EZB achtet vor Zinswende auf Lohnwachstum - Jüngste Daten "ermutigend"
Gent/Frankfurt/Mailand (Reuters) - Die EZB will auf dem Weg zu einer Zinssenkung noch wichtige Daten im Frühjahr sichten und achtet dabei besonders auf die Tarifrunden.
Die relativ günstigen Lohnwachstumszahlen für das vierte Quartal 2023 seien zwar "ermutigend", sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Freitag. Sie reichten aber noch nicht aus, um der Europäischen Zentralbank die Zuversicht zu geben, dass die Inflation schon besiegt sei. Die ausgehandelten Lohndaten aus dem laufenden ersten Quartal, die im Mai veröffentlicht werden sollen, seien für die EZB besonders wichtig, betonte Lagarde.
Bundesbankpräsident Joachim Nagel plädiert für Geduld auf dem Weg zur Zinswende: "Auch wenn die Versuchung durchaus groß sein mag: Für Zinssenkungen ist es zu früh." Es gelte, in den nächsten Monaten auf die Daten zur Lohnentwicklung und die Gewinnmargen zu achten. Ein genaueres Bild ergebe sich erst im Laufe des Frühjahrs: "Erst müssen wir hier klarer sehen, dass wir unser Ziel erreichen werden, verlässlich und bald. Dann können wir eine Zinssenkung ins Auge fassen."
EZB-Direktorin Isabel Schnabel ist zuversichtlich, dass die EZB mit ihrem straffen Kurs keinen Wirtschaftseinbruch im Euroraum riskiert. Es gebe die Hoffnung auf eine sogenannte "weiche Landung". Damit würde es der EZB gelingen, die hohe Inflation zu dämpfen, ohne eine Rezession auszulösen. Sie sei zudem zuversichtlich, dass die EZB genügend Vertrauen in ein nachhaltiges Sinken der Inflation in Richtung des Zielwerts der Notenbank von zwei Prozent schöpfen könne, um eine Zinssenkungsphase einzuläuten. Wann dies sein werde, ließ sie offen. Schnabel sagte, sie sei auch zuversichtlich, dass die Inflationserwartungen im Rahmen blieben.
ZINSSENKUNG ZUR JAHRESMITTE?
Die Verbraucher in der Euro-Zone erwarten einer EZB-Umfrage zufolge allerdings kurzfristig eine etwas höhere Inflation als noch zuletzt. Im Mittel (Median) gingen sie im Januar davon aus, dass die Teuerungsrate binnen zwölf Monaten bei 3,3 Prozent liegen dürfte, wie die EZB mitteilte. In der Dezember-Umfrage hatten sie noch mit 3,2 Prozent vorausgesagt. Binnen drei Jahren rechneten die Verbraucher mit einer Teuerung von 2,5 Prozent - so wie bereits in der Dezember-Umfrage.
Die Inflation im Euroraum war zu Jahresbeginn auf dem Rückmarsch. Die Verbraucherpreise legten im Januar nur noch um 2,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu. Mit dem abflauenden Preisauftrieb kommt das Ziel der EZB einer Teuerungsrate von 2,0 Prozent allmählich etwas näher. Mit einer Zinswende nach unten rechnen viele Experten aber erst zur Jahresmitte, so auch die deutsche Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier. Die EZB hält die Zinsen nach einer Serie von Erhöhungen seit September 2023 konstant. Der Einlagensatz, den Finanzinstitute erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder deponieren, liegt bei 4,0 Prozent.
(Bericht von Valentina Za, Francesco Canepa, Balazs Koranyi, geschrieben von Reinhard Becker, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)