Siemens: Wie viel Baustellen hat der Technologie-Konzern offen?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Der Dax-Konzern Siemens legt heute seine Zahlen für das dritte Quartal vor. Dabei berichten die Münchner erstmals in ihrer neuen Segmentstruktur. Die Frage ist, wie weit ist Siemens mit seinem Umbau und welche Kosten verursacht die Neuausrichtung

Nicht alle Pläne sind aufgegangen

Siemens befindet sich in der größten Transformation seit Jahren. Die Münchner wollen sich mittelfristig von ihren Energiegeschäften trennen und sich auf die Digitalisierung konzentrieren. Die neu zum 1. April formierte Energiesparte Gas and Power will das Unternehmen ausgliedern und bis September 2020 an die Börse bringen. Dabei will Siemens die Mehrheit an dem neuen Unternehmen abgeben, aber Ankeraktionär bleiben. In die neue Gesellschaft soll dann auch der Anteil von 59 Prozent an dem Windanlagenbauer Siemens Gamesa eingebracht werden. Damit trennt sich Siemens von einem wesentlichen Bestandteil seines Kerngeschäfts.

Siemens will sich künftig auf seine Wachstumsfelder Digital Industries sowie Smart Infrastructure konzentrieren. In den Märkten Automatisierung, industrielle Digitalisierung und intelligente Infrastruktur will Siemens deutlich zulegen und seine Stellung ausbauen. Flankiert werden sie von der börsennotierten Mehrheitsbeteiligung Siemens Healthineers  sowie der Bahntechnik, welche als Wachstumsgeschäft ebenfalls gestärkt werden soll. Nach der gescheiterten Fusion mit dem französischen Bahnkonzern Alstom prüft Siemens verschiedene Optionen für das Mobility getaufte Geschäft. Auch hier ist ein Börsengang durchaus eine Möglichkeit.

Die strategische Neuausrichtung ist Teil des Programms „2020+“, mit dem der Konzern Wachstum und Profitabilität ankurbeln will. Siemens wolle „proaktiv agieren, bevor wir reagieren müssen“, hat Konzernchef Joe Kaeser als Motto ausgegeben.

Dazu will Siemens Kosten sparen. Zentrale Konzernfunktionen wie die Verwaltung sollen dezentralisiert und schlanker aufgestellt werden. Insgesamt sollen bis 2023 rund 10 400 Stellen in Verwaltung, Digital Industries und bei Smart Infrastructure abgebaut werden. Dazu will Siemens weitere Stellen im Energiegeschäft streichen, 2700 Arbeitsplätze sind betroffen, davon 1400 in Deutschland. Diesmal ist jedoch nicht das Kraftwerksgeschäft betroffen, in dem bereits ein Stellenabbau läuft, sondern das Projekt- sowie das Stromübertragungsgeschäft. Gleichzeitig sollen aber auch neue Stellen geschaffen werden.

Analysten erwarten Belastungen

Siemens dürfte im dritten Quartal erneut mit einer robusten Auftragslage aufwarten, getragen durch das Zugeschäft sowie Siemens Gamesa, schätzt Guillermo Peigneux Lojo von der Schweizer Bank UBS. Die Profitabilität dürfte dabei erneut vom Energiegeschäft belastet werden, schätzt er. Das Medizintechnikgeschäft Healthineers hat hingegen robuste Zahlen vorgelegt, auch wenn die anhaltenden Probleme beim Hochlauf des neuen Labordiagnostiksystems Atellica die Entwicklung bremsten. Siemens Gamesa konnte dagegen nur bei Auftragslage und Umsatz glänzen. Die Profitabilität kann mit der Erlösentwicklung nicht Schritt halten.

Analysten erwarten, dass die derzeitige Schwäche der Automobilbranche auch das Automatisierungsgeschäft von Siemens belasten wird. 20 Prozent des Umsatzes der Digitalisierungs-Sparte mache das Unternehmens mit der Autoindustrie im weiteren Sinne, schätzt Analyst Andreas Willi von der Bank JPMorgan. Dagegen sollte das Softwaregeschäft weiter zulegen. Außerhalb der Sparte seien solide Ergebnisse und ein verbesserter Barmittelfluss zu erwarten, so Willi. Allerdings sehe sich Siemens inzwischen stärkerem Gegenwind durch die Geopolitik gegenüber.

Im Schnitt erwarten die Analysten in einem von Siemens zusammengestellten Konsens ein bereinigtes Ergebnis der Industriegeschäfte (Ebita) von knapp 2,2 Milliarden Euro, einen Umsatz von gut 21 Milliarden Euro sowie ein Nettoergebnis von knapp 1,1 Milliarden Euro. Das Augenmerk der Experten richtet sich angesichts der sich abschwächenden Konjunktur auf die weitere Entwicklung.

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Das erwartet Siemens

Finanzvorstand Ralf Thomas hat bei der Vorlage der Zahlen für das zweite Quartal eine Präzisierung des Ausblicks angekündigt. Bislang erwartet der Konzern eine Marge für das Industriegeschäft von 11 bis 12 Prozent – bereinigt um Kosten für Personalabbau in der Kraftwerkssparte. Im vergangenen Geschäftsjahr waren es 11,3 Prozent gewesen. Beim Gewinn je Aktie erwartet das Management eine Zunahme auf 6,30 bis 7,00 Euro. Auch hier sind Kosten für Stellenabbau ausgeklammert.

Mittelfristig sollen die jährliche Wachstumsrate des Umsatzes und die Gewinnmarge des Industriellen Geschäfts um jeweils zwei Prozentpunkte steigen. Das Ergebnis je Aktie soll mittelfristig stärker wachsen als der Umsatz. Langfristig soll die Gewinnmarge des Industriellen Kerngeschäfts 14 bis 18 Prozent erreichen.

Aktie gehört zu den schwächsten Werten seit Jahresanfang

Die Siemens-Aktie bleibt seit längerem bereits hinter der Entwicklung des Dax zurück. Mit einem Plus seit Jahresbeginn von knapp 3 Prozent liegt sie im Niemandsland der 30 wichtigsten Aktien. Der Dax hat im gleichen Zeitraum rund 16 Prozent gewonnen, mit Adidas (+ 58 Prozent), RWE (+31 Prozent) und SAP (+29 Prozent) an der Spitze. Blickt man auf die vergangenen fünf Jahre kommt Siemens auf ein Plus von lediglich 8 Prozent, während der Dax gleichzeitig um mehr als ein Viertel zulegte.

Zu schaffen macht dem Papier weiterhin ein sogenannter Konglomeratsabschlag. Analyst Alasdair Leslie von der französischen Großbank Societe Generale schätzt, dass die Bereinigung des Portfolios sowie damit verbundene Kostensenkungen 30 bis 40 Euro je Aktie an zusätzlichem Wert freisetzen dürften. Insofern bringe die unterdurchschnittliche Kursentwicklung der vergangenen zwölf Monate nun einen günstigen Einstiegszeitpunkt mit sich.

Andere Experten sehen dies ähnlich. Die überwiegende Mehrheit der im dpa-AFX Analyser zusammengefassten Analysten empfehlen die Aktie zum Kauf. Mit einem durchschnittlichen Kursziel von fast 123 Euro ist auch noch genügend Luft zu den gut 100 Euro, die das Papier aktuell kostet.

onvista/dpa-AFX

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Foto: AR Pictures / Shutterstock.com

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