Bleiben Europas Aktien trotz des China-Deals Favorit für dieses Jahr?
Maximilian Nagel

2025 war bisher das Jahr europäischer Aktien. Der deutsche Leitindex Dax und der Euro Stoxx 50 als Leitindex der Eurozone haben den S&P 500 weit hinter sich gelassen. Der Dax steht auf Jahressicht gut 17 Prozent im Plus, der Euro Stoxx bei gut zehn Prozent Zuwachs. Der S&P 500 dagegen hat sich gerade erst auf Jahressicht in die Gewinnzone gekämpft.
Der Grund: Die harschen Zölle von US-Präsident Donald Trump setzten den USA zu, die Angst vor einer Rezession der weltgrößten Volkswirtschaft bewegte viele Investoren dazu, Kapital von US-Werten in europäische Pendants umzuschichten.
Dank einer ersten Einigung mit China und einer deutlichen Reduzierung der Zölle, zunächst für 90 Tage, ist diese Furcht erstmal verflogen. Wird sich diese Rotation des Geldes daher umkehren – und sollten Anleger auch wieder verstärkt auf die USA, immerhin der liquideste Aktienmarkt der Welt, setzen, oder bleibt Europa an der Spitze?
onvista hat bei fünf Börsenprofis nachgefragt, ob europäische Aktien trotz der Entspannung im Zollstreit ein Favorit für dieses Jahr bleiben.
Philipp Vorndran: Ich würde nicht so sehr auf Regionen schauen, sondern vielmehr auf gute Unternehmen; auf Unternehmen, die über ein robustes Geschäftsmodell verfügen und die sich deshalb nicht so leicht umwerfen lassen von hohen Zöllen und Konjunktureinbrüchen. Die Auswahl dieser Unternehmen dürfte in den kommenden Jahren weit wichtiger sein als in den vergangenen.
Andreas Görler: Ich finde es tendenziell gut, sich an der Struktur des norwegischen Staatsfonds oder auch dem deutschen KENFO-Fonds für den Kernenergieausstieg zu orientieren. Hier liegen die US-Gewichtungen bei rund 40 Prozent. Das ist ja bereits ein klarer Länderschwerpunkt. Ein europäischer Investor sollte durchaus ein Übergewicht in Euro haben, da die meisten Anleger ihr Geld im europäischen Raum ausgeben oder ihren Lebensmittelpunkt in Europa behalten. Dadurch werden Währungsschwankungen vermieden.
Daher bin ich der Auffassung, dass man, unabhängig von der erratischen US – Administration, 35 bis 40 Prozent US-Titel halten kann. Dann würde ich etwa 45 bis 50 Prozent in europäischen Investments investieren (schließt die Schweiz ein) und einen kleineren Teil in asiatische Titel. Diese Quoten schließen unbedingt auch Anleihen ein. Aktuell erhält man für aktive Euro-Renten-Fonds mit Laufzeiten bis 2029-2031 attraktive Renditen von etwa fünf bis sechs Prozent. Auf ETF-Ebene gibt es keine vergleichbaren Produkte.
Zu den Personen: Philipp Vorndran ist Partner bei der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch in Köln. Andreas Görler ist Senior Wealth Manager bei der Vermögensverwaltung Wellinvest in Berlin und Hamburg. Riklef von Schüssler ist Vorstand der Vermögensberatung Allington Investors AG in Bad Homburg. Roland Könen ist Geschäftsführer bei Odörfer & Brandner Vermögensmanagement in Neusäß. Chris-Oliver Schickentanz ist Vorstand und Chefanlagestratege der Frankfurter Vermögensverwaltung Capitell AG.
Riflek von Schüssler: In Europa werden sowohl die Aktien- als auch die Rentenmärkte weiterhin profitieren. Auch wenn der internationale Kapitalzufluss in die USA wieder weitestgehend hergestellt wird, es bleibt ein Vertrauensschaden, von dem die europäischen Aktienmärkte nachhaltig profitieren werden.
Roland Könen: Wir gehen davon aus, dass europäische Aktien aufgrund der günstigeren Bewertungen sowie der Investitionsprogramme vor allem der deutschen Regierung auch für den Rest des Jahres einen Vorteil haben werden.
Chris-Oliver Schickentanz: Der Druck auf die EU nimmt zu. Mit dem China-Deal braucht die USA ein Abkommen mit der EU weniger als zuvor, sprich: Sie wird größere Zugeständnisse einfordern. Die Outperformance Europas dürfte auslaufen und einer relativen Stärke US-amerikanischer Aktien weichen.
Übrigens: Was die Experten generell über die wiedergefundene Stärke der US-Börsen denken, erfährst du an dieser Stelle.