Einsatz von Truppen - Verstößt Trump gegen US-Recht?

- von Dietrich Knauth
(Reuters) - Kalifornien hat die Regierung von US-Präsident Donald Trump verklagt wegen des Vorwurfs, der Einsatz von Truppen in Los Angeles County sei "rechtswidrig".
Die Klage erfolgt als Reaktion auf Trumps Entscheidung, die Nationalgarde nach tagelangen teils gewaltsamen Protesten gegen die Migrationspolitik der Bundesregierung zu entsenden. Zudem mobilisierte Verteidigungsminister Pete Hegseth 700 Marinesoldaten als Reaktion auf die Unruhen. Trump bezeichnete die Demonstrationen als mögliche "Form der Rebellion" gegen die Autorität der US-Regierung, was ihn zum Einsatz von Truppen autorisieren würde.
Der Staat Kalifornien sieht das anders: In der Klage wird argumentiert, dass der Truppeneinsatz ohne Zustimmung des Gouverneurs gegen Bundesrecht und den 10. Zusatzartikel der US-Verfassung verstößt, der die Rechte der Bundesstaaten schützt. Danach wäre der Einsatz der Nationalgarde auf Befehl des Präsidenten rechtlich nicht gedeckt. Laut Klage gibt es weder eine "Rebellion" noch eine "Invasion" oder eine Situation, die die Durchsetzung von US-Gesetzen in Kalifornien verhindern würde. Die Klage weist zudem darauf hin, dass Trump vor dem Einsatz der Nationalgarde nicht mit Gouverneur Gavin Newsom gesprochen habe, was ebenso ein Rechtsverstoß darstelle.
Trump berief sich in seinem Befehl vom 7. Juni auf Titel 10 des US-Gesetzbuchs, um Mitglieder der kalifornischen Nationalgarde in den Bundesdienst zu rufen. Abschnitt 12406 erlaubt dem Präsidenten den Einsatz von Nationalgarde-Einheiten, wenn die Vereinigten Staaten angegriffen werden, wenn eine "Rebellion oder Gefahr einer Rebellion" besteht oder wenn der Präsident "mit den regulären Streitkräften die Gesetze der Vereinigten Staaten nicht durchsetzen kann". Nach dem Posse Comitatus Act von 1878 ist es dem US-Militär, einschließlich der Nationalgarde, aber grundsätzlich untersagt, zivile Straftaten zu verfolgen.
Abschnitt 12406 hebt dieses Verbot nicht auf, erlaubt jedoch den Einsatz zum Schutz von Bundesbeamten und zur Sicherung von Bundeseigentum. Während Nationalgardisten keine Demonstranten festnehmen können, dürfen sie beispielsweise Beamte der US-Einwanderungs- und Zollbehörde bei Festnahmen schützen. Experten sind über die Rechtmäßigkeit von Trumps Handlungen geteilter Meinung. Fünf Experten aus sowohl linksgerichteten als auch konservativen Organisationen haben Zweifel an der Anwendung von Titel 10 in diesem Zusammenhang geäußert.
KAUM PRÄZEDENZFÄLLE
Sie bezeichnen den Einsatz als aufwiegelnd und leichtsinnig, besonders weil Trump ohne die Unterstützung von Gouverneur Newsom gehandelt hat. Sie argumentieren, dass die Proteste nicht das Ausmaß einer "Rebellion" erreichen und die Bundesregierung nicht daran hindern, ihre Gesetze in Kalifornien durchzusetzen. Die Meinungen darüber, ob ein Gericht Newsoms Auslegung von Abschnitt 12406 bezüglich der Rolle des Gouverneurs unterstützen würde, gehen indes auseinander.
Einige Experten weisen darauf hin, dass Gerichte dem Wort "shall" (sollte) in Rechtsvorschriften traditionell großes Gewicht beimessen, was Newsoms Position stärken könnte, dass Gouverneure am Einsatz der Nationalgarde beteiligt sein müssen. Andere deuten an, dass das Gesetz eher die Standardpraxis bei der Entsendung der Nationalgarde widerspiegeln soll, als den Gouverneuren die Befugnis zu geben, eine Entscheidung des Präsidenten zu blockieren. Die Klage fordert eine gerichtliche Stellungnahme, dass Trumps Anordnung rechtswidrig ist, sowie eine einstweilige Verfügung gegen deren Durchsetzung.
Für einen solchen Streitfall gibt es kaum Präzedenzfälle. Laut Experten wurde Abschnitt 12406 nur einmal zuvor angewendet – zur Entsendung der Nationalgarde während des Poststreiks 1970 unter Präsident Richard Nixon. Allerdings könnte sich Trump auch auf den Insurrection Act von 1792 berufen, der ihm weitreichendere Maßnahmen ermöglichen würden, wenn es denn tatsächlich zu einer Rebellion kommen würde. Hochrangige Mitarbeiter des Weißen Hauses, darunter Vizepräsident JD Vance und der leitende Berater Stephen Miller, haben die Proteste bereits als "Aufstand" bezeichnet.
Historisch gesehen haben Präsidenten den Insurrection Act bei größeren nationalen Krisen eingesetzt, wie der Whiskey-Rebellion 1794 und dem Aufstieg des Ku-Klux-Klans nach dem Bürgerkrieg. Die letzte Anwendung erfolgte 1992 durch Präsident George H.W. Bush auf Ersuchen des kalifornischen Gouverneurs, um Unruhen in Los Angeles nach dem Freispruch von Polizeibeamten im Fall Rodney King zu beenden. Das letzte Mal, dass ein Präsident die Nationalgarde ohne Ersuchen eines Gouverneurs entsandte, war 1965, als Präsident Lyndon Johnson Truppen zum Schutz von Bürgerrechtsdemonstranten nach Montgomery, Alabama, schickte.
(Mitarbeit Tom Hals; Bearbeitet von Alexander Ratz; Redigiert von Christian Rüttger; Bei Rückfragen wenden Sie sich an berlin.newsroom@tr.com)