Ab Montag beginnt neue Corona-Phase - Öffnungen und Testen

Reuters · Uhr (aktualisiert: Uhr)

- von Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Bund und Länder setzen die neue Corona-Politik um: Ab kommenden Montag planen die Länder umfangreiche Lockerungsschritte - bis hin zur Öffnung des Einzelhandels in Schleswig-Holstein und Bayern in Landkreisen mit einer Inzidenz unter 50.

Zugleich würden die meisten Länder das Angebot des Bundes nach kostenlosen Schnelltests umsetzen, kündigte Gesundheitsminister Jens Spahn am Freitag in Berlin an. Die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst, sagte den RND-Zeitungen, dass noch im März alle Schüler in der ein oder anderen Form wieder in die Schulen gehen sollten. "Wir gehen damit an die Grenzen dessen, was verantwortbar ist", sagte Spahn angesichts weiter steigender Corona-Neuinfektions-Zahlen zu den Bund-Länder-Beschlüssen vom Mittwoch. Der Präsident des Robert-Koch-Institus, Lothar Wieler, warnte vor einer weiteren Ausbreitung der ansteckenderen Virus-Varianten, die die Pandemie weniger kontrollierbar mache. Die Mutationen würden in kurzer Zeit in Deutschland vorherrschend sein.

Das RKI meldete 10.580 neue Positiv-Tests - das waren erneut mehr Neuinfektionen als am Freitag vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 65,4 (Vortag: 64,7). Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. Die Inzidenz lag in Schleswig-Holstein am Freitag bei 47, in Thüringen dagegen bei 128,9. Den RKI-Angaben zufolge wurden innerhalb von 24 Stunden 264 weitere Tote mit dem Corona-Virus gemeldet. "Inzwischen deutlich mehr als 70.000 - so viele Menschen in unserem Land sind Corona bereits zum Opfer gefallen", sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Dies sei "eine erschütternde, eine verstörende Dimension".

LÄNDER WOLLEN RASCH NEUE TESTSTRATEGIE UMSETZEN

Die Öffnungsschritte sollen mit einem verstärkten Testen und Impfen abgesichert werden. Wie einige andere Landesregierungen kündigte auch NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) für das bevölkerungsreichste Bundesland an, dass man das Angebot eines kostenlosen Tests pro Woche in den nächsten Tagen umsetzen werde. Der Bund übernimmt dafür die Kosten. Er sei zuversichtlich, dass dies in Nordrhein-Westfalen schnell gehen könne, sagte Spahn. Einige Länder hätten in den vergangenen zweieinhalb Wochen bereits vorgearbeitet, andere noch nicht. Aber Kommunen wie Tübingen oder Rostock, die ihren Bürgern kostenlose Tests schon länger in Eigenregie anbieten, zeigten, wie es gehe. Laumann sagte, dass auch Apotheker in das Testen mit einbezogen werden sollten.

Der Gesundheitsminister betonte, dass dafür auch bereits jetzt eine ausreichende Menge an Schnelltests zur Verfügung stehe. Der Bund bestelle sie zwar nicht direkt, habe sich aber von Herstellern versichern lassen, dass bis zu 50 Millionen Stück pro Woche bereitstünden. Derzeit würden Kommunen und Länder aber nur zehn Millionen pro Woche abrufen. Die Menge sei kein Problem, betonte auch Laumann - eher das dafür nötige Personal. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte, sein Land habe derzeit 20 Millionen Schnelltests im Bestand, weitere elf Millionen kämen monatlich dazu. "Schnelltesten hat nur einen Effekt, wenn es auch genutzt wird", fügte er hinzu und forderte eine Teststrategie. Auch die Schweiz will ab Mitte März kostenlose Schnelltests anbieten.

Auch bei den Selbst-Schnelltests, die ohne geübtes Personal zuhause vorgenommen werden können, gebe es keine Versorgungsprobleme, sagte Spahn. Einzelne Hersteller hätten ihm versichert, dass sie ab nächster Woche bis zu 20 Millionen Stück pro Woche liefern könnten. Es gehe mehr um die Frage, wie und wo etwa Schulen oder Betriebe sie bestellen könnten, was eine Länderangelegenheit sei. Einzelne Discounter wollen diese Selbsttests bereits ab Samstag anbieten.

Ein für den Freitagnachmittag geplantes Treffen der Bundesregierung mit Wirtschaftsvertretern zum Testen in Betrieben wurde abgesagt. Während die Wirtschaftsverbände kritisierten, die Bundesregierung habe keinen Plan vorgelegt, hieß es in Regierungskreisen verärgert: "Die Regierung erwartet, dass die Wirtschaft substantielle Vorschläge vorlegt."

LÄNDER WEITEN IMPFKAPAZITÄTEN AUS

Parallel zu den Schnelltests soll die Impfkapazität ausgebaut werden, weil pro Woche nun mehr Impfstoff auf die Länder verteilt werden soll. NRW-Gesundheitsminister Laumann kündigte an, dass im März die Kapazität der Impfzentren in dem Bundesland auf 200.000 Impfungen pro Woche aufgestockt werden soll. Ende März kämen dann die Hausärzte mit dazu, die mehr als eine Million Impfdosen pro Woche verabreichen könnten. Für deren Einbeziehung stünde derzeit aber noch nicht genug Impfstoff zur Verfügung. Die Impfstoff-Hersteller hätten der Regierung bisher zwar Lieferzahlen für April, aber noch nicht die genaue Abfolge der Lieferungen für das ganze zweite Quartal genannt, sagte Gesundheitsminister Spahn.

Er kündigte an, dass in einem weiteren Schritt auch die Betriebsärzte einbezogen würden, um Firmen-Mitarbeiter zu impfen. Betriebsärzte könnten innerhalb eines Monats mindestens fünf Millionen Menschen gegen Corona impfen, sagte die Vizepräsidentin des Verbands Deutscher Betriebs- und Werksärzte, Anette Wahl-Wachendorf, dem MDR.

Während Mediziner weiter vor zu weiten Öffnungsschritten warnten, übten Wirtschaftsvertreter erneut Kritik. So bewertete etwa die Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), Ingrid Hartges, die jüngsten Bund-Länder-Beschlüsse mit Blick auf ihre Branche als "mangelhaft". Bei den Mitgliedern ihres Verbandes nähmen Enttäuschung, die Wut und Verzweiflung zu, sagte sie im Deutschlandfunk. Auch die Konzert- und Veranstaltungswirtschaft beklagte eine fehlende Perspektive. Die deutsche Hotelbranche scheiterte nach Angaben des "Spiegel" beim Thema Corona-Entschädigungen erneut vor dem Bundesverfassungsgericht.

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