Diversifikation und Risikomanagement – Wie man das eigene Portfolio gegen mögliche Krisen absichert
Als Investorin oder Investor hat man eine Entscheidung getroffen: Man möchte sein Geld für sich arbeiten lassen und es vermehren. Die Beweggründe können vielfältig sein, manche wollen sich für das Alter absichern, manche wollen Geld für ihre Kinder anlegen und wiederum andere wollen sich möglichst schnell finanziell unabhängig zu machen. Die Wahl von Aktien oder anderen Anlageklassen ist hierbei ein potenziell erfolgversprechender Weg, da die Zinsen historisch niedrig sind und Sparen im Grunde nichts mehr bringt, außer die Entwertung des eigenen Vermögens durch die anhaltende Inflation.
Aber auch Aktien sind kein No-Brainer und garantieren keineswegs einen hundertprozentigen Erfolg. Deswegen sind, neben der Entscheidung des Investierens an sich, Diversifikation und Risikomanagement entscheidende Komponenten, die beim Aufbau, der Verwaltung und vor allem dem nachhaltigen Erfolg des eigenen Portfolios eine wichtige Rolle spielen. Bei der heutigen Marktlage mehr als je zuvor. Aber der Reihe nach:
Woraus besteht eigentlich das Risiko beim Investieren?
Jeder Investor ist im Grunde ein privater Risikomanager seines eigenen Portfolios. Wenn man in eine Asset-Klasse welcher Art auch immer investiert hat, dann ist man ein Risiko eingegangen und es ist die eigene Aufgabe, dafür zu sorgen, dass das Risiko des Verlustes des eingesetzten Geldes nicht eintrifft. Aber was für Risiken gibt es eigentlich? Was zuerst wie eine banale Frage klingen mag, ist essenziell für die individuelle Strategie und somit für den Erfolg des eigenen Investments. Man kann beim Investieren in Aktien generell zuerst einmal drei Hauptrisiken benennen:
1. Das spezifische Risiko
2. Das allgemeine Marktrisiko
3. Die Korrelation zwischen verschiedenen Werten
Das (unternehmens-)spezifische Risiko
Das spezifische Risiko ist am unmittelbarsten zu erkennen, denn es betrifft das jeweilige Unternehmen auf direkte Art und Weise: Wenn man in ein Unternehmen investiert, indem man sich die Aktie kauft, dann besteht das Risiko der Geldanlage in der spezifischen wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens. Es gibt viele Faktoren, die dafür sorgen können, dass eine Firma wirtschaftlich nicht erfolgreich ist. Das können Fehlentscheidungen des Managements sein, oder Unglücke innerhalb der Produktionsabläufe, Reputationsverluste durch Manipulation oder Betrug und dergleichen. Es gibt diverse Faktoren, die dazu führen können, dass ein Unternehmen wirtschaftliche Einbußen hinnehmen muss und dies hat in der Regel direkte, negative Auswirkungen auf den Aktienkurs.
Ganz spezifische Beispiele für diese Art von Risiko wären der Dieselskandal rund um Volkswagen, die Glyphosat-Klagen gegen Monsanto-Mutter Bayer, oder die Causa Wirecard um angebliche Bilanzfälschungen, die zu massiven Short-Attacken gegen die Aktie geführt hat. Auch ein Startup mit einer potenziell genialen Idee, dass aber einer großen Konkurrenz und einer schwierigen Finanzierungslage entgegenblickt, unterliegt einem unternehmenspezifischen Risiko, da der Erfolg in diesem Fall ganz besonders von der Durchsetzungsfähigkeit des Teams im Vergleich zur Konkurrenz und dem Wohlwollen der Investoren abhängig ist. Oft kann man diese Risiken allerdings erst im Nachhinein erkennen.
