“Made in Germany“ wird madig

Der onvista-Börsenfuchs · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Hallo Leute! Es passiert immer wieder mal was im Umfeld der Börse, bei dem man sich als Anleger nachdenklich zurücklehnen muss, um Strategie und Taktik zu überprüfen. Das ist jetzt so. Unsere Auto-Industrie, weltweit gefürchtet, beneidet, geschätzt, ist schuld. Dem Börsenfuchs, eigentlich ja ein „alter Börsen-Bulle“, fällt es sonst schwer, hier schlechte Stimmung verbreiten. Deshalb zunächst die Good News: Die jüngsten Konjunktur- und Unternehmensberichte bestätigen die international verbreitete Zuversicht für die Weltwirtschaft und ihre Aussichten.

Dazu nur ein paar Sätze aus dem gestrigen Ifo: Die Stimmung in den deutschen Chefetagen ist euphorisch (Originaltext!). Der Ifo-Geschäftsklimaindex stieg im Juli von 115,2  auf 116,0 Punkte. Dies ist der dritte Rekordwert in Folge. Die Unternehmen waren seit der Wiedervereinigung noch nie zufriedener mit ihrer aktuellen Geschäftslage. Auch der Ausblick auf die kommenden Monate verbesserte sich. Die deutsche Wirtschaft steht unter Volldampf. Wow, das ist doch der Hammer!

Aber was nutzt des das Kursen, wenn Deutschlands Autobauer dabei sind, sich selbst zu demontieren? Ich befürchte, wir können noch gar nicht absehen, welche Langzeitfolgen Dieselgate + Kartellabsprachen für die deutsche Industrie insgesamt haben werden. Die bisherigen Kursreaktionen der Übeltäter sind das Geringste. Ersten Analystenschätzungen zufolge könnten sich die durch EU-Aufsichtsbehörden verhängten Strafen auf bis zu 10 Prozent der Umsätze von 2016 belaufen - das wären 44 Milliarden Euro. Dazu die Deutsche-Bank-Strategen besorgt: „Schlechter hätte das Timing für die Branche kaum sein können. Denn durch den Dieselskandal und die Debatten um E-Autos oder autonomes Fahren ist die Unsicherheit bei Anlegern ohnehin groß. Der Sektor weist die niedrigste Bewertung in Europa auf. Die Aufarbeitung der Vorwürfe hat gerade erst begonnen, doch sie wird die Branche sicher noch länger begleiten.“

Und Klaus Kaldemorgen, ein Star unter den Fondsmanagern, befürchtet ein Börsenbeben schon wegen „Dieselgate”. Deutsche Autobauer haben sich mit dem Vortäuschen falscher Abgaswerte international diskreditiert und hinken mit ihrem Festhalten am Verbrennungsmotor ohnehin der Zeit hinterher, sagt er in einem Interview. Die Autoindustrie ist einer der wichtigsten Treiber der deutschen Wirtschaft. Das könnte in der kommenden Zeit zum „veritablen Problem“ werden. Ich teile Kaldemorgens Sorgen voll und ganz.

Ohne schwarzmalen zu wollen (Achtung, Wortspiel): Das „Made in Germany“ ist in Gefahr, madig zu werden. Jetzt haben wie schon die dritte Krisenbranche in relativ kurzer Zeit, wobei es bei den Stromlieferanten um Politik und nicht um eine selbstverantwortete Vertrauenskrise geht: Banken, Autoproduzenten und Energieversorger. Da brechen Säulen unserer Volkswirtschaft weg, zumindest die Image-Säulen.

Der Fuchs ist bekanntlich ein Freund vom Dax. Zwar empfehle ich den Aktienfans schon seit Wochen, als Käufer vorsichtiger zu agieren und Gewinne zumindest teilweise zu realisieren. Mit Blick auf deutsche Werte werde ich ab sofort noch vorsichtiger: Unabhängig von Bewertungskennzahlen, der Geschäftslage, den Wechselkursen und Draghi würde ich bis auf weiteres einen Bogen um den Dax machen. Denn eine nachhaltige Krise in der Autobranche könnte (könnte, nicht „wird“) auch eine Neubewertung der deutschen Börsenaussichten nach sich ziehen. Fahrt also vorsichtig, meine Freunde, und fahrt Euch keinen Platten ein!

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