Nur bescheidene Zufriedenheit - Trump II bestimmt G7-Gipfel

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- von Andreas Rinke

Kananaskis (Reuters) - Am Ende zeigte Kanzler Friedrich Merz demonstrative Zufriedenheit mit seinem ersten G7-Gipfel.

"Ich bin sehr zufrieden mit dem gesamten Verlauf. Ich bin sehr zufrieden auch mit der gesamten Gesprächsatmosphäre", sagte Merz am Dienstag im abgeschiedenen kanadischen Kananaskis. Die Diskussionen seien "sehr kollegial, sehr offen und an keiner Stelle irgendwo kontrovers oder gar konfrontativ" gewesen. Zu dem Zeitpunkt war die einzige Person, die das hätte betreffen können, schon längst wieder abgereist: US-Präsident Donald Trump hatte am Montagnachmittag plötzlich verkündet, dass er wegen der Eskalation des Krieges im Nahen Osten vorzeitig nach Washington zurückkehren müsse.

Normalerweise hätte dies als Affront im Kreis der wichtigsten westlichen Industrienationen gegolten - zumal Trump schon in seiner ersten Amtszeit einen kanadischen G7-Gipfel gesprengt hatte, weil er eine gemeinsame Gipfelerklärung sofort widerrief. Diesmal jedoch zeigten die sechs Partner einmütig Verständnis, dass der Präsident der Supermacht in Washington um die Entscheidung ringen wollte, ob die USA an der Seite Israels in einen Krieg ziehen sollten oder nicht. Trump hatte diesmal hinter den Kulissen ausdrücklich signalisiert, dass er wirklich nicht provozieren wolle. Beim abschließenden Abendessen am Montagabend gab er auch den Widerstand gegen eine gemeinsame Erklärung zum Israel-Iran-Konflikt auf.

EU-DIPLOMATEN: STÄNDIGE ABWÄGUNG BEI TRUMPS FALSCHAUSSAGEN

Dabei hatten etliche Regierungschefs und auch Gastgeber Mark Carney schon vorgesorgt und die Erwartungen an den Gipfel wegen Trump deutlich gesenkt. Seit dessen Amtsantritt im Januar dominiert die wenig ambitioniert klingende Haltung, dass schon das Ausbleiben eines Eklats ein Erfolg bei multilateralen Treffen ist. Der US-Präsident wird wie ein rohes Ei behandelt: Nach Angaben von EU-Diplomaten beherrscht die ständige Abwägung, ob man Trumps vielen Falschaussagen widersprechen oder einfach schweigen soll, viele der Gespräche.

Das macht bescheiden. Eine wie sonst übliche breite gemeinsame G7-Erklärung wurde in Kananaskis gar nicht erst angestrebt. Merz warnte vor dem Gipfel, man solle bitte weder beim Zollstreit der USA mit der EU noch bei den Sanktionen gegen Russland einen Durchbruch erwarten. Es gehe darum, den US-Präsidenten in kleinen Schritten in die richtige Richtung zu bewegen. Denn Trump machte auch in Kananaskis deutlich, dass er prinzipiell ein Fan von Zöllen und ein Gegner von Sanktionen sei.

Immerhin: Wie schon bei Merz' Antrittsbesuch in Washington lobte Trump seine Partner ausdrücklich. Statt Rechtsaußen-Parteien zu unterstützen, wie dies andere Mitglieder seiner Regierung tun, pries Trump diesmal sogar den britischen Labour-Premierminister Keir Starmer als guten Mann. Der Kanzler hatte schon in Washington das Gefühl, bei Trump wachse die Einsicht, dass er angesichts der Vielzahl von Problemen Partner braucht.

Wenn Merz am Ende "vorsichtigen Optimismus" andeutete, dass Trump sich doch zu einer stärkeren Sanktionierung Russlands durchringen könnte, dürfte dies dennoch kaum mehr als eine Hoffnung sein. Denn Trump versicherte seinen G7-Kollegen nach Teilnehmerangaben zwar, dass auch er mit den fortgesetzten russischen Angriffen auf die Ukraine trotz seiner Gespräche mit Präsident Wladimir Putin nicht zufrieden sei. Aber weder bekam der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sein erhofftes Treffen mit Trump, noch erhielten die Europäer irgendeine Zusage für US-Sanktionen gegen Russland.

An der nur bescheidenen Zufriedenheit änderten deshalb auch die sieben gemeinsamen Erklärungen zu Themen wie Künstliche Intelligenz (KI), kritischen Rohstoffen oder Waldbränden wenig - deren Bindewirkung wie bei allen informellen G7-Gipfeln ohnehin begrenzt ist.

EUROPÄER STELLTEN CHINA IN DEN MITTELPUNKT

Wichtiger war da schon die Selbstvergewisserung der G7, warum man sich eigentlich trifft. Trump selbst hatte schon vor Gipfelbeginn mit seiner Bemerkung für Stirnrunzeln gesorgt, dass man Russland nie aus den G8 hätte ausschließen sollen und China beitreten könnte. Die Europäer sehen G7 dagegen als eine Wertegemeinschaft von Demokratien. Immerhin verstand Trump im kleinen Kreis nach Teilnehmerangaben, dass er mit seiner Position völlig isoliert sei - und schlug deshalb dann die Aufnahme von Ländern wie Indien und Südkorea vor.

Ein Trick gerade der Europäer auf dem G7-Gipfel: Sie stellten bei den Diskussionen über die Weltwirtschaft die Herausforderung durch China in den Mittelpunkt. Die Überlegung: Wenn man sich auf einen gemeinsamen Gegner fixiert, erscheinen eigene interne Differenzen wie der von Trump vom Zaun gebrochene Zollstreit plötzlich viel kleiner. Merz etwa verwies darauf, dass China mit hohen Subventionen und dem Überschwemmen der Weltmärkte mit billigen Waren für eine Wettbewerbsverzerrung sorgt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bezeichnete gar den WTO-Beitritt Chinas als Fehler - was auch bei dem ohnehin nicht multilateral denkenden Trump auf Zustimmung stieß.

Nur löst ein äußerer Feind noch keine internen Probleme. Denn in der Amtszeit Trumps stehen noch drei G7-Gipfel mit einem als unberechenbar geltenden Präsidenten bevor. Bereits kommende Woche treffen die europäischen Partner auf dem Nato-Gipfel erneut auf Trump. Und dann wird das Thema Ukraine und mögliche Sanktionen ganz vorne auf der Tagesordnung stehen.

(Mitarbeit: John Irish, David Ljunggren, redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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