Das allgemeine Marktrisiko
Das allgemeine Marktrisiko besteht aus Ereignissen von übergeordneter Größe, die ganze Sektoren oder sogar die gesamte Wirtschaft negativ beeinflussen können. Das prominenteste Beispiel für so ein Ereignis wäre wohl die Finanzkrise von 2008, die durch die damalige US-Immobilienblase und die Pleite der Bank „Lehman Brothers“ so richtig ins Rollen gebracht wurde. Solche Risiken gibt es aber auch vermehrt für einzelne Branchen, beispielsweise Dürre-Perioden, die die Landwirtschaft unter Druck setzen, oder politische Konflikte, die beispielsweise Öl-Förderungen unterbrechen können und sich somit auf Angebot und Nachfrage des Rohstoffes auswirken und damit auch auf alle Unternehmen, die in irgendeiner Form mit diesem Rohstoff zu tun haben.
Die Korrelation
Korrelation beschreibt den Umstand, dass Anlageklassen gemeinsam fallen und steigen. Es kann aber auch eine negative Korrelation geben, bei der sich zwei Werte gegenteilig entwickeln. Beide Faktoren haben immer etwas mit übergeordneten Entwicklungen in den einzelnen Sektoren oder im Gesamtmarkt zu tun, zählen somit also auch zum allgemeinen Marktrisiko, mit dem Unterschied, dass Korrelationen oft gut erkennbar sind, da sie sich aus der Abhängigkeit der korrelierenden Werte ergeben.
Ein paar Beispiele für Korrelationseffekte:
Autohersteller wie Daimler, BMW und Co. korrelieren meistens mit den Autozulieferern wie Hella, Continental und so weiter, da sie beide im selben Markt agieren und gemeinsam von der Nachfrage nach Fahrzeugen abhängig sind. Ist sie niedrig, leiden alle darunter und andersherum profitieren alle von einer steigenden Nachfrage. Ähnliche Synergien gibt es auch in der Landwirtschaft, in der Elektronikbranche und so weiter.
Andererseits kann es auch negative Korrelationen geben, vor allem bei Rohstoffen. Wenn Beispielsweise der Ölpreis sinkt, dann leiden die Unternehmen, die direkt mit der Förderung und Weiterverarbeitung zu tun haben. Konzerne, die Öl allerdings als Kraftstoff nutzen, freuen sich über niedrigere Preise und haben höhere Gewinnmargen, da sie beim Kauf des Rohstoffes Geld sparen können.
Korrelation kommt auch auf übergeordneten Ebenen vor, beispielsweise bei Gold. Gold gilt als Absicherung gegen die Märkte. Wenn die Aktienmärkte fallen, zum Beispiel durch die nächste Rezession oder sogar Krise, dann gilt das Edelmetall als sicherer Hafen, da es seit Jahrtausenden als wertvolles Gut angesehen wird, mit dem man (zumindest in der Theorie) auch bezahlen könnte. Gold korreliert in manchen Wirtschaftsphasen negativ mit den Aktienmärkten, oder auch zu dem Dollarpreis, da es als Absicherung gegen die Wirtschaft, beziehungsweise das Geldsystem funktionieren soll. Ähnliche Effekte hatte auch bereits die Kryptowährung Bitcoin, beispielsweise während des Falls der türkischen Lira oder der Krise in Venezuela. Bei beiden Ereignissen ist die Nachfrage nach Bitcoin als Wertaufbewahrungsmittel in den jeweiligen Ländern deutlich gestiegen, während die nationalen Währungen an Wert verloren haben.
Wie schützt man sich vor diesen Risiken? Was ist Diversifikation?
Als Investor hat man also großes Interesse daran, dass das eigene Portfolio möglichst wenig von den oben genannten Risiken beeinflusst wird.
Zunächst muss die grundlegende Entscheidung gefällt werden, in welche Asset-Klassen man investieren möchte und wie man diese im Portfolio verteilt. Bei Asset-Klassen handelt es sich um die verschiedenen Anlagemöglichkeiten am Kapitalmarkt, zum Beispiel Aktien, Anleihen, Devisen, Edelmetalle und so weiter. Dies geschieht über die sogenannte „Asset-Allocation“. Sie beschreibt den Prozentsatz des Portfolios, der beispielsweise in Aktien, Anleihen und Barmitteln angelegt ist. Die Asset-Allocation bestimmt, wie riskant das eigene Portfolio ist. Aktien gelten als die aggressivsten Anlagen, Anleihen sind im Mittelfeld zuzuordnen und eine Cash-Position ist die in der Regel sicherste Option. Je höher das Risiko des Portfolios ist, desto höher ist aber auch die potenzielle Rendite-Erwartung.
