Gericht entscheidet im Wirecard-Prozess erst später über Marsalek-Brief

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München (Reuters) - Im Wirecard-Strafprozess will das Landgericht München nicht kurzfristig über eine Verlesung eines Briefs des untergetauchten Ex-Vorstands Jan Marsalek entscheiden. "Das werden wir uns in Ruhe überlegen, wie wir das verfahrensrechtlich lösen", sagte der Vorsitzende Richter Markus Födisch in der Gerichtsverhandlung am Donnerstag. Er wolle darüber mit den übrigen Richtern seiner Strafkammer beraten.

Marsalek hatte sich mit einem Schreiben seines Anwalts an das Gericht überraschend in den Prozess eingeschaltet und damit das erste bekannt gewordene Lebenszeichen seit seiner Flucht vor drei Jahren gesendet. Die Verteidiger des angeklagten früheren Wirecard-Chefs Markus Braun hatten am Mittwoch eine Verlesung des Briefs als Beweismittel zur Entlastung Brauns beantragt.

Die Anwälte wiesen in ihrem Antrag selbst auf mögliche Hindernisse hin. So sieht die Strafprozessordnung vor, dass Zeugen normalerweise persönlich vor Gericht erscheinen müssen. Brauns Anwälte argumentierten jedoch, der Brief sei wie eine Zeugenaussage Marsaleks zu behandeln, obwohl das Schreiben nicht einmal von ihm selbst, sondern von seinem Anwalt verfasst worden sei.

Wirecard war im Juni 2020 zusammengebrochen, als aufflog, dass auf Treuhandkonten in Asien 1,9 Milliarden Euro fehlten. Ex-Chef Braun und zwei weitere Ex-Manager sitzen wegen Bilanzfälschung und Bandenbetrug auf der Anklagebank. Sie sollen Milliardensummen erfunden haben. Braun dagegen erklärt, das Geld habe existiert und sei hinter seinem Rücken beiseitegeschafft worden. Brauns Anwälte hatten am Mittwoch Passagen aus Marsaleks Brief zitiert, die diese Darstellung stützen sollen. Über die Frage einer vollständigen Verlesung des Briefs hatten sie mit dem Richter heftig gestritten. Über die Motive hinter Marsaleks Brief herrschte bei Prozessbeteiligten Rätselraten.

(Bericht von Jörn Poltz; redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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