Opposition und Maduro sehen sich als Sieger der Präsidentenwahl in Venezuela

- von Deisy Buitrago und Mayela Armas und Vivian Sequera
Caracas (Reuters) - In Venezuela reklamieren sowohl die Opposition als auch Amtsinhaber Nicolas Maduro den Sieg bei der Präsidentenwahl für sich.
Auf den Oppositionskandidaten Edmundo Gonzalez seien 70 Prozent der Stimmen entfallen, sagte Oppositionsführerin Maria Corina Machado am Montag. Nachwahlbefragungen und Auszählungen zeigten, dass er die Präsidentenwahl gewonnen habe. Die Wahlbehörde hingegen rief den Sozialisten Maduro zum Wahlsieger aus. Auf ihn seien 51 Prozent der Stimmen entfallen, auf Gonzalez nur 44 Prozent. Maduro regiert in dem ölreichen südamerikanischen Land seit elf Jahren mit einem autoritären Kurs und der Unterstützung des Militärs. Schon die Wahl 2018 war von Manipulationsvorwürfen überschattet.
"Venezuela hat einen neuen gewählten Präsidenten und das ist Edmundo Gonzalez", schrieb Machado in einer gemeinsamen Erklärung mit Gonzalez. "Wir haben gewonnen und die ganze Welt weiß das." Das für seine Umfragen zu US-Wahlen bekannte Forschungsinstitut Edison Research hatte in einer Nachwahlbefragung vorausgesagt, dass González 65 Prozent der Stimmen erhalten würde, während Maduro nur auf 31 Prozent komme. Das heimische Institut Meganalisis prognostizierte 65 Prozent für Gonzalez und knapp 14 Prozent für Maduro.
Der Präsident trat vor jubelnden Anhängern im Präsidentenpalast auf. Der 61-Jährige bezeichnete dabei seine behördlich verkündete Wiederwahl als Triumph des Friedens und der Stabilität. Das Wahlsystem Venezuelas sei transparent. Er werde noch am Montag ein Dekret zur Abhaltung eines "großen nationalen Dialogs" unterzeichnen, fügte Maduro hinzu. Er hatte vergangene Woche vor einem "Blutbad" gewarnt, sollte er verlieren. Der russische Präsident Wladimir Putin stellte sich hinter Maduro und gratulierte ihm zur Wiederwahl.
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International sorgt die Wahl für Besorgnis. "Wir haben ernsthafte Bedenken, dass das angekündigte Ergebnis weder den Willen noch die Stimmen des venezolanischen Volkes widerspiegelt", sagte US-Außenminister Antony Blinken beim Treffen indopazifischer Staaten in Tokio mit Blick auf das von der Wahlbehörde verkündete Ergebnis. "Es ist von entscheidender Bedeutung, dass jede Stimme fair und transparent gezählt wird." Die Wahlbehörde soll ein unabhängiges Gremium sein. Die Opposition wirft ihr jedoch vor, nur ein verlängerter Arm der Regierung zu sein.
Auch in den lateinamerikanischen Staaten sorgt der Streit über den Wahlausgang für Bedenken. "Maduros Regime muss verstehen, dass die Ergebnisse schwer zu glauben sind", sagte Chiles Präsident Gabriel Boric. "Wir werden kein Ergebnis anerkennen, das nicht überprüfbar ist." Ähnlich äußerte sich Perus Außenminister Javier Gonzalez-Olaechea. "Ich verurteile auf das Schärfste sämtliche von der venezolanischen Regierung mit betrügerischer Absicht begangenen Unregelmäßigkeiten", sagte er.
Ganz andere Worte kommen aus Kuba und Russland, zwei engen Verbündeten von Maduro. "Das Volk hat gesprochen und die Revolution hat gewonnen", sagte Präsident Miguel Diaz-Canel. Der russische Präsident Putin gratulierte Maduro ebenfalls und kündigte an, die Zusammenarbeit in allen Bereichen zu vertiefen. "Die russisch-venezolanischen Beziehungen haben den Charakter einer strategischen Partnerschaft", sagte Putin in einer Botschaft an Maduro, die der Kreml veröffentlichte. "Ich bin zuversichtlich, dass Ihre Aktivitäten an der Spitze des Staates weiter zu ihrer fortschreitenden Entwicklung in alle Richtungen beitragen werden."
Ein Sprecher des Auswärtiges Amts in Berlin sagte, man sei sehr beunruhigt, weil den Bürgern in Venezuela das Recht der Teilnahme an der Stimmenauszählung verweigert werde. Die Behörden seien aufgerufen, alle Ergebnisse aufgeschlüsselt nach Wahllokalen und insgesamt transparent zu machen. Ähnlich äußerte sich das britische Außenministerium.
Maduro ist seit dem Tod seines Vorgängers und Mentors Hugo Chavez 2013 im Amt. Der ehemalige Busfahrer von der Sozialistischen Einheitspartei PSUV ist umstritten. Das Land mit reichen Erdölvorkommen steckt seit Jahren in einer wirtschaftlichen und humanitären Krise. "Ich arbeite als Putzfrau und meine vier Enkelkinder sind von mir abhängig", klagte die 61 Jahre alte Luisa González. "Ich verdiene nur 15 Dollar pro Woche und das reicht, um an einem Tag zu essen, aber nicht am nächsten." Maduro macht dafür vor allem die Wirtschafts- und Finanzsanktionen der USA verantwortlich. Dank der Unterstützung Russlands und Chinas konnte er sich jedoch an der Macht halten.
Die rechte Opposition hatte die vorige Wahl boykottiert, rechnet sich dieses Mal aber erstmals seit Jahren eine Chance aus. Der bis vor wenigen Monaten kaum bekannte Ex-Diplomat Gonzalez forderte den autoritär regierenden Maduro heraus und tritt als Kandidat der Demokratischen Einheitsplattform (Plataforma Unitaria Democratica, PUD) an – des Mehrheitsblocks innerhalb der Opposition. Unterstützt wird die Kandidatur des 74-Jährigen durch Maria Corina Machado, Vorsitzende der liberalen Partei Vente Venezuela, die die Vorwahlen der Opposition für sich entscheiden konnte. Sie durfte allerdings wegen eines Verbots zur Ausübung von öffentlichen Ämtern nicht kandidieren. Insgesamt stellten sich noch weitere neun Kandidaten für die Präsidentschaftswahl zur Verfügung.
(Bericht von Deisy Buitrago, Mayela Armas, Vivian Sequera und Julia Symmes Cobb, geschrieben von Rene Wagner, Mitarbeit Christian Krämer, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)