Das sind Trumps Pläne für die Weltwirtschaft
Der US-Präsident Donald Trump will, dass andere Staaten für das Sicherheitsversprechen der Amerikaner, den Zugang zum US-Markt und dem Dollar bezahlen. Was es mit dem Plan auf sich hat - und was er für den Dollar und US-Anleihen bedeutet.

Dieser Artikel stammt aus dem digitalen Finanzmagazin The Market NZZ.
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Die Tragweite der Veränderungen, die von Washington derzeit vorangetrieben werden, darf nicht unterschätzt werden. US-Präsident Donald Trump produziert zwar tatsächlich viel Lärm, doch hinter der Geräuschkulisse dürfte etwas viel Größeres in Arbeit sein. Basierend auf Aussagen von Experten aus dem wirtschafts- und finanzpolitischen Umfeld des Präsidenten ist mit nichts Geringerem als einer fundamentalen Neuordnung des weltweiten Handels-, Finanz- und Sicherheitsgefüges zu rechnen.
Die Welt lacht über Amerika, während wir Schiffe schützen, die uns nicht gehören, die Öl transportieren, das wir nicht brauchen, und das für Verbündete bestimmt ist, die uns nicht helfen (...). Beenden wir unsere riesigen Defizite, senken wir unsere Steuern und lassen wir Amerikas Wirtschaft unbelastet von den Kosten für die Unterstützung derer wachsen, die es sich leisten könnten, uns für die Verteidigung ihrer Freiheit zu bezahlen.
Rein aus der Perspektive des Investors muss das nicht per se schlecht sein. Aber besonders Europa wird erhebliche Auswirkungen zu spüren bekommen.
Wir beleuchten im dieswöchigen "Big Picture", in welche Richtung sich das Denken in Washington bewegt und was es für die Weltwirtschaft bedeutet.
Trumps Berater sind berechenbarer als er selbst
Donald Trump mag unberechenbar und erratisch sein. Die Personen, die ihm in wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen zur Seite stehen, sind es nicht. Die beiden maßgeblichen Figuren in diesem Zusammenhang sind Finanzminister Scott Bessent sowie der designierte Chairman des wirtschaftspolitischen Beraterstabes (Council of Economic Advisers), Stephen Miran.
Beide haben in den vergangenen Monaten offensiv die Ambition formuliert, das globale Handels-, Finanz- und Sicherheitssystem grundlegend zu reformieren.
Wie diese Neuordnung konkret aussehen kann, beschrieb Miran im November, bereits nach der Wahl von Trump, in seiner bisherigen Rolle als Stratege beim Vermögensverwalter Hudson Bay Capital in einer umfassenden Studie mit dem Titel "A User’s Guide to Restructuring the Global Trading System".
Miran beschreibt darin Veränderungen von einer Tragweite, die mit dem System von Bretton Woods vergleichbar ist, das die Ordnung der Weltwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg regelte und in den frühen Siebzigerjahren zerbrach.
Die USA geben Sicherheit und den Dollar
Es lohnt sich, sich eingehend mit diesen Ideen auseinanderzusetzen. Im Grundsatz lässt sich die Stoßrichtung von Miran folgendermaßen zusammenfassen: Die USA stellen der Welt – teils nur dem demokratischen Teil, teils allen Ländern – zwei öffentliche Güter zur Verfügung:
- Schutz und Sicherheit, wozu auch die Sicherheit der Handelswege zählt
- den Dollar als Reservewährung
Und gemäß Miran werden die USA von den Nutznießern dieser öffentlichen Güter nicht adäquat bezahlt, weshalb das System grundlegend neu geordnet werden müsse.
Scott Bessent hat in öffentlichen Auftritten und Interviews zum Teil wörtlich die gleichen Argumente wie Stephen Miran aufgeführt. Unbedingt sehenswert in diesem Zusammenhang ist dieses 45-minütige Gespräch mit Simplify Asset Management vom Oktober 2024.
