Merz in Kiew - Selenskyj fordert Taurus und Sicherheitsgarantien

- von Andreas Rinke
Kiew (Reuters) - Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat bei einem Besuch des Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz Sicherheitsgarantien für sein Land gefordert, auch wenn es derzeit nicht Nato-Mitglied werden kann.
elenskyj verwies am Montag auf eine Idee des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, "dass ein gewisses Truppenkontingent des einen oder anderen Landes in der Ukraine präsent sein könnte, solange die Ukraine nicht in der Nato ist". Nötig sei aber, dass es ein genaues Verständnis gebe, "wann die Ukraine EU-Mitglied sein wird und wann die Ukraine Nato-Mitglied sein kann".
Merz war am Montag zu seinem zweiten Besuch nach Mai 2022 in Kiew eingetroffen und versicherte dem Land die Solidarität der Unions-Bundestagsfraktion. Zugleich forderte er, dass die Bundesregierung die Reichweitenbeschränkung für den Einsatz von Deutschland gelieferter Waffen aufhebt. "Wir wollen Ihre Armee in die Lage versetzen, Militärbasen in Russland zu erreichen - nicht die Zivilbevölkerung, nicht die Infrastruktur, aber die militärischen Ziele - , von denen aus ihr Land bekämpft wird", sagte er zu Selenskyj. Auf die von Selenskyj geforderte Taurus-Marschflugkörper ging Merz nicht ein.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) lehnt die Aufhebung der Reichweitenbeschränkung für den Beschuss von Zielen in Russland sowie Taurus-Lieferungen ab. Merz sagte, dies sei nicht die Position der Union. Man sei sich in Deutschland aber einig, die Ukraine zu unterstützen. "Wir versuchen eine möglichst breite Basis zu finden für eine entsprechende Politik gegenüber der Ukraine." Über allem stehe das Ziel, irgendwann wieder zu einer europäischen Friedensordnung zu kommen, die das Land einbeziehe.
Selenskyj dankte Deutschland für bisher geleistete Hilfe, forderte aber mehr. Putin wolle den Krieg nicht beenden, deshalb müsse man ihn dazu zwingen. "Zwingen kann man ihn nur, wenn die Ukraine stark ist. Und die Voraussetzung der Stärke der Ukraine in der Diplomatie ist Stärke auf dem Gefechtsfeld." Er nannte ATACMS-Raketen der USA, aber auch Taurus. "Die brauchen wir sehr dringend. Aber zusätzlich benötigen wir Sicherheitsgarantien." Selenskyj lobte sehr gute Gespräche auch mit Scholz und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in den vergangenen Tagen. Der Kanzler hatte vor einer Woche Kiew besucht.
Selenskyj kündigte an, über Sicherheitsgarantien mit US-Präsident Joe Biden "in nächster Zeit" sprechen zu wollen. Mit Blick auf dessen Nachfolger Donald Trump sagte er, mit diesem über die Einladung einer Nato-Mitgliedschaft zu sprechen, sei derzeit schwierig. Trump trete sein Amt erst am 20. Januar an. "Das jetzt mit Trump zu diskutieren, bevor er seinen Posten im Weißen Haus eingenommen hat, macht nicht so viel Sinn." Selenskyj hatte Macron und Trump am Samstag in Paris getroffen.
Merz und Selenskyj forderten beide die Einrichtung einer europäischen Kontaktgruppe, die eine Ukraine-Strategie auch für die Zeit mit Trump abstimmen sollte. Merz schlug erneut Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Polen als Mitglieder vor. Selenskyj sagte, für die skandinavischen Länder sollte auch Dänemark teilnehmen. Merz sagte, Ziel müsse sein, den Krieg in der Ukraine so schnell wie möglich zu beenden.
(Bericht von Andreas Rinke, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)