Europa vs. USA: Wer wird die Nase vorn haben?
Heiko Böhmer

Jetzt liegt die erste Jahreshälfte schon wieder hinter uns. An den Börsen haben wir einmal mehr viel erlebt. Die Unterschiede zwischen den Quartalen könnten größer nicht sein. Im ersten Quartal stand der US-Markt unter Druck und Europa hat positiv überrascht.
Im zweiten Quartal sorgte zwar US-Präsident Trump für viel Verwirrung. Die Kurse an der Wall Street blieben davon deutlich weniger negativ beeinflusst und die Lücke zu den europäischen Aktien wurde kleiner. Die von Trump ausgelösten Schockmomente haben schlicht und einfach an Bedeutung verloren. Dennoch haben nach sechs Monaten die europäischen Aktien die Nase vorn.
Nun stellt sich die Frage: Erleben wir aktuell einen wirklichen Wandel mit einem Europa-Comeback und einem Ende der US-Dominanz? Wird sich dieser Pro-Europa-Trend wohl weiter fortsetzen?
Die Antwort ist nicht eindeutig. Entscheidend wird auch die Bereitschaft der europäischen Institutionen sein, auf die geänderten Rahmenbedingungen zu reagieren. Europa muss wieder mehr selbst in die Hand nehmen. Das ist die einfache Reaktion auf die aktuelle Lage. Ob aber der Wille in Europa groß genug ist und nicht wieder die Regulierungswut in Brüssel die Oberhand behält, muss sich erst noch zeigen.
USA bleibt beim Wirtschaftswachstum vorn
Grundsätzlich bleiben die strukturellen Unterschiede zwischen den USA und Europa bestehen. Das Potenzial ist so einfach höher in den USA – das gilt aber auch für die Bewertungen. Das ist ein klarer Vorteil für Europa. Hier rangieren in vielen Branchen die Bewertungen auf sehr niedrigen Niveaus. Beispiel Energie: Durchschnittlich sind europäische Energietitel im Vergleich zur US-Konkurrenz rund 10 Prozent niedriger bewertet. Derzeit liegt der Bewertungsabschlag aber bei fast 40 Prozent. Diese Abschläge bei den Bewertungen ziehen sich wie ein roter Faden durch die verschiedenen Branchen. Insofern lohnt es sich für valueorientierte Investoren, einfach stärker in Richtung Europa zu schauen.
Europa hat an der Börse aufgeholt
Die USA sollten aber nicht abgeschrieben werden. Die Wall Street ist mit weitem Abstand der größte Aktienmarkt der Welt. Etliche Einzeltitel wie Apple oder Nvidia haben ein durchschnittliches tägliches Handelsvolumen, das über dem Volumen gängiger europäischer Indizes wie z.B. dem Dax liegt. Das ist nur ein kleines Beispiel für die Bedeutung der USA für den globalen Kapitalmarkt. Das Pendel schlägt nur etwas zurück – von massiven Überbewertungen in US-Titeln hin zu einer stärken Bedeutung von europäischen Aktien. Im Grunde beliebt es dabei: Dies ausgewogene Mischung macht`s, wobei gerade für den langfristig orientierten Anleger viele europäische Aktien mit stabilen Geschäftsmodellen gute Aussichten bieten.