Deutsche Autobauer: KGV-Schnäppchen oder Griff ins fallende Messer?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Ein niedriges KGV gilt eigentlich als gute Einstiegschance, da die Aktie günstig bewertet ist. Im einstelligen Bereich gibt es nicht wenige Experten, die solche Werte als „Schnäppchen“ anpreisen. Blicken Anleger jetzt auf die Aktien der drei großen deutschen Autobauer, dann kann schnell der Eindruck eines „Schnäppchens“ entstehen. Egal, ob man das geschätzte KGV für dieses Jahr oder für die kommenden Jahre zu Rate zieht, es liegt deutlich im einstelligen Bereich. Bei BMW zum Beispiel lag es 2017 um die 6 und damit tiefer als noch 2011. Daimler und VW zeigen eine ähnliche Entwicklung.

Dividendenrendite steigt

Zum Beispiel ergibt sich bei Daimler auf dem aktuellen Niveau eine Dividendenrendite von über 7 Prozent. Niedriges KGV gepaart mit einer attraktiven Ausschüttungsquote, da dürfen Anleger schon einmal auf den Gedanken eines „Schnäppchens“ kommen. Auf der anderen Seite bringt es nichts, wenn die ausgezahlte Dividende vom Kursverfall aufgezehrt wird und ein niedrigeres KGV kann auch mitunter eine „optische Täuschung“ sein.

Niedriges KGV eine Falle?

Fällt das KGV stetig, kann das zuweilen auch ein Warnzeichen sein. Ist der Markt mit seiner Annahme weiter als die durchschnittlichen Analystenschätzungen, könnte ein falscher Eindruck entstehen. In Erwartung fallender Gewinne ist der Aktienkurs deutlich unter Druck, womit das längst überholte KGV das Papier optisch günstig erscheinen lässt. Wie ordnen Anleger die Kennzahlen bei den deutschen Autobauern ein?

Probleme an alle Ecken und Enden

In der Autobranche hat sich einiges an Ungemach zusammengebraut. Diesel-Skandal, strengere Abgasziele, Strafzölle, Brexit-Sorgen und Rabattschlachten machen den deutschen

Herstellern das Leben schwer. Zudem müssen Daimler & Co. den Umbruch Richtung elektrischer und vernetzter Mobilität ordentlich auf die Reihe kriegen. Dieser Richtungswechsel verschlingt weiter Milliarden, ohne erst einmal Gewinn abzuwerfen.

Quartalszahlen überzeugen nicht

Das dritte Quartal habe sich für die Autobranche zum „perfekten Sturm“ entwickelt, heißt es in einer Analyse von Barclays. Die weiteren Aussichten sind noch trüber: „Die Margen werden sinken“, sagt Falco Weidemeyer von der Unternehmensberatung Roland Berger. „Sie könnten sogar Richtung Null tendieren, wenn sich die wirtschaftliche Lage verschlechtert.“

BMW mit einer Marge unter 5 Prozent

Bei bayerischen Autobauer schrumpfte die Rendite im Autosegment im dritten Quartal um fast die Hälfte auf 4,4 Prozent. Hauptgründe waren die Rabattschlachten rund um die Umstellung auf den strengeren Abgasprüfzyklus WLTP und die Rückstellung von fast 700 Millionen Euro für Rückrufe.

Daimler erzielte zuletzt im Pkw-Geschäft 6,3 Prozent. Vor allem diverse Verfahren zu überhöhten Dieselabgaswerten fressen viel Geld, insgesamt wohl einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag. Bei Audi schmolz die Marge wegen einer 800 Millionen Euro schweren Geldbuße im Abgasskandal auf 0,8 Prozent zusammen. Alle drei deutschen Oberklasse-Autobauer warfen ihre Jahresziele über Bord, Daimler sogar zweimal in vier Monaten.