Den starken Dollar sieht Washington als Bürde
Für beide besteht kein Zweifel, dass die demokratische Welt vom Sicherheitsschirm der USA profitiert, ohne dafür zu bezahlen. Doch auch der Umgang mit dem Dollar ist ihnen ein Dorn im Auge. Miran sieht zwar durchaus Vorteile im Status des Dollar als Reservewährung – etwa "leicht tiefere" Zinsen. Aber er sieht ihn vielmehr als Bürde:
Weil der Rest der Welt seine überschüssigen Reserven in Dollar-Anlagen investiert und dadurch Kapital in die USA drängt, steht der Greenback unter permanentem Aufwertungsdruck.
Zudem erzwingen die Kapitalzuflüsse per Definition ein großes Defizit in der Leistungsbilanz der USA, da die Leistungs- und die Kapitalbilanz sich gegenseitig ausgleichen müssen. Der Reservestatus der heimischen Währung zwingt die USA in das nach dem belgisch-amerikanischen Ökonomen Robert Triffin benannte Triffin-Dilemma:
Der Dollar ist zu stark, der Industriesektor leidet, und die ungebremste Dollarnachfrage aus dem Rest der Welt zwingt die USA in eine Defizitwirtschaft.
Der Reservestatus des Dollar sei kein Privileg, schreibt Miran, sondern eine Belastung für Amerika, während der Rest der Welt davon profitiert.
Angesichts der Staatsverschuldung, die auf Bruttobasis auf mehr als 120 Prozent des Bruttoinlandprodukts gestiegen ist, und der Zinslast, die im laufenden Jahr mit gegen 1.000 Milliarden Dollar mehr Steuergelder verschlingen wird als der gesamte Verteidigungsetat, sei dieses System an seine Grenzen gekommen, schreibt Miran. Es sei an der Zeit, dass andere Länder – die Nutznießer des Systems – einen Teil der Last tragen.
Sicherheit, Zugang zur Reservewährung sowie Zugang zum riesigen Konsumentenmarkt Amerikas seien dabei untrennbar verbunden. "Zugang zum Sicherheitsschirm der USA ist ein Privileg. Zugang zum Dollar ist ein Privileg, Zugang zum US-Markt ist ein Privileg", schreibt Miran. Diese Privilegien seien kein Recht. Sie müssten verdient werden.
Auch Bessent spricht im erwähnten Interview – im Video ab circa Minute 30 – davon, dass die Nutznießer des Systems ihren Teil der Bürde tragen müssten. Und auch er sieht handels-, finanz- und sicherheitspolitische Fragen untrennbar miteinander verbunden:
Bessent schwebt vor, die Welt in die drei Zonen Grün, Gelb und Rot zu unterteilen, je nachdem, wie sich ein Land gegenüber den USA verhält. Miran führt mögliche Kriterien auf, die dieser Klassifizierung dienen könnten:
- Erhebt das Land Zölle auf seine Importe aus den USA?
- Hat das Land in der Vergangenheit seine Währung unterdrückt, zum Beispiel durch die Anhäufung von übermäßigen Devisenreserven?
- Öffnet das Land seine Märkte für US-Firmen in der gleichen Weise, wie Amerika seine Märkte für ausländische Firmen öffnet?
- Respektiert das Land die amerikanischen Rechte an geistigem Eigentum?
- Hilft das Land China bei der Umgehung von Zöllen durch Re-Exporte?
- Zahlt das Land seine Nato-Verpflichtungen in vollem Umfang?
- Stellt sich das Land in wichtigen internationalen Streitigkeiten, zum Beispiel bei den Vereinten Nationen, auf die Seite von China, Russland und Iran?
- Unterstützt oder bekämpft das Land die Sicherheitsbemühungen der USA auf verschiedenen Schauplätzen?
- Beherbergt das Land Feinde der Vereinigten Staaten, zum Beispiel Terroristen oder Cyberkriminelle?
- Stellen sich die Führer der Nation auf dem internationalen Parkett gegen die Vereinigten Staaten?
Wer sich gut verhält – Bessent nannte im Oktober als unverdächtiges Beispiel Australien –, darf sich zur grünen Zone zählen und wird vergleichsweise geringe Zollschranken für den Zugang zum US-Markt zu überwinden haben. Wer sich schlecht verhält, kann in die gelbe oder die rote Zone abrutschen – und mit entsprechend prohibitiven Zöllen belegt werden.
