OECD: Mutigere Reformen in Deutschland sind Ausweg aus Wirtschaftsflaute

Berlin (Reuters) - Die neue Bundesregierung wird nach Einschätzung der Industriestaaten-Organisation OECD die Wirtschaftsflaute nur mit entschiedenen Reformen beenden können.
Hier brauche es mehr Tempo, teilte die OECD am Donnerstag in ihrem Länderbericht für Deutschland mit. Gelder müssten effizienter eingesetzt werden. Außerdem sollten mit Anreizen mehr Menschen in den Arbeitsmarkt geholt werden, auch durch Einwanderung. Die Gründung von Unternehmen müsse leichter und der Wettbewerb mit etablierten Firmen gefördert werden.
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche verwies bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit OECD-Generalsekretär Mathias Cormann in Berlin darauf, dass die schwarz-rote Koalition viele Maßnahmen in diese Richtung bereits angestoßen habe. "Wir brauchen wieder Wachstum." Dafür müsse die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts verbessert werden. Mehr Investitionen sollten mit Reformen kombiniert werden. Deutschland müsse seine Hausaufgaben machen, etwa durch niedrigere Steuern und Energiepreise. Auch die Arbeitskosten seien für Unternehmen zu hoch. Cormann wollte auf Nachfrage noch nicht bewerten, wo die Regierung Probleme nicht angehe. Er sei sehr zufrieden mit der Antwort von Reiche und der gesamten Regierung.
Die deutsche Wirtschaft steckt seit zwei Jahren in der Rezession. Die OECD rechnet für dieses Jahr mit einem Wachstum von 0,4 Prozent. 2026 dürften es dann 1,2 Prozent sein. Impulse erwartet sie durch steigende Investitionen sowie den Konsum der privaten Haushalte als auch des Staates. Der Export dürfte dagegen - angesichts des schwelenden Handelsstreits mit den USA - schwierig bleiben. Hier wird 2025 mit einem Minus von 0,3 Prozent gerechnet, 2026 dann mit einem kleinen Plus von 0,6 Prozent.
OECD: SCHNELLE REGIERUNGSBILDUNG WAR WICHTIG
Cormann sagte, die vergleichsweise schnelle Bildung einer Regierung sowie die Reform der Schuldenbremse hätten die politische Unsicherheit bereits verringert. Dadurch habe sich das Investoren- und Konsumentenvertrauen aufgehellt. Es gehe also in die richtige Richtung. Cormann bezeichnete die deutsche Wirtschaft als Schwergewicht mit enormen Potenzial.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will die Stimmung in der deutschen Wirtschaft bis zum Sommer gedreht haben. Mehrere Forschungsinstitute äußerten sich am Donnerstag bereits optimistischer als zuletzt, nachdem die deutsche Wirtschaft in den ersten drei Monaten überraschend stark zugelegt hatte. Auch der Regierung wurde attestiert, für Rückenwind zu sorgen. Das Münchner Ifo-Institut, das Essener RWI und das Kieler Institut für Weltwirtschaft rechnen für 2025 nun mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 0,3 Prozent. Das IWH aus Halle erwartet sogar 0,4 Prozent. 2026 soll es um 1,5 beziehungsweise 1,6 Prozent nach oben gehen, die IWH-Forscher veranschlagen plus 1,1 Prozent.
OECD: DEUTSCHLAND HAT VIEL ZU TUN
Handlungsbedarf gibt es laut OECD bei der mangelnden Digitalisierung der Verwaltung. Außerdem gebe es insgesamt zu viele bürokratische Hürden. Das sorge für weniger wirtschaftliche Dynamik und geringere Sprünge bei der Produktivität. Es müssten mehr Frauen in den Arbeitsmarkt geholt werden, zudem mehr Fachkräfte aus dem Ausland. Die neue Regierung aus Union und SPD müsse auch für Planbarkeit sorgen und so den Konsum stützen. Dazu würden auch schnelle Beschlüsse zum Haushalt für 2025 beitragen. Diese plant Schwarz-Rot Ende Juni, zusammen mit dem Errichtungsgesetz für den 500 Milliarden Euro schweren Sondertopf zur Modernisierung der Infrastruktur. Er ist neben der Grundgesetz-Anpassung zur stärkeren Aufrüstung der Bundeswehr der Kern der Finanzpläne.
Einen größeren Reformbedarf macht die OECD auch im Renten- und Gesundheitssystem aus. Anreize für Frühverrentung müssten auslaufen. Es brauche im Gegenteil Anreize für ein längeres Arbeiten, was die Regierung auch plant. Die OECD forderte zudem eine stärkere Digitalisierung im Gesundheitssektor, um Gelder effektiver steuern zu können. Verbesserungsbedarf sieht die OECD auch beim Kampf gegen Geldwäsche und stärkere steuerliche Anreize für Zweitverdiener in Familien, oft Frauen.
(Bericht von Christian Krämer, Mitarbeit von Rene Wagner, redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)