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Wachstumsmarkt China in Gefahr

China war über viele Jahre eine sichere Bank für die Autobranche, vor allem für die Oberklasse-Hersteller. Doch wegen des Handelsstreits mit den USA läuft der größte Automarkt der Welt Gefahr, 2018 zu schrumpfen – erstmals seit Beginn der 1990er Jahre. Die Oberklasse-Hersteller setzen darauf, dass wenigstens ihr Segment weiter wächst. Denn bisher waren in China hochpreisige Modelle besonders gefragt, gern von westlichen Marken mit starkem Image. Die Bereitschaft zahlreicher Kunden, für Sonderausstattung und technischen Schnickschnack viel Geld auszugeben, ließ ebenfalls die Kassen der Konzerne klingeln.

SUV´s noch beliebt

Gute Geschäfte in China glichen lange Dellen in anderen Märkten aus. Manche Krise, etwa in Europa, beutelte in den vergangenen Jahren vor allem die Massenhersteller, während der Verkauf von teuren Limousinen und Geländewagen besser lief. Der weltweite Trend zu Geländewagen in allen Größen wirkte sich positiv auf die Renditen aus, denn in der Branche gilt die Faustregel: kleines Auto – kleine Marge, großes Auto – große Rendite. Doch angesichts schlechter Luft in vielen staugeplagten Großstädten wächst weltweit der politische Druck, die Mobilität zu modernisieren. Hinzu kommen neue Angebote, die statt auf den Verkauf von Fahrzeugen auf Dienstleistungen und Daten setzen.

Schwere Zeiten voraus

„Die Zeiten, in denen Autobauer Renditen zwischen acht und zehn Prozent oder noch darüber erzielen konnten, gehen – ohne größere Anstrengungen – zu Ende“, sagt Roland-Berger-Berater Weidemeyer. „Die Transformation der Branche durch Elektromobilität, Dieselgate, Digitalisierung und Regulatorik erfordert hohe Investitionen.“

Experten vom Analysehaus Evercore ISI rechnen damit, dass es für die Premiumhersteller wegen höherer Kosten für die Mobilität der Zukunft und wegen des allgemeinen Gegenwinds für die Branche „mindestens die nächsten zwei Jahre“ schwer werde, Margen zwischen acht und zehn Prozent zu erreichen. Die Hersteller bleiben bei dieser Spanne, räumen aber immer öfter Probleme ein.

Kooperationen zum Gegensteuern

Um trotz Schlechtwetterfront den Renditekurs zu halten, raten Experten den Premium-Herstellern einhellig: mehr kooperieren und mehr sparen. Beides führe zu niedrigeren Kosten, heißt es bei Evercore ISI. Die Beratungsfirma Roland Berger warnte im Frühjahr in einer Studie mit dem Titel „Sturmtief voraus?“ vor aufziehenden Krisen. Autoexperte Norbert Dressler mahnte darin die Branche: „Das Kerngeschäft gehört auf den Prüfstand. Es muss noch besser und effizienter aufgestellt werden, damit genügend Spielraum für die notwendigen Investitionen verbleibt.“ Zudem müssten alte, an Fahrzeugen ausgerichtete Geschäftsmodelle mit neuen, datengetriebenen verknüpft werden.

Annahme passt

In den vergangenen Wochen ist oft zu lesen, dass die deutschen Autobauer für neue Kooperationen in Bereich „Autonomes Fahren“ und „vernetzte Mobilität“ offen sind. Großartige Partnerschaften gibt es bislang aber nicht zu verkünden.

Niedrige Bewertung täuscht etwas

Sicherlich werden die deutschen Autobauer wieder die Kurve kriegen. Allerdings stehen die aktuellen Bewertungen auch unter dem Stern größerer Probleme. Sollten die Baustellen bei den deutschen Autobauern wieder kleiner werden, dann könnten sie auch wieder in die Bewertungsregion von „Schnäppchen“ kommen.

Von Markus Weingran/Reuters

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Foto: xieyuliang / Shutterstock.com

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