Ein Corona-Impfstoff würfelt die Börse durcheinander – welche Chancen bieten sich jetzt?

Bernd Schmid · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Eigentlich dachte ich, dass man spätestens im Frühjahr mit einem Impfstoff gegen das Coronavirus rechnete. Zumindest meine ich, dass Bill Gates dies bereits vor einiger Zeit verlautbaren ließ. Und meines Wissens nach werden Impfstoffe aus Russland und China bereits vielseitig getestet.

Trotzdem würfelte Anfang dieser Woche eine Nachricht von BioNTech und Pfizer die Börse regelrecht durcheinander. Die Unternehmen gaben bekannt, dass ein von BioNTech entwickelter und gemeinsam mit Pfizer klinisch geprüfter Impfstoff gegen COVID-19 eine 90%ige Effektivität habe. Das war das Ergebnis einer Phase-III-Studie (die letzte und umfangreichste klinische Studie vor der Zulassung) mit mehr als 40.000 Menschen in Deutschland.

90 % Effektivität bedeutet, dass 9 von 10 mit diesem Impfstoff gespritzten Menschen vor einer COVID-19-Infektion geschützt sind. Diese Zahl ist eine echte Hausnummer. Zum Vergleich: Die Grippeimpfung gegen das Influenzavirus im vergangenen Winter hatte gerade einmal eine Effektivität von 62 %.

Kurskapriolen an der Börse

Diese Nachricht führte zu regelrechten Verwerfungen an der Börse. Aktien von Unternehmen, die unter den gegenwärtigen Maßnahmen gegen das Coronavirus leiden, schossen in die Höhe. Umgekehrt erging es Aktien von Unternehmen, die von diesen Maßnahmen profitieren.

Die Aktie des Veranstaltungs- und Airlinecaterers DO&CO zum Beispiel stand zu Handelsschluss am Tag der Bekanntgabe mehr als ein Drittel (34 %) höher als zu Börsenschluss am vorigen Handelstag.

Ähnlich erging es unter anderem Aktien aus der Veranstaltungsindustrie wie CTS Eventim (+24 %), Flughafenaktien wie die des Flughafens Wien (+15 %), Tourismusaktien wie die der Jungfraubahn Holding (+16 %), Aktien aus der Airlineindustrie wie die des DAX-Unternehmens MTU Aero Engines (+16 %) oder Shoppingcenter-Aktien wie die der Deutschen Euroshop (+16 %).

Auf der anderen Seite wurden Highflyer der letzten Monate extrem abgestraft. Allen voran Aktien von Unternehmen mit einem Onlinegeschäftsmodell. Die Shop-Apotheke-Aktie verlor zum Beispiel rund 19 %, Zalando fast 10 %, aber auch den Laborausrüster Stratec traf es mit mehr als 15 % minus hart.

Und das waren alles nur Beispiele von Aktien aus der DACH-Region, die ich mit meinem Team sehr eng auf dem Radar haben. Auch meine persönliche Lieblingsaktie Overstock erwischte es mit 20 % minus oder Zoom Video Communications mit mehr als minus 17 %.

Warum ist das passiert?

Diese Frage scheint leicht zu beantworten. Die baldige Verfügbarkeit eines effektiven Impfstoffes gegen das Coronavirus scheint durch diese Meldung deutlich wahrscheinlicher geworden zu sein. Börsianer erwarten offensichtlich eine zeitnahe Rückkehr zur alten Normalität (oder zumindest deutlich zeitnaher, als vorher erwartet wurde).

Das heißt, es wird erwartet, dass wir wahrscheinlich bald wieder Urlaub machen und Veranstaltungen besuchen werden; dass wir wieder in Shoppingcentern einkaufen dürfen und nicht mehr gezwungen sind, dies online zu tun. Das sind sehr offensichtlich jetzt die Erwartungen.

Aber macht das Sinn?

Mich haben diese extremen Kurssprünge definitiv überrascht. Damit hätte ich niemals gerechnet. Alleine schon aus dem Grund, weil Bill Gates & Co aus meiner Sicht eigentlich schon relativ lange zuversichtlich sind, dass wir Anfang nächsten Jahres einen Impfstoff haben werden.

Aber es ist nichts Neues, dass mich die Reaktion des Marktes auf ein bestimmtes Ereignis überrascht. Als Foolisher Anleger ist es einfach nicht meine Spezialität, solche Dinge einzuschätzen. Ich fokussiere mich lieber auf die langfristigen Treiber von Aktienkursen.

Außerdem bin ich allerdings nach wie vor skeptisch, dass wir unser altes Leben bald zurückbekommen werden. Zu groß erscheinen mir einerseits die Angst vor diesem Virus und der Wille der Entscheidungsträger, es deswegen komplett auszuschalten. Demgegenüber steht andererseits, dass nicht einmal die Hälfte aller Menschen sich sofort nach Verfügbarkeit des Impfstoffes gegen das Virus impfen lassen wollen.

Dazu kommt, dass man diesen Impfstoff erst einmal in ausreichend großen Mengen herstellen und dann auf dem gesamten Globus verteilen muss. Wie schnell und effizient all das gelingt, das steht noch in den Sternen.

Was bedeutet das

Die Entscheidungsträger werden damit konfrontiert werden, dass sich das Virus selbst nach der Verfügbarkeit des Impfstoffs weiterhin stark ausbreiten könnte. Ich bin daher der Meinung, dass diese Euphorie etwas zu früh kommt.

Außerdem glaube ich nicht, dass die Coronakrise für alle Unternehmen wie die oben erwähnten eine einmalige positive oder negative Sache bleibt. Zum Beispiel glaube ich nicht, dass alle Leute, die aufgrund der Coronakrise in den letzten Monaten zu Kunden von Shop Apotheke oder Zalando geworden sind, sich im nächsten Jahr wieder auf das Offlineangebot konzentrieren werden. Eher rechne ich damit, dass die meisten dieser Kunden bleiben werden.

Die Coronakrise, so meine Erwartung, hat daher nur dazu geführt, dass Menschen einfach heute bereits Kunden dieser Unternehmen geworden sind anstatt erst in ein paar Monaten oder Jahren.

Ähnlich denke ich in die andere Richtung. Ich weiß nicht, ob ich als Airline bereits in ein oder zwei Jahren mit einer ähnlichen Auslastung meiner Flugzeuge rechnen würde wie vor ein bis zwei Jahren.

Das bedeutet noch nicht, dass diese Kurssprünge alle irrational waren. Aber ich würde doch damit rechnen, dass diese Kurssprünge in die eine oder andere Richtung durchaus stark übertrieben sein könnten. Das kommt aber auf den Einzelfall an.

Für mich bedeutet all das daher vor allem eines: Die Zeiten für Stock-Picker wie uns Fools sind noch lange nicht vorbei.

Offenlegung: Bernd Schmid besitzt Aktien von Overstock und Zalando. The Motley Fool besitzt Aktien von Zoom und empfiehlt Aktien von Zalando.

Foto: Soni’s / shutterstock.com

Neueste exklusive Artikel