Energieaktien: Trendwende bei den unterbewerteten Cashflow-Lieferanten
Handelskonflikte und unsichere Aussichten zur Wirtschaft sorgen für Unruhe an den Börsen. Umso erstaunlicher ist, wie wacker sich Energieaktien in diesem schwierigen Umfeld schlagen – ein Kaufsignal für Anleger, die nach günstig bewerteten Unternehmen suchen.

Dieser Text ist ein Artikel von US-Korrespondent Christoph Gisiger in Los Angeles aus dem digitalen Finanzmagazin The Market.
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Die Situation an den Finanzmärkten bleibt unübersichtlich. An den Leitbörsen in den USA ist der S&P 500 bis zum 13. März in die erste Zehn-Prozent-Korrektur seit fast anderthalb Jahren gefallen. Darauf folgte zwar eine willkommene Gegenbewegung, doch die chaotische Handelspolitik der neuen US-Regierung und die Abschwächung der Konjunkturdaten dürften Investoren auf absehbare Zeit in Atem halten.
Dass Sorgen um die Wirtschaft zunehmen, signalisiert der Ölpreis. Die Notierung für ein Fass der europäischen Referenzsorte Brent ist in den vergangenen Tagen temporär unter 70 Dollar getaucht. Seit Anfang Jahr tendiert sie rund sechs Prozent schwächer. Die US-Sorte West Texas Intermediate hat sich in ähnlichem Umfang ermässigt.
Dennoch: In Anbetracht der düsteren Schlagzeilen bleiben die Verluste bisher in Grenzen. Trotz der Ankündigung des Ölkartells Opec+, Produktionskürzungen sukzessive aufzulösen, hält sich der Ölpreis sogar überraschend gut. Stützend wirkt unter anderem die Abwertung des Dollars.
Energiewerte überflügeln US-Index S&P 500
Bemerkenswert ist vor allem die solide Performance von Energieaktien wie ExxonMobil, Chevron oder Shell. Seit Ende Februar sind die Kurse um drei bis fünf Prozent geklettert.
Seit Anfang Jahr schneidet im S&P 500 der Energiesektor mit einer Avance von knapp neun Prozent am besten ab.
Diese positive Entwicklung lässt sich besonders gut anhand der relativen Performance erkennen. Verglichen mit dem Gesamtmarkt kämpften Energieaktien seit dem Frühjahr 2024 gegen einen hartnäckigen Abwärtssog an, der sich gegen Ende Jahr verstärkte.
Doch seither hat der Trend gedreht. Das überrascht umso mehr, weil der Sektor in der Regel sensitiv auf Veränderungen der Konjunkturaussichten reagiert.
Geopolitik bewegt den Ölpreis
Was könnte es also damit auf sich haben? Ein wichtiger Aspekt ist, dass die Börsen relativ weit nach vorne blicken. Das trifft auch auf Aktien von Energiekonzernen zu, die dem Ölpreis tendenziell etwas vorauseilen. Für die positive Kursentwicklung der letzten Monate könnten demnach mehrere Erklärungen infrage kommen.
Einerseits präsentiert sich zur globalen Konjunkturlage ein differenziertes Bild. China könnte dieses Jahr endlich wieder etwas Tritt fassen, und in Europa kommt es möglicherweise zu einer markant expansiveren Fiskalpolitik. Negative Auswirkungen auf den Ölpreis bei einer Abkühlung in den USA könnten dadurch etwas abgedämpft werden.
Entscheidend ist ebenso, was beim Angebot passiert. Die Staaten der Opec+ wollen die Förderquote ab April laufend erhöhen. Bis in anderthalb Jahren sollen damit täglich 2,2 Mio. Fass Öl (rund zwei Prozent der gegenwärtigen globalen Produktion) mehr auf dem Markt sein als heute. Das weckt ungute Erinnerungen an die Episoden in den Jahren 1998 und 2014, als das Kartell die Nachfrage überschätzte und die Produktion ausweite, worauf die Ölreserven weltweit stiegen und der Preis unter Druck geriet.
"Die aktuelle Situation unterscheidet sich allerdings wesentlich von diesen beiden Beispielen", denkt Randy Ollenberger, Analyst bei der kanadischen Grossbank BMO. Anders als damals habe die Opec zuletzt deutlich unter ihren offiziellen Quoten gefördert und das Angebot freiwillig limitiert, um den Preis zu stützen, erklärt er. "Die Reserven an Öl und Petroleumerzeugnissen liegen heute deshalb weit unter dem normalen Niveau, was Support für den Preis bedeuten sollte."
Paradebeispiel dafür sind die USA. Ihre strategischen Reserven, der weltgrösste Lagerbestand an Rohöl und Petroleumerzeugnissen, wurden nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine von der Biden-Regierung gezielt eingesetzt, um den Preisschock an den Energiemärkten zu verringern. Nun sollen sie stetig wieder aufgefüllt werden, wie US-Energieminister Chris Wright vergangene Woche bekräftigt hat.
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