert und dieses Fenster zu klein ist. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs änderte der Bundesgerichtshof jüngst seine Rechtssprechung zu diesem Thema. Damit verbessern sich die Aussichten auf Schadensersatz für Autos, in die diese umstrittene Technik eingebaut ist. Betroffen sind Volkswagen, Audi und Mercedes-Benz. Die Haftung muss noch geklärt werden. Es geht um mehr als 100.000 noch offene Verfahren beim BGH selbst und zahlreichen Gerichten in Deutschland.
WIEDERGUTMACHUNG KOSTETE 32 MILLIARDEN EURO
Den größten Brocken im Dieselskandal musste Volkswagen jenseits des Atlantiks verdauen, wo die Manipulation durch die Umweltbehörden im September 2015 bekannt gemacht wurde. Bisher kostete die Wiedergutmachung den Konzern mehr als 32 Milliarden Euro, vor allem an Strafen und Schadensersatz in den USA.
(Zusammengestellt von Jan C. Schwartz; redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)