Haushalt nach nur 49 Tagen - Massive Investitionen und Schulden geplant

- von Christian Krämer und Holger Hansen
Berlin (Reuters) - Bundesfinanzminister Lars Klingbeil hat nach nur 49 Tagen im Amt zentrale Weichen für die Haushalte bis 2029 gestellt.
Schwerpunkte werden auf der Modernisierung der Infrastruktur, dem Wohnungsbau und der Verteidigungsfähigkeit liegen. Die Bürger sollten das Gefühl bekommen, dass es wieder vorangehe, sagte der SPD-Chef bei der Vorstellung der Budgetpläne in Berlin. "Unser Land ist kaputtgespart worden an vielen Stellen." Das solle sich ändern. "Wir wollen, dass die Bagger schnell rollen." Die von früheren Finanzministern verfolgte "schwarze Null" lehnte Klingbeil ab. "Nichts ist teurer als weiterer Stillstand." Damit einher gehen allerdings massiv steigende Schulden, eine verdoppelte Zinslast sowie eine immense Finanzierungslücke in den Plänen zum Ende des Jahrzehnts.
Die deutsche Wirtschaft war 2023 und 2024 geschrumpft. Für dieses Jahr rechnen viele Experten nur mit einem Mini-Wachstum oder einer Stagnation. Schwarz-Rot will mit Investitionen und Entlastungen für die Wirtschaft das Ruder herumreißen. "Wir planen in diesem Jahr Rekord-Investitionen in Höhe von über 115 Milliarden Euro", so Klingbeil. Dies sei gegenüber 2024 eine Steigerung von 55 Prozent, auch mit Geldern aus dem Klimafonds und dem neuen Infrastruktur-Sondertopf. "Bis 2029 werden wir die jährlichen Investitionen des Bundes auf fast 120 Milliarden Euro pro Jahr steigern."
"NOCH MEHR BAUSTELLEN"
Ein Profiteur der lockeren Finanzpolitik ist die Deutsche Bahn. Rund 22 Milliarden Euro stehen dieses Jahr für Investitionen in deren Infrastruktur bereit. Damit sollen das marode Netz erneuert und die Schiene digitaler werden.
Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) kündigte an, den Fokus zunächst auf die Sanierung von Schienennetz und Autobahnbrücken zu legen. In den nächsten Haushalten rücke dann der Neubau von Straßen und Schienenwegen in den Vordergrund.
Bis 2029 sind 166 Milliarden Euro für die Verkehrsinfrastruktur eingeplant - knapp 107 Milliarden sind für die Schiene, fast 52 Milliarden für Bundesstraßen und knapp acht Milliarden für Wasserwege vorgesehen. "Wir alle werden uns an noch mehr Baustellen gewöhnen müssen", so Schnieder.
Das SPD-geführte Bauministerium sieht sich ebenfalls als Gewinner der Haushaltsverhandlungen, die sich seit eineinhalb Jahren hingezogen hatten, und an denen die Ampel-Regierung zerbrochen war. "Mit Rekordmitteln für den sozialen Wohnungsbau schaffen wir die Voraussetzung dafür, dass die Trendumkehr gelingt und wir den Bestand an Sozialwohnungen endlich wieder erhöhen", sagte Bauministerin Verena Hubertz. Insgesamt 23,5 Milliarden Euro stelle der Bund dafür bis 2029 zur Verfügung. Über elf Milliarden Euro sollen aus dem Infrastruktur-Sondervermögen in den Wohnungsbau fließen.
Für Verteidigung sind im diesjährigen Kernetat 62,4 Milliarden Euro vorgesehen, weshalb die Linken von einem "Aufrüstungshaushalt" sprachen. Bis zum Jahr 2029 soll der Betrag auf 153 Milliarden Euro anschwellen. Die Nato-Quote - der Anteil der Verteidigungsausgaben im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung - soll von 2,4 Prozent in diesem Jahr auf 3,5 Prozent im Jahr 2029 klettern. Damit würde die Regierung schneller als nötig die neuen Vorgaben des Verteidigungsbündnisses erfüllen. Die Pläne werden mit einer veränderten Sicherheitslage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine begründet.
GUT ZEHN PROZENT DES KERNHAUSHALTS 2029 FÜR ZINSEN
Mit der Zustimmung zu Klingbeils Vorlagen hat das Kabinett am Dienstag die Aufnahme neuer Schulden in Höhe von knapp 847 Milliarden Euro bis zum Jahr 2029 gebilligt. Allein für dieses Jahr sind Kredite über 140 Milliarden Euro eingeplant. Mittelfristig klaffen trotz der hohen Schuldenaufnahme erhebliche Finanzierungslücken: Von 2027 bis 2029 fehlen insgesamt 144 Milliarden Euro. Klingbeil hofft auf ein höheres Wachstum der Wirtschaft und dadurch höhere Einnahmen des Staates.
Sicher rasant steigen werden die Zinszahlungen: Für 2029 rechne das Finanzministerium mit 61,9 Milliarden Euro, sagte Haushaltsstaatssekretär Steffen Meyer. Das wäre doppelt so viel wie für dieses Jahr erwartet und, basierend auf dem Finanzplan der Bundesregierung, über zehn Prozent des Kernhaushalts im Jahr 2029. Einsparungen könnten dies nicht kompensieren, so Meyer.
GESUNDHEITSMINISTERIN HOFFT AUF NACHBESSERUNGEN
Der Haushaltsentwurf für 2025 soll im September vom Bundestag beschlossen. Er sieht Ausgaben von 503 Milliarden Euro vor. Für den Haushalt 2026 sollen die Beratungen im Bundestag im November abgeschlossen werden.
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hofft, im parlamentarischen Verfahren noch Verbesserungen herausholen zu können. Laut Kabinettsvorlage erhält der Gesundheitsfonds in diesem Jahr den regulären Bundeszuschuss von 14,5 Milliarden Euro und ein überjähriges Darlehen in Höhe von 2,3 Milliarden Euro zur Stabilisierung des GKV-Beitragssatzes. Die Pflegeversicherung soll ein überjähriges Darlehen von 500 Millionen Euro erhalten.Die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherungen können nach derzeitigem Stand nicht mit zusätzlichen Zuschüssen rechnen. "Ich bin mir mit dem Bundesfinanzminister einig, dass wir Beitragserhöhungen verhindern müssen, um den Wirtschaftsaufschwung nicht zu gefährden", sagte Warken. Mit den zugesagten Darlehen werde dies kaum gelingen.
(Bericht von Holger Hansen, redigiert von Sabine Wollrab und Thomas Seythal)