onvista-Börsenfuchs: Weckruf für den deutschen Kapitalmarkt

Der onvista-Börsenfuchs · Uhr

Hallo Leute! Immer wieder krieg ich von Euch auch Mails, bei denen es nicht um Kurse und Prognosen geht, sondern wo der Dax im internationalen Vergleich kritisiert wird: Bei uns ist die Zeit stehengeblieben, moderne, attraktive Unternehmen werden woanders gehandelt (nicht nur in der Nasdaq). Vielleicht ein bisschen übertrieben, aber eine ernst zu nehmende Warnung. Das engagierte Deutsche Aktieninstitut (DAI) läutet aus aktuellem Anlass jetzt die Alarmglocken: CureVac plant Börsengang in New York. Ein Weckruf für den deutschen Kapitalmarkt.

Kein alltäglicher, aber richtungsweisender Fall: Nach dem Einstieg des Bundes in das Biotechnologieunternehmen CureVac, das als Impfstoffplattform bekannt ist und derzeit einen Impfstoff gegen Covid-19 entwickelt, wird nun die Wall Street angepeilt. Und das fuchst unsere germanischen Aktienförderer: „Das Beispiel zeigt, dass Deutschland immer noch kein attraktiver Standort für Börsengänge von jungen Wachstumsunternehmen ist und die Politik endlich handeln muss.“ CureVac verdeutlicht, dass der Börsengang ein idealer Weg zur Finanzierung von Innovation, Wachstum und Beschäftigung ist. Die erneute Wahl der Nasdaq durch ein junges deutsches Unternehmen legt die mangelnde Attraktivität von Börsengängen in Deutschland schonungslos offen. „Das muss sich dringend ändern“, fordert DAI-Chefin Dr. Christine Bortenlänger. Mit Recht.

Es fällt nicht schwer, überzeugend zu argumentieren und den Politikern das Problem klar zu machen - sollte man meinen. Aber wo sind die Entscheider mit der nötigen Power, um die Kurve zu kriegen? Es mangelt bei uns nicht nur an Pensionsfonds und anderen Investoren, die in junge Wachstumsunternehmen investieren, es fehlt vor allem auch der richtige regulatorische Rahmen, schimpft das DAI. In Deutschland hat sich deshalb bisher kein funktionierendes Ökosystem mit Verständnis für innovative und kapitalintensive Branchen entwickelt.

Und CureVac ist dabei kein Einzelfall: Erst im Juli ging mit Immatics ein anderes deutsches Life Science-Unternehmen von der deutschen Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet an die US-Technologiebörse Nasdaq. Betrachtet man das gesamte letzte Jahr, fand lediglich eine Handvoll Unternehmen in Deutschland den Weg an die Börse. An der Nasdaq waren es 130 Unternehmen. Auch in Europa finden sich Staaten mit deutlich mehr Börsengängen, zum Beispiel die nordischen Länder und Italien.

Ganz ehrlich, Leute: Es hat in den vergangenen Jahrzehnten jede Menge Vorstöße und Anregungen zur Stärkung des Finanzplatzes Deutschland gegeben. Und nur ganz selten hatten die Politiker offene Ohren. Im Gegenteil, Börse ist kein beliebtes Thema, das man in Berlin für wichtig halten würde (Nee, da hat der Neue Markt vor zehn Jahren zu viel kaputtgemacht). Angesichts von massiven Steuerbetrügereien in der Finanzindustrie und Mega-Skandalen bei Unternehmen der Dax-Familie darf man nicht an eine baldige Besserung glauben. Vielleicht können Börsen und Medien gemeinsam für mehr Aufmerksamkeit bei den politischen Entscheidern sorgen.

Also bleibt unserem Aktienmarkt treu, meine Freunde, vor allem aber bleibt gesund!

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