Bundeswahlleiterin weist Vorwurf der Einmischung zurück
- von Andreas Rinke und Alexander Ratz
Berlin (Reuters) - Im Streit über den Termin für Neuwahlen hat Bundeswahlleiterin Ruth Brand den Unions-Vorwurf einer Einmischung des Kanzleramtes zurückweisen lassen.
"Es gab keine Weisung oder Einflussnahme auf die Position der Bundeswahlleiterin im Zusammenhang mit Neuwahlen", sagte ein Behördensprecher der Nachrichtenagentur Reuters am Wochenende. "Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ist die Bundeswahlleiterin als unabhängiges Wahlorgan (...) nicht an Weisungen, sondern an die gesetzlichen Vorschriften gebunden." Es sei Aufgabe der Bundeswahlleiterin, bei der Vorbereitung von Wahlen auch auf Risiken hinzuweisen. Dennoch fordern nach Union und FDP auch Grünen-Vertreter schnellstmögliche Neuwahlen.
Als Folge des andauernden Haushaltsstreits der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte Bundeskanzler Scholz am vergangenen Mittwoch Finanzminister Christian Lindner entlassen. Die FDP kündigte daraufhin die Koalition auf und forderte wie CDU/CSU sofortige Neuwahlen. Die kann es aber erst geben, wenn der Kanzler im Bundestag die Vertrauensfrage verliert und anschließend den Bundespräsidenten auffordert, das Parlament aufzulösen. Scholz hat die Vertrauensfrage für den 15. Januar angekündigt, was Union und FDP als zu spät kritisieren.
Am Samstag hatte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, dem Kanzleramt vorgeworfen, die Bundeswahlleiterin für seine Zwecke nutzen zu wollen. Die Rumpfregierung aus SPD und Grünen sollte "sämtliche Versuche unterlassen, Behördenleiter für parteipolitische Spielchen zu instrumentalisieren", sagte Frei Reuters. "Die Union fordert nichts anderes, als Neuwahlen nach Recht und Gesetz." Brand war Anfang 2023 als Präsidentin des Statistischen Bundesamtes vom SPD-geführten Bundesinnenministerium berufen worden und nimmt in dieser Funktion auch das Amt als Bundeswahlleiterin ein.
"ES IST SCHÄBIG"
Kritik an der Union kam auch aus den Reihen von SPD und Grünen. "Nur weil der Union die Aussage der Bundeswahlleiterin nicht passt, darf man sie nicht so diskreditieren", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, Reuters. Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, stimmte zu: "Es ist schäbig, eine Behördenleiterin dafür zu kritisieren, dass sie angemessene Verfahrensweisen anmahnt, um eine faire und ordnungsgemäße Wahl sicherzustellen, denn das ist schlicht ihre Aufgabe", sagte sie zu Reuters. Dies "untergräbt das Vertrauen in demokratische Wahlen." Dennoch forderte Mihalic, dass Scholz die Vertrauensfrage bereits im Dezember stellen sollte. "Wir streben zügige Neuwahlen an", sagte sie zu "Bild".
Bundeswahlleiterin Brand erklärte nach Angaben ihres Sprechers in ihrem Schreiben vom Freitag an Kanzler Olaf Scholz, dass die ordnungsgemäße Durchführung der Wahl essentiell für das Vertrauen der Bürger in die Demokratie sei. Deshalb sei es erforderlich, den vom Grundgesetz vorgegebenen Zeitraum der 60 Tage ab Auflösung des Deutschen Bundestages voll ausschöpfen zu können, um alle erforderlichen Maßnahmen rechtssicher und fristgemäß treffen zu können. Am Montag wollen die Landeswahlleiter über das weitere Vorgehen beraten.
Der Landeswahlleiter von Berlin, Stephan Bröchler, sieht einen zu frühen Termin für die anstehende Bundestagswahl skeptisch. "Ich warne vor jedem Sofortismus", sagte Bröchler in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Bröchler verwies darauf, dass bei einer Wahl etwa am 19. Januar - wie von CDU-Chef Friedrich Merz gefordert - bereits Anfang Dezember die Briefwahl beginnen müsste. Es wäre schwierig, dies umzusetzen. Er würde sich einen Wahltermin im März wünschen. "Meine Bitte an die Politik ist, uns diese Zeit zu geben." Bröchler ist Mitglied der SPD, hat in der Partei aber weder Amt noch Funktion.
"DAS WÄRE NICHT DER AUFBRUCH"
FDP-Chef Christian Lindner sagte im "Bericht aus Berlin", Scholz solle den Weg frei machen und nicht weiter die Zeit des Landes rauben. Zugleich warnte Lindner vor einer Koalition der Union mit SPD oder den Grünen nach der kommenden Bundestagswahl. "Das wäre nicht der Aufbruch, den das Land braucht." Der Ex-Bundesfinanzminister bekräftigte vielmehr den Anspruch seiner Partei, einer nächsten Regierung wieder anzugehören. "Ich möchte weiter auf das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in einer nächsten Regierung aufpassen", betonte Lindner sein Ziel, wieder Finanzminister zu werden. Für die FDP gab der Parteichef als Ziel für die Bundestagswahl ein zweistelliges Ergebnis aus. In Umfragen liegen die Liberalen derzeit bei drei bis vier Prozent.
SPD-Co-Chef Lars Klingbeil mahnte ein Ende der Diskussion über den Wahltermin an. "Die Debatte wird mir viel zu emotional geführt", sagte Klingbeil "Zeit online".
(Redigiert von Birgit Mittwollen.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)