Auf der nächst tieferen Ebene folgt die Auswahl der Aktien und Anleihen und die Entscheidung, wie viele verschiedene Werte man in sein Portfolio aufnehmen möchte. Die Diversifikation innerhalb der Aktien-Werte ist ebenfalls eine wesentliche Schutz-Komponente und hat das Ziel, das investierte Kapital möglichst so zu verteilen, dass alle oben genannten Risiken so gut wie möglich ausgeschaltet werden. Das heißt, dass immer Werte im Portfolio sein sollten, die schlecht laufende Investments ausgleichen können. Wie sieht das bei den einzelnen Risiken im Detail aus?
Diversifikation gegen das unternehmensspezifische Risiko
Alles auf eine Karte zu setzen ist nicht nur beim Poker riskant, zumal man beim Poker immerhin weiß, welche Kartenkombinationen einem gegenüberstehen können. Den Erfolg eines Unternehmens in seiner Branche einordnen zu können, ist um einiges komplexer. Daher sollte man, auch wenn man gerade von einem bestimmten Unternehmen besonders überzeugt ist, selbst wenn es sich in einem risikoreichen Stadium oder einer Branche mit einer riskanten Entwicklung befindet, sein Portfolio mit weiteren Aktien füllen, um weitere Erfolgschancen zu haben, sollte diese eine Investmentidee nicht zünden. Defensive Aktien von Unternehmen mit langer, konstanter Erfolgsgeschichte, die in Branchen agieren, die sehr krisensicher sind, eignen sich besonders gut für so eine Absicherung. Dazu gehören Unternehmen aus den Sparten Pharma, Versorger, Energie und so weiter, also Produkte und Dienstleistungen, die auch in Krisenzeiten immer gefragt sind, dafür aber in der Regel eine geringere Rendite-Erwartung haben.
Diversifikation gegen das allgemeine Marktrisiko
Ein Unternehmen kann noch so solide sein, wenn der Markt als Ganzes einbricht, dann wird auch eine sonst sehr stabile Aktie Federn lassen müssen. Gegen Ereignisse wie die letzte Finanzkrise eignet sich vor allem eine ausreichende Cash-Position als gute Absicherung. Gerade nach 2008 war es extrem wertvoll, große Bargeld-Positionen zu besitzen, da die Aktienwerte auf einem absoluten Tiefstand waren, zum Schnäppchenpreis sozusagen. Wer damals ein Aktienportfolio, beispielsweise aus den top Dax- oder S&P-Werten, aufgestellt hat, oder sich über ETFs eingedeckt hat, kann sich heute über extreme Wertzuwächse freuen. Gerade bei Liquiditätskrisen wie der letzten gilt: Cash is King. Aber auch Edelmetalle wie Gold können ein gutes Gegengewicht zu Aktienwerten darstellen, da sie, wie oben beschrieben, phasenweise negativ zu den Märkten und Devisenwerten korrelieren können.
Diversifikation gegen Korrelation
Hier gelten ähnliche Argumente wie bei dem unternehmensspezifischen Risiko, nur auf Branchen und nicht auf Einzeltitel bezogen. Wenn es unklug ist, alles auf eine einzelne Aktie zu setzen, dann ist es fast genauso unklug, sein ganzes Kapital in nur eine einzige Branche zu stecken, oder eine einzige Asset-Klasse wie beispielsweise Immobilien. Durch die Korrelation der Werte untereinander hat man im Falle von negativen Ereignissen für die Kurse keine Absicherung, die Wertverlusten entgegenlenkt. Deshalb ist es immer sinnvoll, seinen Blick auf verschiedene Anlagebereiche und Branchen zu richten, die möglichst wenig miteinander zu tun haben.
Was ist Risikomanagement?
