Habeck-Vertraute und Grünen-Linker wollen Parteichefs werden

- von Holger Hansen
Berlin (Reuters) - Die Grünen werden künftig voraussichtlich von einer engen Vertrauten von Wirtschaftsminister Robert Habeck und von einem einflussreichen Vertreter des linken Parteiflügels geführt.
Nur zwei Tage nach dem Rücktritt der Bundesparteiführung gaben am Freitag die Wirtschafts-Staatssekretärin Franziska Brantner und ihr Fraktionskollege Felix Banaszak via Instagram ihre Kandidatur für den Parteivorsitz bekannt. Vizefraktionschef Andreas Audretsch soll zudem neben seinem Amt die Leitung des Bundestagswahlkampfes übernehmen. Die Neuwahl der Parteispitze findet Mitte November auf einem Parteitag in Wiesbaden statt. Die derzeitigen Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour hatten am Mittwoch ihren Rücktritt erklärt.
Bis zum Parteitag vom 15. bis zum 17. November in Wiesbaden können weitere Kandidaten ihre Bewerbung anmelden. Aus der Partei hieß es aber an mehreren Stellen, Brantner und Banaszak könnten mit großem Rückhalt rechnen. Beide könnten auch als ein Signal für eine mögliche Machtoption nach der Bundestagswahl 2025 verstanden werden - eine Koalition mit der Union.
WEICHENSTELLUNG FÜR HABECK ALS SPITZENKANDIDAT
Die neue Doppelspitze wäre auch eine Weichenstellung für eine Kanzlerkandidatur von Habeck bei der Bundestagswahl, die für den 28. September 2025 angesetzt ist. Auch darüber soll auf dem Parteitag abgestimmt werden. Brantner ist eine seiner engsten Vertrauen und kann in der Parteizentrale dafür sorgen, dass Partei und Kandidat im Wahlkampf an einem Strang ziehen.
Brantner ist Realpolitikerin und kommt aus dem einflussreichen grün-schwarz regierten Baden-Württemberg. Banaszak ist wichtiger Drahtzieher des linken Flügels. Als einstiger Parteichef in Nordrhein-Westfalen hatte er 2022 die Verhandlungen mit der CDU zur Bildung der schwarz-grünen Landesregierung in Düsseldorf mitgestaltet.
Audretsch zählt auch zum linken Flügel und ist als Vizefraktionschef für Wirtschaft und Soziales zuständig. Zusätzlich zu seiner Arbeit im Bundestag werde er "die Leitung der Kampagne zur Bundestagswahl" übernehmen.
Audretsch wechselt demnach nicht in die Parteiführung. Die "Rheinische Post" hatte zunächst berichtet, er werde Bundesgeschäftsführer. In dem Fall hätte eine der drei Personen das Bundestagsmandat aufgeben müssen. Laut Parteisatzung dürfen nur zwei Vorstandsmitglieder Mandatsträger sein. Demnach könnten Brantner und Banaszak im Fall ihrer Wahl ihre Mandate halten. Das Amt der Parlamentarischen Staatssekretärin müsste Brantner über kurz oder lang allerdings wohl niederlegen. Die Parteisatzung erlaubt eine bis zu achtmonatige Übergangszeit.
Banaszak begründete seine Kandidatur ausführlich. "Dieses Land braucht eine politische Kraft, die an die Solidarität und Gerechtigkeit glaubt", schrieb er unter anderem. Dafür wolle er kämpfen. Brantner schrieb, die Partei der Grünen verkörpere wie keine andere Partei die Überzeugung, dass sich Ökologie und Ökonomie vereinbaren ließen: "Die Menschen erwarten von uns Lösungen, die ihr Leben verbessern."
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