Handelsstreit: Wenn Trump mit EU-Importzöllen Ernst macht – Droht der deutschen Autoindustrie dann ein Abschlag von 12 Prozent?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Momentan mag der Handelsstreit zwischen China und den USA im Fokus der Weltwirtschaft liegen, aber für die deutschen Autobauer könnte der kommende Freitag ebenfalls ein entscheidendes Datum werden. Bis dahin hat US-Präsident Trump nämlich noch Zeit, sich zu entscheiden, ob er Zölle auf europäische Autoimporte in die USA erheben will. Er drohte bereits 2018 damit, 20 Prozent Zölle auf europäische Autos zu erheben, da diese Importe und das daraus entstehende Handelsungleichgewicht angeblich eine Gefahr für die nationale Sicherheit der USA bilden. Die EU ist der weltweit größte Exporteur von Kraftfahrzeugen, während die USA der größte Importeur sind.

Strafzölle würden alle Prognosen für 2019 in den Wind schießen

Laut Christoph Schön, Geschäftsführer von Axioma, einem Anbieter von Risikomanagementlösungen, könnte der deutsche Aktienmarkt um bis zu 6 Prozent fallen, insbesondere der Automobil- und Zuliefersektor könnte Verluste von bis zu 12 Prozent verzeichnen. Gegenüber dem US-Nachrichtendienst CNBC gab er diese Prognose ab und nennt auch ein Zeitfenster: Die Verluste könnten über einen Zeitraum von drei Handelstagen oder über fünf bis zehn Tage hinweg auftreten.

Florian Hense, europäischer Ökonom bei der Berenberg Bank, sieht bei einer tatsächlichen Umsetzung der Zölle schwarz für die weitere Jahresentwicklung: „Wenn wir in der Tat US-Autotarife für Importe aus der Eurozone erhalten – und nicht nur deren Ankündigung, könnten Sie unsere Wirtschaftsprognosen komplett vergessen. Es ist nicht zu erwarten, dass sich die Aktivität in der zweiten Jahreshälfte nachhaltig belebt “, sagte er gegenüber CNBC.

Handelsstreit belastet die Autoindustrie bereits imens

Selbst ohne die direkten Zölle auf Auto-Importe leidet die deutsche Autoindustrie bereits unter dem Handelskrieg zwischen China und den USA, da beide Länder zu den mit Abstand größten Abnehmern der deutschen Autobauer gehören.

Daimler hatte schon Mitte des vergangenen Jahres seine Prognosen unter anderem aufgrund des Handelsstreits gesenkt. Da die USA ihre Lieblingsfahrzeuge, Pick-Ups und SUV´s, selbst mit höheren Einfuhrzöllen schützen, hat Daimler die Produktion seiner Geländewagen in die USA verlegt und exportiert sie von dort in das Reich der Mitte. Chinas Gegenmaßnahmen auf US-Importe haben wiederum negative Auswirkungen auf diese neuen Standorte.

Auch BMW produziert einen Großteil seiner Geländewagen in den USA und setzt rund ein Viertel seiner Fahrzeuge auf dem chinesischen Markt ab. Somit hat sich der Handelsstreit zwischen den USA und China auch schon spürbar in der Bilanz der Münchener bemerkbar gemacht.

Nur VW steht ein wenig besser da, weil der Konzern seine Produktionsstätten nicht verlegt hat. Zölle auf europäische Importe wiederum würden VW härter treffen.

Lesen Sie auch: Chinas Gegenmaßnahmen im Handelsstreit – Sind Daimler, BMW und VW wieder die Dummen?

Europäischer Autosektor seit Jahresbeginn noch im grünen Bereich

Seit Jahresanfang hat sich der europäische Autosektor um 9,4 Prozent erholt. Seit Mitte April gab es jedoch wieder einen deutlichen Rücksetzer. Ein Kursrutsch um 12 Prozent, wie von Analyst Christoph Schön prognostiziert, würde zu einem neuen Mehrjahrestief führen und die komplette Erholung seit Jahresanfang mehr als zunichte machen.

STXE 600 Automobiles & Parts Index – Performance seit Jahresbeginn

Die deutschen Auto-Riesen liegen in der Einzelbetrachtung teilweise im Plus. Daimler verzeichnet Year to Date einen Zuwachs von starken 13,4 Prozent, VW immerhin knapp 5 Prozent. BMW liegt mit 5,35 Prozent Minus im Rückstand.

Analysten einig: Ausgewachsener Handelskrieg wird Deutschland besonders hart treffen

„Deutschland hängt als Rattenschwanz hinter den Handelskriegsauswirkungen zwischen den USA und China und am Ende sind 47 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus Deutschland Exporte – der größte Teil davon geht an diese beiden Handelspartner. Wenn sie in einem Handelskrieg alles in die Luft jagen, ist Deutschland wahrscheinlich der Ort, an dem die Folgen besonders schlimm werden“, so Mark Phelps, Chief Investment Officer bei Alliance Bernstein, gegenüber CNBC.

„Der Wachstumsmotor der Eurozone hat im vergangenen Jahr stark an konjunktureller Geschwindigkeit verloren und ist anfällig für ein langsameres chinesisches Wachstum, einen schwächeren Welthandel und strukturelle Probleme im deutschen Automobilsektor. Die Angst ist, dass wir nur einen Schock von einer Rezession entfernt sind “, sagte zudem Lena Komileva, Chefvolkswirtin bei G + Economics.

Wird der EU-Konflikt verschoben?

Einige Analysten glauben, dass Trump diese Woche beschließen könnte, seine Entscheidung über Autotarife zu verschieben und sich stattdessen auf die laufenden Gespräche mit China zu konzentrieren.

„Vorerst wird Trump wahrscheinlich mit China beschäftigt sein und die Frist für den Samstag (europäische Zeit) verlängern, bevor der Konflikt mit der EU über Autos und Autoimporte eskaliert. In jedem Fall wären die Auswirkungen auf die Stimmung schlimmer als die tatsächlichen direkten Auswirkungen der Zölle“, sagte Florian Hense gegenüber CNBC.

onvista Redaktion

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Titelfoto: Joseph Sohm / Shutterstock.com

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