Inflation im Euroraum steigt wieder - "Hartnäckiger Prellbock"

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- von Frank Siebelt und Rene Wagner

Frankfurt (Reuters) - Die Inflation in der Euro-Zone nimmt überraschend wieder zu.

Die Verbraucherpreise erhöhten sich im Juli in der 20-Länder-Gemeinschaft um 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das EU-Statistikamt Eurostat am Mittwoch in einer ersten Schätzung mitteilte. Volkswirte hatten hingegen mit einer Rate wie im Juni von 2,5 Prozent gerechnet. Für die Europäische Zentralbank (EZB) sind das keine guten Nachrichten. Ihr Ziel einer Teuerungsrate von 2,0 Prozent rückt damit wieder ein Stück weiter weg. Sorgenfalten dürfte den Währungshütern neben einem kräftigeren Anstieg der Energiepreise bereiten, dass der Preisschub im Dienstleistungssektor nur minimal nachgelassen hat.

"Der Weg zum Zweiprozent-Preisziel der EZB wird durch einen hartnäckigen Prellbock versperrt", kommentierte Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank die Juli-Daten. Noch sei die Chance aber groß, dass die Inflationsrate im September 2,0 Prozent erreiche. "Das Inflationsergebnis für Juli spricht mehr für behutsame Zinssenkungen als eine Zinspause schon im September." Devisenmarktanalyst Kyle Chapman von der Ballinger Group hält eine Zinssenkung nach der Sommerpause weiterhin für wahrscheinlich. "Ich rechne immer noch mit einer zweiten Zinssenkung im September", sagte er. Einzelne Datenpunkte, die etwas stärker als erwartet ausfielen, seien seiner Meinung nach nicht von großer Bedeutung.

Anfang Juni hatte die EZB erstmals seit 2019 die Zinsen wieder nach unten gesetzt. Sie senkte den am Finanzmarkt richtungsweisenden Einlagensatz, den Geldhäuser erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder horten, auf 3,75 Prozent von zuvor 4,00 Prozent. Auf der Juli-Zinssitzung pausierte sie. Für das nächste Zinstreffen am 12. September ließ Notenbank-Präsidentin Christine Lagarde aber alle Türen offen. Dann werden den Euro-Wächtern zu ihren Beratungen auch neue Wirtschaftsprognosen der EZB-Ökonomen zur Verfügung stehen.

Die Kerninflation, bei der die schwankungsanfälligen Preise für Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak herausgerechnet werden, verharrte im Juli auf dem Vormonatsniveau von 2,9 Prozent. Die EZB verfolgt dieses Inflationsmaß genau, da es zugrundeliegende Preistrends gut abbildet. Manche Ökonomen sehen die nicht abebbende Kerninflation mit Sorge. "Offenbar scheint sich die unterliegende Inflation bei rund drei Prozent festzusetzen, also deutlich über dem EZB-Ziel", merkte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer an. "Das sollten die Befürworter einer weiteren Zinssenkung auf der September-Sitzung im Hinterkopf haben, statt sich darauf zu fokussieren, dass die Inflationsrate wegen eines Basiseffekts im August vorübergehend fast auf zwei Prozent fallen dürfte."

TEUERUNG BEI DIENSTLEISTUNGEN WEICHT NUR MINIMAL ZURÜCK

Die Preise für Dienstleistungen, die die EZB ebenfalls besonders im Blick hat, stiegen im Juli um 4,0 Prozent nach 4,1 Prozent im Juni. In diesem Jahr sank die Teuerung in dem Sektor bislang nur in einem einzigen Monat unter die Marke von 4,0 Prozent. In dem arbeitsintensiven Sektor macht sich ein starkes Lohnwachstum bemerkbar, das gegenwärtig einer der treibenden Faktoren für die Inflation ist. Laut EZB-Direktorin Isabel Schnabel zeigt die hartnäckige Dienstleistungsinflation, dass die letzte Meile der Bekämpfung der Inflation besonders schwierig ist.

Die Energiepreise nahmen im Juli um 1,3 Prozent zu nach einem geringen Anstieg von 0,2 Prozent im Juni. Die Preise für Lebensmittel, Alkohol und Tabak erhöhten sich um 2,3 Prozent nach 2,4 Prozent im Juni. Die Preise für Industriegüter außerhalb des Energiesektors nahmen um 0,8 Prozent zu nach 0,7 Prozent im Juni.

(Redigiert von Hans Busemann.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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