Europas Börsen schieben Zinssorgen beiseite

Frankfurt (Reuters) - Europas Börsen haben zum Wochenschluss alle Zinssorgen beiseite gewischt.
Gestützt auf Kursgewinne im Energiesektor legten Dax und EuroStoxx50 je 1,2 Prozent auf 14.432 und 3924 Punkte zu. Auf Wochensicht verbleibt damit ein Plus von 1,5 beziehungsweise 1,4 Prozent. "Der Deutsche Aktienindex scheint in diesen Tagen nicht kleinzukriegen, eine Korrektur lässt weiter auf sich warten", sagte Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege beim Broker RoboMarkets. Seit Ende September konnten die Aktienmärkte deutlich zulegen, da die Anleger auf weniger stark steigende Zinsen setzten. In den USA notierten die Kurse ebenfalls fester.
Die Analysten der DWS zeigten sich optimistisch, was die Wirtschaft Europas angeht. Im laufenden Jahr habe sich die Stimmung deutlich schlechter entwickelt als die Lage selbst. "Wir denken, dass sich die Lücke auch diesmal wieder schließen wird, und zwar indem sich die relativ schlechtere Stimmung der relativ besseren Lage anpasst", sagte Martin Moryson, Europa-Chefvolkswirt bei der Fondsgesellschaft. So dürfte Europa bei der Energieversorgung gut durch den Winter kommen, weil die Lager voll seien, zudem sei der Konsum vergleichsweise robust. Entsprechend seien die europäischen Aktien auf Übergewichten gestuft worden. "Auch die Erstarkung des Euro gegenüber dem Dollar seit nunmehr bald zwei Monaten reflektiert unseres Erachtens die Überzeugung der Anleger, dass der Höhepunkt der Unsicherheit in Europa bald überschritten sein wird."
Der Euro behauptete sich zur US-Devise. Die Gemeinschaftswährung lag kaum verändert bei 1,0355 Dollar. Mehrere Vertreter der US-Notenbank hatten zuletzt die Notwendigkeit betont, die Zinsen weiter zu erhöhen, wenn auch in einem langsameren Tempo. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) wird laut ihrer Präsidentin Christine Lagarde im Kampf gegen die hohe Inflation die Zinsen weiter anheben. "Die EZB wird zeigen wollen, dass sie eine starke Institution und bereit ist, die Inflation zu bekämpfen", sagte Jim Leaviss, Chefinvestor bei M&G Investments. "Im Jahresverlauf 2023 wird eine Zeit kommen, in der die EZB-Zinsen sinken, weil der Rezessionsdruck ziemlich ernst werden wird." Zuletzt hatte die EZB die Zinsen im Rekordtempo angehoben.
BANKEN ZAHLEN WENIGER ZURÜCK ALS ERWARTET
Die Geldhäuser im Euro-Raum wollen weniger mehrjährige Kreditsalven der EZB vorzeitig zurückzahlen als erwartet. Mit knapp 300 Milliarden Euro liegt die Summe deutlich unter dem Niveau von 500 Milliarden Euro, das Experten vorhergesagt hatten. Die TLTRO-Rückzahlung ist freiwillig, allerdings hatte die EZB den Banken zuletzt Anreize gegeben, die Kredite loszuschlagen. Der Banken-Index legte 1,3 Prozent zu.
In Paris kletterte TotalEnergies um bis zu 2,8 Prozent, gaben dann allerdings angesichts schwächerer Ölpreise die Gewinne wieder ab. Der französische Konzern scheine von starken Ölpreisen sowie einem wieder anziehenden Handel in Europa zu profitieren, sagte Biraj Borkhataria vom Analysehaus RBC. Zudem sehe es so aus, als ob die wirtschaftlichen Aussichten angesichts moderaterer Gaspreise vielleicht nicht ganz so düster aussähen wie befürchtet.
In Wien erhielten die Stromkonzerne mächtig Auftrieb. Aktien von Verbund schnellten um bis zu 11,2 Prozent auf 90.15 Euro nach oben. Österreich hat eine Übergewinnsteuer für Öl- und Gasunternehmen von bis zu 40 Prozent beschlossen. Die Steuerbelastung kann mit Hilfe von grünen Investitionen aber auf 33 Prozent gesenkt werden. Verbund erzeugt rund 90 Prozent seines Stroms über sein Wasserkraftwerksnetz. Auch die Titel von EVN zogen um bis zu sieben Prozent an.
Bis zu 2,9 Prozent abwärts ging es für das Softwarehaus SAP nach einer Herunterstufung auf Underperform von Hold durch die Analysten der Investmentbank Jefferies. Die strikte Kostenkontrolle und der Fokus auf schnelle Profitabilitätszuwächse bringe die Mittelfrist-Ziele in Gefahr, hieß es zur Begründung.
(Bericht von Anika Ross und Christina Amann. Redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)