Scholz kündigt schnelle Gespräche mit Länder und Union zu Asyl an

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- von Andreas Rinke und Christian Krämer Alexander Ratz

Berlin (Reuters) - Bundeskanzler Olaf Scholz hat schnelle Gespräche mit Ländern und Union zu den Konsequenzen aus dem Anschlag in Solingen angekündigt.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser werde zu "vertraulichen und zielführenden" Gesprächen einladen, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch nach einem Treffen mit dem britischen Premierminister Keir Starmer in Berlin. "Wir werden nicht zur Tagesordnung übergehen. Wir werden Lehren ziehen", betonte der Kanzler. FDP-Chef Christian Lindner kündigte in der ARD ebenso wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit an, dass die Regierung in Kürze zusätzliche Maßnahmen vorstellen werde. Dies soll Grundlage für die Gespräche mit den Ländern und der Opposition sein.

Seit dem tödlichen Anschlag in Solingen, bei dem auf einem Stadtfest drei Menschen durch eine Messerattacke getötet und acht weitere verletzt wurden, wird über eine Verschärfung der Asylpolitik diskutiert. CDU-Chef Friedrich Merz hatte mit Blick auf Migranten und Flüchtlinge die Erklärung einer "nationalen Notlage" ins Gespräch gebracht und Scholz aufgefordert, Gesetzesverschärfungen mit der Union statt mit FDP und Grünen durchzusetzen. Die CDU fordert wie die AfD, die Grenzen für Flüchtlinge vor allem aus Afghanistan und Syrien zu schließen.

Der Kanzler verwies ebenso wie Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) darauf, dass die Ampel-Regierung bereits zahlreiche Maßnahmen beschlossen habe. Die Zahl der Abschiebungen steige, die Zahl der ankommenden Migranten und Flüchtlinge sinke. Sowohl Scholz als auch Lindner forderten aber, dass weitere Schritte folgen müssten. Hier sei die Ampel aus SPD, Grünen und FDP gefordert, sagte der Finanzminister. So müssten Ausreisepflichtige konsequent innerhalb der EU abgeschoben werden - in die Länder, in die sie zuerst in den sogenannten Schengenraum eingereist seien. Ein Beitrag dabei könnte sein, keine Sozialleistungen mehr an diese Personen auszuzahlen. Der deutsche Sozialstaat habe eine zu große Sogwirkung, sagte Lindner.

Der Kanzler betonte in Anspielung auf die Forderung nach Grenzzurückweisungen erneut, dass man zusätzliche Schritte beschließen müsse, "ohne internationale Abkommen, ohne das gemeinsame europäische Recht und ohne das Grundgesetz, unsere Verfassung, infrage zu stellen". Das individuelle Recht auf Asyl werde erhalten bleiben. Auch Lindner wies wie zuvor Justizminister Marco Buschmann den Merz-Vorschlag zurück, alle Syrer und Afghanen an deutschen Grenzen abzuweisen. Man müsse seriös bleiben, sagte der Finanzminister.

Vize-Kanzler Habeck sagte in einem Instagram-Video, der mutmaßliche aus Syrien stammende Täter von Solingen hätte gar nicht mehr in Deutschland sein dürfen. Bei Abschiebungen klafften eklatante Lücken zwischen Anspruch und Wirklichkeit. "Wir haben aber offenbar ein Rechtsdurchsetzungsproblem", sagte er. "Das treibt doch die Leute in den Wahnsinn, dass wir ständig über Gesetzesänderungen reden, aber die bestehenden Gesetze noch nicht mal zur Anwendung bringen", kritisierte auch Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) den TV-Sendern RTL und ntv. Der Grünen-Politiker sprach sich für ein schärferes Waffengesetz aus und befürwortete Grenzkontrollen. Özdemir forderte mehr Kompetenzen für Sicherheitsbehörden.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) brachte im Kampf gegen die zunehmende Messer-Kriminalität den Entzug von Führerscheinen ins Spiel. "Es gibt den Gesichtspunkt der charakterlichen Eignung", sagte Reul in Düsseldorf mit Blick auf Messer-Täter.

BEREITSCHAFT ZUM DIALOG MIT UNION

Zugleich betonten Ampel-Politiker ihre Bereitschaft zu einem Dialog mit der Union. "Es ist ein gutes Signal, wenn die größte Oppositionspartei eine Zusammenarbeit anbietet", sagte Scholz, ohne auf konkrete Vorschläge einzugehen. "Die Bundesregierung wird die nun nötigen Entscheidungen sehr zeitnah mit Vertretern der Länder und von CDU/CSU eingehend erörtern, genauso wie Vorschläge, die aus diesen Reihen eingebracht werden."

Özdemir warf CDU-Chef Merz vor, die Asyl-Debatte aus Wahlkampf-Gründen anzuheizen. "Wir haben ja Landtagswahlen. Das verstehe ich auch bis zu einem gewissen Grad. Aber mein Wunsch wäre schon, dass wir jetzt hier nicht Parteipolitik machen", sagte der Grünen-Politiker den Sendern RTL und ntv mit Blick auf die Wahlen in Sachsen und Thüringen am Sonntag.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), verteidigte die umstrittene Forderung von Merz, in der Migrationspolitik gegebenenfalls eine "nationale Notlage" auszurufen. "Wer nicht mit verschlossenen Augen durch die Welt geht, muss erkennen: Deutschland befindet sich in einer schweren Migrationskrise", sagte er der "Rheinischen Post".

(Mitarbeit von Matthias Inverardi; redigiert von Hans Busemann.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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