Ökonomen-Stimmen zur Zinsentscheidung der US-Notenbank

Die US-Notenbank Fed hat nach den Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten ihre Zinsen um 0,25 Prozentpunkte gesenkt. Die Spanne der Leitzinsen wird auf 4,50 bis 4,75 Prozent reduziert, gab die Fed am Donnerstag in Washington bekannt.
Bankvolkswirte hatten diese Entscheidung überwiegend erwartet. Die Entscheidung im geldpolitischen Ausschuss fiel einstimmig.Notenbankvorsitzender Jerome Powell wollte sich auf der Pressekonferenz nicht zu möglichen Auswirkungen einer erneuten Präsidentschaft von Donald Trump auf die Geldpolitik äußern. Er sagte lediglich, dass er nicht vorzeitig zurücktreten werde, falls dieser dies verlangen sollte.
Einschätzungen von Ökonomen im Überblick
Elmar Völker, Analyst bei der LBBW
„Die US-Notenbanker lassen es erwartungsgemäß gemächlicher angehen als zum Auftakt der Zinssenkungskampagne im September. (...) Die Fed schätzt die Wirkung der Geldpolitik auf die US-Wirtschaft noch immer als deutlich restriktiv ein, d.h. sie kann einstweilen auf einem Kurs gradueller Zinssenkungen bleiben. Ob der nächste Schritt bereits im Dezember kommen wird, erachten wir allerdings keineswegs als ausgemacht. Der bevorstehende Wechsel im Weißen Haus erhöht die Risiken insbesondere für Preisstabilität auf mittlere Sicht wieder. Dies spricht einstweilen für ein sehr vorsichtiges Vortasten auf dem Zinssenkungspfad nach unten. Ab dem kommenden Frühjahr sehen wir aus diesem Grunde eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die US-Währungshüter mit der Zinssenkungskampagne für längere Zeit aussetzen müssen.“
Bernd Weidensteiner und Christoph Balz, Analysten Commerzbank
„Wir gehen davon aus, dass die Fed vorerst auf Zinssenkungskurs bleibt. Ein weiterer Schritt auf der letzten Sitzung des Jahres im Dezember ist aus heutiger Sicht sehr wahrscheinlich. Auch zu Jahresanfang wird die Fed die Leitzinsen wohl weiter reduzieren. Allerdings erwarten wir jetzt, dass der Zinssenkungsprozess bei 4,00 Prozent endet (und nicht, wie bisher erwartet, bei 3,50 Prozent). Damit stehen nur noch drei Schritte zu je 0,25 Prozentpunkte an. Wir haben unsere Prognose entsprechend angepasst. Eine weitere Lockerung erscheint vor dem Hintergrund der vermutlich inflationär wirkenden Politik des künftigen Präsidenten Donald Trump unwahrscheinlich.“
Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank
„Die von Donald Trump geplanten niedrigeren Unternehmenssteuern und höhere Zölle werden den geldpolitischen Kurs im kommenden Jahr maßgeblich beeinflussen. Niedrigere Steuersätze fördern das Wachstum, höhere Zölle erhöhen die Preise und die Inflation. In diesem Fall müsste sich die US-Notenbank von ihren Zinssenkungsplänen verabschieden. Die Fed wird jedenfalls die wirtschaftspolitischen Maßnahmen der neuen Administration genau analysieren und gegebenenfalls die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Eine etwaige länger anhaltende restriktive Geldpolitik könnte derweil zu direkten Konflikten mit der Regierung führen. Trump kritisierte bereits während seiner ersten Amtszeit die Geldpolitik der Fed deutlich und betonte, dass er als erfolgreicher Unternehmer ein 'besseres Gespür als die Notenbanker hätte'. Für die Fed, insbesondere für Fed-Chef Jerome Powell, bringt ein Donald Trump ganz eigene Herausforderungen mit sich.“
Joachim Schallmeyer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie, Dekabank
„Unabhängig von dem überraschend klaren Wahlsieg von Donald Trump ist die Zinssenkung durch die US-Fed schon im Vorfeld erwartet und eingepreist worden. Die Fed hat wie erwartet geliefert, dennoch wird die Nervosität am Rentenmarkt insgesamt hoch bleiben, nicht nur am kurzen Ende, sondern auch am langen Ende der Zinskurve. Wir rechnen damit, dass die US-Notenbank bereits im Dezember eine weitere Senkung von 0,25 Prozentpunkten vornimmt. Die Tür für weitere Zinssenkungen bleibt damit geöffnet. Allerdings wird die Fed diese mit Augenmaß und ohne Eile - je nach Marktverfassung und Datenlage vornehmen.“
Michael Heise, der Chefökonom von HQ Trust
„Die amerikanische Zentralbank bleibt mit dem kleinen Zinssenkungsschritt bei der Strategie, eine sanfte Landung der US-Wirtschaft in den kommenden Quartalen zinspolitisch abzusichern. Wenn es gelingt, die Phase der Hochinflation in den letzten Jahren ohne einen Wirtschaftsabschwung zu überwinden, wäre das ein gewaltiger Erfolg. Einen Autopilot für weitere Zinssenkungen gibt es aber nicht. Sollte sich nach dem Wahlsieg der Republikaner eine weiterhin expansive und möglicherweise preistreibende Politik ankündigen, wird das Bremspedal der Notenbank nicht weiter gelockert werden.“
dpa-AFX