EU-Gericht bestätigt TikTok-Einstufung als "Torwächter"

Frankfurt/Brüssel (Reuters) - Die Kurzvideo-App TikTok muss sich auch künftig der verschärften EU-Regulierung für große Online-Plattformen unterwerfen.
Das Gericht der Europäischen Union (EuG) wies am Mittwoch eine Klage des chinesischen Mutterkonzerns Bytedance gegen eine Einstufung als "Torwächter" ab. "Bytedance erreicht unstreitig die im DMA vorgesehenen quantitativen Schwellenwerte, die unter anderem ihren globalen Marktwert, die Zahl der Nutzer von TikTok in der Union und die Anzahl der Jahre betreffen, in denen der letztgenannte Schwellenwert erfüllt worden ist."
Bytedance äußerte sich enttäuscht über die Entscheidung, gegen die Rechtsmittel eingelegt werden können. "Während wir nun unsere nächsten Schritte abwägen, hatten wir bereits Maßnahmen ergriffen, um den entsprechenden Verpflichtungen des DMA vor der Frist im vergangenen März nachzukommen." Die EU-Kommission hat das Urteil nach eigenen Angaben zur Kenntnis genommen und will es prüfen.
"TORWÄCHTER"-STATUS NUR SCHWER ZU WIDERLEGEN
Im Rahmen des Digital Markets Act (DMA) hat die Europäische Union (EU) mehr als 20 Online-Dienste als besonders einflussreich klassifiziert. Diese haben über 45 Millionen aktive Nutzer in der Staatengemeinschaft und einen Börsenwert von mindestens 75 Milliarden Euro. Als "Torwächter" gelten neben Bytedance der Internet-Konzern Google mit seinem Smartphone-Betriebssystem Android oder die Facebook-Mutter Meta. Diese Firmen müssen bestimmte zusätzliche Auflagen erfüllen. Sie werden unter anderem dazu verpflichtet, ihre Plattformen für die Konkurrenz zu öffnen und verstärkt gegen Hass und Hetze im Internet vorzugehen.
"Das klare Urteil des Gerichts ist im Ergebnis als ein deutliches Signal zu verstehen, auch an alle anderen potenziellen 'Torwächter'", sagte Sarah Blazek, Partnerin der Anwalts- und Steuerberatungskanzlei Noerr. "Erreichen sie die Schwellenwerte des DMA, wird die Benennung als 'Torwächter' nur äußerst schwer zu widerlegen sein." Auch Meta und Apple haben Einspruch gegen die entsprechende Klassifizierung durch die EU eingelegt.
OFT KRITISIERT, ABER ALS WERBEMEDIUM UNVERZICHTBAR
Unabhängig davon steht TikTok wegen möglicher Datenspionage und Manipulation der öffentlichen Meinung international in der Kritik. In den USA droht ein Verbot der vor allem bei Jugendlichen beliebten Plattform. Der designierte republikanische US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump, der die App während seiner Amtszeit aus seinem Land verbannen wollte, äußerte sich zuletzt dagegen zugunsten von TikTok. Er hatte erst vor wenigen Wochen dort ein Nutzerkonto eingerichtet und binnen Stunden Millionen Follower gewonnen.
Wegen seiner 170 Millionen Nutzer allein in den USA ist TikTok ein wichtiges Werbemedium im dortigen Wahlkampf. Auch US-Präsident Joe Biden ist auf der Plattform aktiv. Zahlreiche europäische Politiker wie Bundeskanzler Olaf Scholz präsentieren sich dort ebenfalls.
(Bericht von Hakan Ersen; unter Mitarbeit von Foo Yun Chee. Redigiert von Philipp Krach. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)