DIHK sagt drittes Rezessionsjahr in Folge voraus
Berlin (Reuters) - Die Deutsche Industrie- und Handelskammer rechnet nach einer großangelegten Umfrage unter 23.000 Unternehmen aus allen Branchen weiter mit einer schrumpfenden Wirtschaft in diesem Jahr.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte demnach um 0,3 Prozent zurückgehen, teilte die DIHK am Dienstag in Berlin mit. Damit würde Deutschland das dritte Jahr in Folge in der Rezession stecken, was es seit Gründung der Bundesrepublik noch nie gegeben hat. 2024 betrug das Minus 0,2 Prozent. Allerdings war der Verband im Februar mit einem erwarteten Rückgang von 0,5 Prozent noch pessimistischer. Seitdem war die Wirtschaft im ersten Quartal deutlich stärker als gedacht gewachsen. Experten führen dies auch auf Vorzieheffekte zurück, bevor US-Präsident Donald Trump die bereits länger absehbaren Sonderzölle gegen wichtige Handelspartner wie die EU und China verhängte.
Diese dürften im Jahresverlauf noch für viel Unsicherheit sorgen. Die Bundesbank sprach zuletzt von einer neuen Normalität durch negative Überraschungen und plötzliche Wendungen der US-Regierung. Die DIHK rechnet damit, dass die Exporte in diesem Jahr um 2,5 Prozent (2024: minus 1,8 Prozent) schrumpfen werden. Das ist ein deutlich schlechterer Wert als noch im Februar angenommen. Trump hatte im April gegen fast alle Handelspartner hohe Sonderzölle verhängt, von denen mittlerweile aber zumindest ein Teil wieder befristet ausgesetzt ist. Die Antworten nach dem 2. April, den Trump mit seinen Sonderzöllen als "Tag der Befreiung" dargestellt hatte, fielen noch deutlich pessimistischer aus als zuvor schon.
"Die Stimmung der Unternehmen bleibt schlecht", hieß es im DIHK-Bericht zur Frühjahresumfrage. "Ein Aufbruch ist noch nicht in Sicht. Aus keinem der abgefragten Indikatoren lassen sich nachhaltige Impulse für die Gesamtkonjunktur ableiten." Der Handelskrieg mit den USA ist vor allem in der Industrie spürbar. 29 Prozent der befragten Unternehmen rechnen in den kommenden zwölf Monaten mit sinkenden Ausfuhren, nur 19 Prozent mit steigenden Exporten.
DIHK: WOLLEN VON BUNDESREGIERUNG TATEN SEHEN
Die neue Bundesregierung hat der Wirtschaft zugesagt, bis zum Sommer mit Entlastungen für Wachstumsimpulse zu sorgen. Dazu sollen Energiepreissenkungen sowie zusätzliche Abschreibungsmöglichkeiten und staatliche Investitionen zählen. "Wir wollen jetzt wirklich Taten sehen", sagte DIHK-Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov. Die Stimmung in der Wirtschaft werde drehen, sobald die Regierung aus Union und SPD ihre Ankündigungen auch umsetze. Es gebe zu viel Bürokratie, zu lange Planungs- und Genehmigungsverfahren, Energiepreise und Steuern seien zu hoch. Hier gebe es Handlungsbedarf. In der Handelspolitik dürfe man sich nicht nur mit den USA befassen, sondern müsse mit Freihandelsabkommen - etwa mit Indien oder Indonesien - neue Märkte stärker erschließen.
Befragt nach den größten Geschäftsrisiken verwiesen 59 Prozent der Betriebe auf die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Der Wert liegt nur einen Punkt unter dem Allzeithoch. Beklagt werden unter anderem Bürokratie, Handelsbarrieren sowie die hohen Arbeitskosten. Letztere sind vor allem in der Gastronomie und der Reinigungsbranche ein Thema, etwa durch den von Schwarz-Rot angestrebten deutlich höheren Mindestlohn.
In Deutschland plant knapp ein Viertel der befragten Firmen mit erhöhten Investitionen, ein Drittel will sie verringern. Wenn Gelder freigegeben werden, sind es vor allem Ersatzinvestitionen. "Der Anteil der Unternehmen, die Kapazitäten ausweiten wollen, liegt mit 19 Prozent auf einem historisch niedrigen Niveau." Nur 13 Prozent der Unternehmen planen für die kommenden Monate mit einem Beschäftigungsaufbau, während 22 Prozent kürzen wollen. 43 Prozent bezeichnen ihre Finanzlage als problematisch.
In der neuen DIHK-Umfrage wurde nicht explizit nach Investitionen in den USA gefragt. Die Unsicherheit im Zuge von Trumps Zollpolitik verzögere aber eher Investitionsabsichten, sagte DIHK-Konjunkturexperte Jupp Zenzen unter Verweis auf Gespräche mit Unternehmen. Es gebe jedenfalls noch keine Verschiebungen in die USA, um so die neuen Zölle zu umgehen. Aus einer Umfrage der Auslandshandelskammern von Anfang Mai geht hervor, dass 24 Prozent höhere Investitionen im kommenden Jahr in den USA planen. 29 Prozent sehen sich hingegen gezwungen, ihre Investitionen zu verringern.
(Bericht von Christian Krämer, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)