Erste Group steigt in Polen ein - Milliardendeal mit Santander

- von Alexandra Schwarz-Goerlich und Jesús Aguado
Wien (Reuters) - Österreichs größtes Geldhaus Erste Group setzt mit einem rund 6,8 Milliarden Euro schweren Zukauf in Polen einen bedeutenden Expansionsschritt um.
Mit der spanischen Großbank Santander sei die Übernahme von 49 Prozent an deren polnischer Tochterbank vereinbart worden, teilte das Wiener Institut am Montag mit. Zudem erwirbt Erste Group für rund 200 Millionen Euro die Hälfte am Vermögensverwalter Santander TFI. Für die Wiener ist es die erste große Übernahme seit vielen Jahren und eine der größten grenzüberschreitenden Bankentransaktionen in Europa in den letzten Jahren. Santander will einen Teil des Erlöses für organisches Wachstum in Europa und in den USA verwenden.
Erste-Group-Chef Peter Bosek, der im Sommer 2024 die Führung übernommen hatte, zeigte bereits früh Interesse am polnischen Markt. "Ich bin wirklich begeistert, dass wir jetzt den Einstieg schaffen", sagte er in einer Telefonkonferenz.
Anleger begrüßten den Schritt: Die Aktie der Erste Group legte in Wien um 7,8 Prozent zu, während die Santander-Papiere um 0,6 Prozent stiegen und die Aktien der Tochter in Warschau 6,7 Prozent verloren. "Es ist schwer, den Kauf von Santander als Schnäppchen zu bezeichnen, aber das bedeutet nicht, dass sie überbezahlen", sagte Marcin Materna, Analyst bei der Millennium Bank.
Die Barzahlung bewertet Santander Bank Polska mit dem 2,2-fachen des Buchwerts je Aktie im ersten Quartal 2025, was einen Gesamtpreis von rund 13,9 Milliarden Euro bedeutet.
Durch den Erwerb wird die Erste Group zum größten Aktionär der Santander Bank Polska und erhält trotz Minderheitsbeteiligung faktisch die Kontrolle. Rund 37,8 Prozent der Anteile befinden sich im Streubesitz, die restlichen 13 Prozent hält Santander. Ein höherer Anteil hätte ein Pflichtangebot an die übrigen Aktionäre ausgelöst, was die Erste vermeiden will.
Polen war bislang einer der letzten weißen Flecken auf der Karte der in sieben mittel- und osteuropäischen Ländern aktiven Erste Group. Über viele Jahre liebäugelte die Bank mit einem Einstieg, potenzielle Zukäufe waren aber laut früheren Aussagen des Bankchefs oft zu teuer. Nun ist der Einstieg gelungen. "Heute ist der Tag", sagte Bosek. "Nach Jahren und Monaten des Redens über den Eintritt in den polnischen Markt setzen wir ihn endlich um". Die Santander Bank Polska ist nach zwei Staatsbanken die drittgrößte Bank des Landes mit einem Marktanteil von über acht Prozent. Die Kundenzahl der Erste Group wächst damit um rund 36 Prozent auf etwa 23 Millionen.
"Mit dem Erwerb eines beherrschenden Anteils an der Santander Bank Polska erfüllen wir ein langgehegtes strategisches Ziel und erweitern unsere Präsenz in einem der dynamischsten Bankenmärkte Europas", sagte Bosek. Der Manager erklärte zudem, dass sich die Bank keine Sorgen über die Schweizer-Franken-Kredite in Polen mache und die Erste Group nur einen "kleinen Teil des Risikos" übernehme. Santander-Chefin Ana Botin sagte, das Unternehmen habe Garantien für diese Kredite mit einer Obergrenze von 200 Millionen Euro bereitgestellt habe.
ERSTE GROUP WILL BEWUSST NUR 49 PROZENT
Geplant ist der Kauf von 49 Prozent der ausstehenden Aktien zu einem Preis von 584 Zloty je Aktie. Als größte Aktionärin kann die Erste Group künftig den Aufsichtsrat mitbesetzen und Einfluss auf die Vorstandsernennungen nehmen. Die polnische Tochter soll vollständig in die Bilanz integriert werden. Auch einen neuen Namen soll sie erhalten. Die Erste Group hat sich laut Bosek bewusst gegen eine größere Beteiligung entschieden, um eine Pflicht-Übernahmeofferte für die verbleibenden Anteile zu vermeiden.
Finanzvorstand Stefan Dörfler sprach von einem "wertschaffenden Schritt", der profitables Wachstum ermögliche. Für 2026 erwartet die Bank einen Gewinnanstieg je Aktie von über 20 Prozent und eine Eigenkapitalrendite (ROE) von rund 16 Prozent. Die harte Kernkapitalquote (CET1) soll nach dem Deal über 13,5 Prozent betragen und 2026 auf über 14,25 Prozent steigen. Die Dividende für 2024 bleibt bei 3,0 Euro je Aktie unangetastet, ab 2026 soll die Ausschüttungsquote wieder auf 40 bis 50 Prozent steigen.
Die Santander Bank Polska käme nach der Transaktion pro forma auf über 37 Milliarden Euro Netto-Kreditvolumen, mehr als 50 Milliarden Euro an Einlagen und Vermögenswerte von rund 67 Milliarden Euro. Der konsolidierte Nettogewinn der Einheit läge – bereinigt um Rückstellungen für Schweizer-Franken-Kredite – bei etwa 1,7 Milliarden Euro.
Der Zukauf wird vollständig aus Eigenmitteln finanziert – unter anderem durch den Verzicht auf das geplante Aktienrückkaufprogramm im Umfang von 700 Millionen Euro, eine temporäre Senkung der Ausschüttungsquote 2025 auf maximal zehn Prozent sowie bilanzielle Optimierungen. Der Abschluss der Transaktion wird bis Ende 2025 erwartet und steht unter dem Vorbehalt der Freigaben durch polnische und europäische Aufsichtsbehörden.
(Bericht von Alexandra Schwarz-Goerlich und Jesús Aguado. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)