BlackRock Marktausblick: EZB: besorgt nicht "hawkish"

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Das Update zur Woche mit Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie bei BlackRock




EZB: besorgt nicht "hawkish"

„Na bitte, geht doch“ oder „na endlich“ waren am Donnerstag wohl die am häufigsten zu hörenden Kommentare aus der Ecke der EZB-Kritiker. Denn ihrer Ansicht nach hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde endlich den Hebel umgelegt und eine Wende in Richtung geldpolitische Straffung eingeleitet, wenngleich auch zunächst nur verbal. Tatsächlich hatte Lagarde eine Zinsanhebung schon in diesem Jahr nicht länger als „höchst unwahrscheinlich“ bezeichnet und deutlicher als je zuvor vor den Gefahren hoher Inflation gewarnt. Ja, sie betonte sogar, wie sehr man sich im EZB-Rat bezüglich der Sorge vor ebendieser Inflation einig gewesen sei, Balsam auf die Seelen derjenigen, die seit Monaten argumentieren, die Bank liege mit ihrer Einschätzung hoffnungslos hinter der Kurve. Noch während der laufenden Pressekonferenz zogen die Zinsen über alle Laufzeitbereiche an, die EONIA-Futures preisen inzwischen gut zwei Zinsanhebungen vor Jahresende ein. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe überquerte im Anschluss an die EZB-Sitzung beherzt die Nulllinie und beschloss die Woche bei 0,17% - plus 0,17% wohlgemerkt - und damit um sage und schreibe 25 Basispunkte über dem Schlussstand der Vorwoche. Gerade angesichts des sehr niedrigen absoluten Zinsniveaus ist ein derart massiver Sprung beredter Ausdruck dafür, wie drastisch sich die Markterwartungen seit letzter Woche verändert haben.

Gut möglich allerdings, dass mancher ECB Watcher zu viel in Lagardes Worte hineininterpretierte. Denn immer wieder verwies die EZB-Präsidentin während ihrer mit ernster Miene und tiefen Sorgenfalten vorgetragenen Statements nicht nur auf die Belastungen, welche hohe Inflation für die Menschen in Europa bedeute. Sondern sie betonte auch wiederholt, dass die besonders schwer wiegenden Energiepreise im Laufe des Jahres vermutlich nachgeben und Engpässe auf der Angebotsseite sich auflösen würden, wobei die Lohndynamik trotz des sich erholenden Arbeitsmarktes sehr verhalten bleibe dürfte. Damit bestünden, so Lagarde auch in ihren Antworten auf verschiedene Journalistenfragen, die Inflationsgefahren vor allem in der kurzen Frist, während der mittel- und längerfristige Ausblick noch sehr unsicher sei. Auch ließ sie sich bezüglich einer eventuellen Straffung der Geldpolitik noch im laufenden Jahr nicht aus der Reserve locken. Jede mögliche Richtungsänderung, so ihre Erläuterung, sei konditional, erfolge also unter der Voraussetzung, dass sich auch die Rahmenbedingungen änderten, wofür man jedoch mehr Daten bräuchte. Zwar nähere man sich dem 2%-Inflationsziel an, und im März werde man mit den neuen Prognosen der EZB-Volkswirte mehr über den mittelfristigen Ausblick erfahren, aber derzeit sei an eine Änderung der „Forward Guidance“ nicht zu denken.

Damit erscheint plausibel, dass Christine Lagarde mit ihren Äußerungen über Inflationssorgen keineswegs anstehende Zinserhöhungen ankündigen, sondern eher klarmachen wollte, dass die Zentralbankführung die Preissorgen der Menschen ernst nimmt. Dafür spricht, dass sie zwar die im Januar überraschend auf 5,1% gestiegene Inflationsrate erwähnte, mit keinem Wort dagegen die auf nur noch 2,3% gesunkene Kernrate. Denn hätte sie erklärt, die EZB fokussiere sich vornehmlich auf diese Rate, aus der die für Privathaushalte besonders belastende Nahrungs- und Energiepreisdynamik herausgerechnet wird, dann hätte sie riskiert, als lebensfern und technokratisch wahrgenommen zu werden. Mit anderen Worten: Einiges spricht dafür, dass Lagarde besorgt, aber nicht „hawkish“ klingen wollte. Ihre diesbezüglichen Textpassagen waren die einer Politikerin, nicht die einer Zentralbankerin.

US-Zehnjahreszinsen nehmen die 2%-Marke ins Visier

Das zweite wichtige Makro-Event der letzten Woche war der US-Arbeitsmarktbericht, welcher mit 467.000 neu geschaffenen Stellen und einer massiven Aufwärtsrevision des Vormonats die Markterwartungen bei weitem übertraf. Auch die Löhne stiegen mit 5,7% stärker als im Vormonat (4,7%), die Partizipationsrate kletterte um drei Zehntelpunkte auf 62,2%. Es sind derart robuste Zahlen, die in der gegenwärtigen Marktstimmung für heftige Preisreaktionen sorgen, am Freitag zu sehen am Sprung der Fed-Leitzinserwartungen (inzwischen sind über fünf 25 bps-Schritte für 2022 eingepreist) und der Rendite der zehnjährigen Staatsanleihe (auf 1,93% zum Wochenschluss). Mit inzwischen über einem Drittel Wahrscheinlichkeit ist sogar ein 50 bps-Schritt im März eingepreist. Übermorgen könnte mit dem Inflationswert für Januar der Zinswende-Hype neue Nahrung erhalten, der Markt rechnet mit 7,3%, nach 7,0% im Dezember. Und während im Hintergrund Omikron weiter droht, den ökonomischen Neustart abzubremsen und die Kriegsgefahr in der Ukraine sich zuzuspitzen scheint, preschen Marktteilnehmer in den USA und Europa mit kernigen Wetten auf die Geldpolitik vor. Womit einmal mehr die Eine-Million-Euro-Frage, an der sich Wohl und Wehe des Kapitalmarktjahres 2022 entscheiden dürfte, in den Mittelpunkt rückt: Wie vorübergehend ist die Inflation? Entschieden ist hier gar nichts.

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