onvista-Börsenfuchs: Warum der Dax nicht mehr so sexy ist

Der onvista-Börsenfuchs · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Hallo Leute! Was wiegt schwerer - gute Nachrichten oder bad News? Nur ein paar Gewichte: Libyen-Konferenz, China-Konjunktur, Brexit + Megxit, Australien-Wetter, Handball-Debakel usw. Spätestens beim Trump-el-Impeachment-Verfahren scheiden sich die Geister. Wall Street selbst hat heute feiertagsbedingt geschlossen. Der Dax ist gut drauf, aber nicht gut genug für die letzten Schritte zum historischen Gipfel. „Momentan sieht es danach aus, als würden die letzten Meter hin zum Rekord am schwersten“, sagte ein Analyst vorhin in einem Interview. Jo, aber das Ziel wird irgendwann erreicht. Sicher.

Empfehlenswert ist jedenfalls eine ganz frische Dax-Betrachtung vom DZ-Bank-Research, weil sie mit diversen Vergleichen arbeitet, die einleuchten müssen - leider lassen sie unseren Aktienindex nicht besonders reizvoll erscheinen. Da heißt es im internationalen Vergleich, die weltweit wenig dynamisch verlaufende Konjunktur belastet das heimische Exportgeschäft. Die für Deutschland so wichtige Auto-Industrie befindet sich im langfristigen strukturellen Wandel (mit unklarem Ausgang). Und viele Firmen im Dax kämpfen immer noch mit hausgemachten Problemen. Trendthemen aus den Bereichen Technologie, Internet und anderen Sektoren werden maßgeblich in den USA und China vorangetrieben, nicht in Deutschland. Unternehmen wie Apple weisen eine ähnliche Marktkapitalisierung wie der DAX selbst auf. Zwischenurteil der Analysten: „Kein Wunder, dass sich der (fast) höchste Stand der Dax-Geschichte etwas falsch anfühlt.“ Ohne den Erfolgsgaranten im Index (SAP, Allianz, Adidas oder Siemens), die die Kursverluste der „Minderleister“ überkompensieren konnten, nahetreten zu wollen: Tatsächlich ist ein wesentlicher Teil des Indexaufschwungs nicht mit der „Sexyness“ der Indexunternehmen zu begründen, sondern vielmehr mit der Tatsache, dass der Dax ein „Total Return“-Index ist. Ausgezahlte Dividenden werden getreu des Indexkonzepts in den Index reinvestiert - Performance ist damit garantiert. Der Dax-Kursindex selbst steht immer noch bei 6.000 Punkten, gut 7 Prozent unter dem Allzeithoch aus 2018.

Ähnlich wie Anfang 2018 gilt der Dax den genossenschaftlichen Analysten nun als hoch bewertet. Das KGV von 14,2, basierend auf den Gewinnschätzungen für 2020, kam in den vergangenen 20 Jahren nur während zwei weiteren Zeitperioden (März 2015, September 2017) vor. Wo das erwartete Gewinnwachstum herkommen soll, bleibt unklar. Schließlich ist nicht abzusehen, dass sich das globale Wirtschaftswachstum in naher Zukunft beschleunigen wird. DZ Bank skeptisch: „Es ist also wahrscheinlich, dass Unternehmen auch 2020 ihre Ausblicke Zug um Zug zurücknehmen werden müssen, und die Analysten dann nachziehen werden.“ Da ein erfolgreiches Timing am Aktienmarkt für die meisten Investoren nicht umsetzbar ist, sollte man seine Anlagestrategie besser ausschließlich an der Bewertungshöhe von Aktien auszurichten oder mit monatlichen Sparraten kontinuierlich einzukaufen, wird empfohlen.

Droht jetzt also eine Abschwächung der Aktienmarktgewinne nach dem hinter uns liegenden Super-Jahrzehnt an den Börsen? Die empirischen Betrachtungen liefern keine zuverlässige Antwort. Fazit der Analysten: „Weil neben der Bewertung auch die Marktstimmung momentan sehr positiv ist, tun Anleger gut daran, die kurzfristigen Erwartungen an die Aktienmarkterträge herunterzuschrauben.“

Die Auszüge aus dieser informativen Analyse deshalb so ausführlich, weil sie sich gegen eine simple Fortschreibung der Vergangenheit wendet, zugleich aber Interpretationsmöglichkeiten für Eure individuelle Anlagetaktik lässt. Ich selbst teile zwar die meisten Vorbehalte der Vordenker. Doch ist mein Optimismus noch nicht in der Tonne, denn ich kann mir auch gut vorstellen, dass sich der langfristige Aufwärtstrend mit Unterbrechungen fortsetzen wird. Dazu zwei Punkte: Das kritische Umfeld für unsere Auto-Industrie ist zugleich auch die Herausforderung für eine Art Neubeginn - wahrscheinlich geht zumindest ein Teil unserer Hersteller als Gewinner der Umstrukturierung (einschließlich Fusionen) hervor. Das kann sich schon bald abzeichnen. Bei den Banken als zweitem Dax-Gewicht bin ich mir da nicht sicher. Zum zweiten kann sich das weltwirtschaftliche Wachstum doch wieder beschleunigen, wenn starke Impulse vom Ende des Zoll-Zoffs und anderen Maßnahmen der Amis im Wahljahr ausstrahlen. Dann könnten auch die Schwellenländer angeführt von China (ist das noch ein „Schwellenland“?), Indien und Brasilien mindestens einen Gang höher schalten.

2020 kann (kann!) im Vergleich zu 2019 durchaus ein Jahr der positiven Überraschungen werden - auch für die deutsche Wirtschaft und Börse. Mein Vorschlag an Euch, meine Freunde, bleibt deshalb unverändert die „Bisschen-Taktik“, wie sie auch von Börsen-Dino Hermann Kutzer seit einiger Zeit propagiert wird: angefallene Gewinne zeitweise mitnehmen, selektiv weiter Aktien kaufen. Denn es sieht ja so aus, als würden sich die Märkte nach Branchen und einzelnen Titeln weiter stark uneinheitlich entwickeln.

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