Von der Leyen will zuerst mit Sozialdemokraten und Liberalen sprechen

Berlin/Rom - Die Union pocht nach dem Sieg bei der Europawahl darauf, dass Bundeskanzler Olaf Scholz EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in der EU für eine zweite Amtszeit vorschlägt.
Von der Leyen kündigte nach der CDU-Präsidiumssitzung am Montag in Berlin zudem an, zunächst mit den Fraktionen der Sozialdemokraten und der Liberalen reden zu wollen. Dies sei der erste Schritt, antwortete die CDU-Politikerin auf die Frage, ob sie nicht auch mit den Grünen reden wolle. "Das lässt auch Türen offen." Anders als von SPD und Grünen gefordert, schloss sie zudem nicht aus, sich am Ende auch von Abgeordneten der Rechtsaußen-Partei der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zur Kommissionspräsidentin wählen zu lassen. Die SPD-Europaabgeordnete Katarina Barley erneuerte die Warnung, von der Leyen in diesem Fall nicht mitwählen zu wollen.
CDU-Chef Friedrich Merz sagte mit Blick auf die Ampel-Parteien und das Ergebnis der Europawahlen, dass "Wahlverlierer keine Bedingungen zu stellen" hätten. Er erinnerte deutsche Sozialdemokraten, Grüne und Liberale daran, dass sie sich vor der Wahl zu dem Spitzenkandidaten-Prinzip bekannt hätten. Danach darf die stärkste Fraktion im Europäischen Parlament die Spitze der Kommission besetzen. CSU-Chef Markus Söder hatte von einer "patriotischen" Verpflichtung für deutsche Parteien gesprochen, eine zweite Amtszeit einer deutschen EU-Kommissionspräsidentin zu ermöglichen.
Die konservative Parteiengruppe EVP, zu der auch CDU und CSU gehören, war deutlich stärkste Fraktion im neuen Europäischen Parlament geworden. Von der Leyen verwies darauf, dass sich die EVP-Staats- und Regierungschefs sowie -Parteivorsitzenden in einer Schalte über das weitere Vorgehen absprechen wollten. Mitte Juni sollen erst die 27 EU-Regierungschefs das künftige EU-Spitzenpersonal vorschlagen. Dann muss das neue Europäische Parlament abstimmen. Die Fraktionen der Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen (Renew) haben zwar eine deutliche Mehrheit unter den 720 Sitzen. Im EP gibt es aber anders als im Bundestag eine sehr viel geringere Fraktionsdisziplin. Von der Leyen war 2019 nur knapp zur Kommissionspräsidentin gewählt worden.
Trotz der Mahnungen von Merz boten die Grünen mit ihrer deutlich geschrumpften Fraktion im EP von der Leyen eine Zusammenarbeit an. "Wir sind zu Verhandlungen zur Bildung einer neuen EU-Kommission bereit", sagte Grünen-Spitzenkandidatin Terry Reintke in Berlin. "Wir wollen mitregieren." Es gehe um Wohlstand, Klimaschutz, Frieden und Sicherheit. "In möglichen Verhandlungen würden die Grünen Fragen wie die Weiterführung des Green Deal wie auch Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in der EU in den Mittelpunkt stellen wollen. Allerdings schloss Reintke Mehrheiten mit Rechtsextremen aus.
FDP-Chef Christian Lindner hatte schon am Sonntagabend betont, dass die Liberalen von der Leyen nur mitwählen würden, wenn diese etwa gemeinsamen Schulden in der EU eine Absage erteilen würde. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert verwies darauf, dass die FDP nur fünf der 720 Abgeordneten stelle.
Die italienische Ministerpräsidentin Meloni ließ ihre mögliche Unterstützung für eine zweite Amtszeit der Kommissionspräsidentin am Montag offen. Eine Entscheidung dazu sei noch zu früh, sagt sie dem Radiosender 102,5 RTL. Melonis rechtspopulistische Partei Fratelli d'Italia ist mit 26 bis 30 Prozent bei der Europawahl in Italien stärkste Kraft geworden.
(Bericht von Andreas Rinke, Alexander Ratz, Holger Hansen; redigiert von . Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)