Nagel sieht EZB vor Zinswende - Abgeflachte Lohnentwicklung erwartet

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Stresa (Reuters) - Bundesbank-Chef Joachim Nagel sieht die EZB unmittelbar auf die Zinswende zusteuern, lässt den nachfolgenden Kurs aber offen.

"Bleiben die Daten so, wie sie sind, nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass wir die erste Zinssenkung sehen könnten", sagte er am Freitag beim G7-Treffen in Stresa mit Blick auf die nächste EZB-Ratssitzung im Juni. Doch daraus sei "keine Art Autopilot" abzuleiten. Es sei somit nicht festgelegt, dass einem ersten Schritt nach unten gleich ein zweiter folgen müsse. "Davon würde ich jetzt mal nicht ausgehen wollen", sagte Nagel. Es gelte, nichts zu überstürzen. Allerdings rechne er mit einer Abflachung der Lohnentwicklung in den nächsten Monaten. Doch müsse die EZB weiter aufmerksam bleiben.

"Ich rechne jedoch nicht damit, dass wir so hohe Zahlen noch mal sehen werden, wie wir jetzt eben zu beobachten hatten." Das Lohnwachstum in der Euro-Zone hat laut EZB-Daten in den ersten Monaten des Jahres Fahrt aufgenommen. Die ausgehandelten Löhne stiegen im ersten Quartal in der 20-Länder-Gemeinschaft um 4,69 Prozent, nachdem sie im Schlussquartal 2023 noch um 4,45 Prozent gewachsen waren. Die Hüter des Euro halten ein Lohnwachstum von rund drei Prozent mit ihrem mittelfristigen Inflationsziel von zwei Prozent Teuerung für vereinbar. Alles was darüber hinaus geht, deutet auf Inflationsdruck in der Wirtschaft hin, was die Preise anheizen könnte.

NAGEL - EZB MUSS VON SITZUNG ZU SITZUNG ENTSCHEIDEN

EZB-Vizepräsident Luis de Guindos hatte am Donnerstag in einem Zeitungsinterview für den 6. Juni eine Senkung der Zinsen um 0,25 Prozentpunkte signalisiert. Laut Nagel gilt es, "von Sitzung zu Sitzung" die Preisentwicklung weiter zu beobachten. Wenn es zur Zinssenkung im Juni komme, sollte danach erst einmal abgewartet werden. "Und ich glaube, dass wir warten müssen bis vielleicht September", sagte er. Es sei aber zu früh, um zu spekulieren. Die hereinkommenden Daten seien der wichtigste Indikator, dem es zu folgen gelte.

Am Finanzmarkt gehen die meisten Volkswirte derzeit davon aus, dass die Euro-Wächter weitere Zinssenkungen vor allem dann ins Auge fassen, wenn ihnen neue Inflations- und Konjunkturprognosen der Notenbank-Volkswirte vorliegen. Dies ist nach der Juni-Sitzung erst wieder im September und dann im Dezember der Fall. Zum Zinstreffen der EZB am 18. Juli hingegen werden keine neuen Prognosen der Notenbank-Volkswirte veröffentlicht.

(Bericht von Reinhard Becker, Christian Krämer, Frank Siebelt; redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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