Zuckerbrot und Peitsche: Die USA im geopolitischen Finanzspiel
Das Zuckerbrot, das die USA den wohlgesinnten Staaten in Aussicht stellen, ist der Zugang zum Sicherheitsschirm, zum Dollar sowie zum riesigen amerikanischen Markt. Die Peitsche ist die Perspektive, diesen privilegierten Zugang zu verlieren.
Doch das ist nur der erste Teil des Plans. Der zweite Teil betrifft die Frage, wie dieses "Burden Sharing" geschehen und der amerikanische Steuerzahler entlastet werden soll.
Miran zeichnet zwei notwendige Schritte auf: Erstens müssen andere Staaten Hand dazu bieten, ihre eigenen Währungen in einer konzertierten Aktion gegenüber dem Dollar aufzuwerten. In Anlehnung an das Plaza-Abkommen von 1985 sprechen sowohl Miran als auch Bessent von der Notwendigkeit eines "Mar-a-Lago"-Abkommens.
Gleichzeitig, und das ist der wichtigste Teil, müssen sich alle Länder, die vom sicherheitspolitischen Schutzschirm der USA profitieren, an der Finanzierung des amerikanischen Staatshaushalts beteiligen. Dies soll nicht über normale Staatsanleihen geschehen, sondern in den Worten Mirans über Century Bonds oder in den Worten Bessents über War Bonds: Amerikanische Staatsanleihen mit 100 Jahren oder ewiger Laufzeit und null Prozent Verzinsung.
Diese Anleihen wären nicht handelbar, aber die US-Notenbank würde – dies wiederum als Zuckerbrot für den Zugang zum Dollar – dem betreffenden Staat eine Swap-Linie zur Verfügung stellen, über die jederzeit Dollar-Liquidität gegen die Sicherheit der Century Bonds bezogen werden kann.
Länder, die sich unter den Schutzschirm der USA begeben möchten, müssten also – selbstverständlich abgesehen von adäquaten Investitionen in die eigene Rüstung – den amerikanischen Steuerzahlern einen Teil der Last abnehmen, indem sie Century Bonds ohne Verzinsung kaufen. Damit verringert sich die Zinslast der USA, und die langfristigen Renditen von Treasuries würden sinken.
Trump forderte schon 1987 Geld für Schutz
Von Japan über Südkorea, Taiwan, Singapur, den Nato-Ländern, Saudi-Arabien bis hin zur Schweiz könnten sich schon bald diverse Staaten explizit oder implizit mit dieser Forderung konfrontiert werden.
Auch hier gilt: Wer nicht spurt, bekommt es mit Zolldrohungen und dem Verlust des Zugangs zum Schutzschirm der USA, zum Dollar und zum US-Markt zu tun.
"Wir werden in den nächsten Jahren eine weltwirtschaftliche Neuordnung sehen – so etwas wie ein neues Bretton Woods oder, wenn man so will, so etwas wie der Vertrag von Versailles. Die Chancen stehen gut, dass wir in den nächsten vier Jahren einen solchen Wandel durchmachen müssen, und ich würde gerne daran teilhaben", soll Scott Bessent, damals noch Hedgefonds-Manager, im Juni 2024 gesagt haben.

Klingt verrückt? Mitnichten. Es entspricht dem Denken, das ein damals aufstrebender New Yorker Immobilienspekulant namens Donald Trump vor fast vierzig Jahren zum Ausdruck brachte, als er am 2. September 1987 für fast 100.000 Dollar eine ganzseitige Anzeige in der "New York Times" kaufte und sich darin über die Dummheit der Politiker Amerikas erzürnte, weil sie die Sicherheit anderer Staaten wie Japan oder Saudi-Arabien gewährleisten und gleichzeitig von diesen Trittbrettfahrern ausgenommen würden.
Heute ist Trump der 47. Präsident der USA. Und er hat das Mandat, die Mittel und die Personen in seinem Kabinett, um den Plan voranzutreiben.
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