Diversifikation ist sicher Teil des Risikomanagements an sich, doch während die Diversifikation vor allem beim Aufbau und dem gelegentlichen Rebalancing des Portfolios eine Rolle spielt, gibt es noch weitere Aspekte, die sich auf einer kurzfristigeren Ebene abspielen. Vor allem für Leute, die eher traden wollen, als in buy-and-hold Manier langfristig zu investieren, gibt es weitere Methoden des Risikomanagements, die nichts mit Diversifikation zu tun haben. Das sind vor allem Regeln, die für die Positionsgröße und generell für das Traden von Aktien aufgestellt werden sollten, um sich vor einem erhöhten Risiko zu schützen.
Das wären zunächst ganz allgemein gehaltene Fragen, die man sich selbst beantworten sollte. Wie hoch ist die individuelle Risikoneigung? Will man sein Geld eher defensiv oder risikofreudig einsetzen? Das hat Einfluss auf die Höhe des eingesetzten Geldes und auf die Wahl der Assets. Man sollte sich zudem auch klar machen, welche Rückschläge man auf einer rein existenziellen Ebene verkraften kann, also bei welcher Menge der Geldverlust ein Problem für den weiteren Lebensunterhalt wird. Kurz gesagt: Wie viel Geld kann man ohne Probleme investieren? Zudem gilt vor allem beim Spekulieren im Hochrisikobereich: Setzte nur das, was du auch bereit bist zu verlieren. Die Geldmenge, die insgesamt für das Investieren verwendet wird, sollte also vorher kalkuliert, dann festgelegt und auch auf keinen Fall überschritten werden.
Wenn man sich diese grundlegenden Dinge klar gemacht hat, gibt es noch diverse Ansätze auf der technischen Ebene des Investierens und täglichen Aktienhandels, die man anwenden kann. Konzepte wie der „Fixed Ratio“ Ansatz, bei dem das pro Trade eingegangene Risiko immer bei einem festen prozentualen Wert bleibt, um Gewinnchancen zu maximieren und Verlustrisiken zu minimieren, oder vorher festgelegte Stop-Loss-Order, die für automatische An- und Verkäufe bei bestimmten Preis-Schwellen sorgen, sind nur einige Beispiele. Komplexere und neuartigere Ansätze wie der „Risk Parity“ Ansatz, bei dem der Aufbau des Portfolios nicht nach einer klassischen Gewichtung, sondern nach der Volatilität der einzelnen Asset-Klassen aufgebaut ist, bieten noch weitere Ansätze zur Diversifizierung und Risikominimierung, sind jedoch eher etwas für fortgeschrittene Investoren.
Wie sollte man vorgehen?
Die entscheidende Frage ist bisher noch nicht geklärt: Wie soll man sein Portfolio nun diversifizieren und wie setzt man das eigene Risikomanagement am besten um? Die Antwort ist: Es gibt leider kein Patentrezept, das sich auf jeden anwenden lässt. Jede Investorin und jeder Investor hat sehr individuelle Ziele, Risikobereitschaft und verfügbares Kapital. Diese Aspekte stellen Variablen dar, die extremen Einfluss darauf haben, wie man das eigene Portfolio aufbaut und verwaltet. Es ist jedoch ein wichtiger Schritt, sich aller Risiken bewusst zu sein, sie zumindest im Ansatz zu verstehen und die eigenen Ziele und Strategien klar zu definieren und dann auch einzuhalten. Das erhöht die Erfolgswahrscheinlichkeit extrem, im Vergleich zum Investieren ohne Plan und Vernunft.
Von Alexander Mayer
Titelfoto: Rawpixel.com / Shutterstock
DAS WICHTIGSTE DER BÖRSENWOCHE – IMMER FREITAGS PER E-MAIL
Zum Wochenende die Top Nachrichten und Analysen der Börsenwoche!
PS: Mit unseren runderneuerten, kostenlosen Musterdepots und Watchlisten haben Sie Ihre Börsenwerte jetzt noch besser im Blick – auch mobil. Legen Sie noch heute gratis Ihren my.onvista-Account an und probieren Sie es aus! >> https://my.onvista.de/