Kürzere Arbeitszeit soll in der Corona-Krise Jobs retten

Reuters · Uhr

- von Jan Schwartz

Hamburg (Reuters) - In der Corona-Krise erhöht sich bei vielen Firmen der Druck, die Personalkosten zu senken.

Um Massenentlassungen zu vermeiden, vereinbaren vor allem größere Konzerne eine Kürzung der wöchentlichen Arbeitszeit. Das Vorbild, an dem sie sich orientieren, ist die Vier-Tage-Woche, mit der Volkswagen Anfang der 1990er Jahre Zehntausende Arbeitsplätze rettete. Während bei dem Wolfsburger Autobauer damals die Mitarbeiter in den deutschen Werken 20 Prozent weniger arbeiteten und auf einen Teil ihres Lohns verzichten mussten, sind die Vereinbarungen heute differenziert und gelten zum Teil nur für bestimmte Beschäftigtengruppen oder einzelne Abteilungen. Das Prinzip ist aber das Gleiche: Die Arbeit wird anders verteilt, damit möglichst viele ihren Job behalten.

Anders als bei Kurzarbeit, bei der die Bundesagentur für Arbeit einen Teil der ausgefallenen Einkommen für eine bestimmte Zeit zahlt, werden die Bedingungen für eine Kürzung der wöchentlichen Arbeitszeit zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung ausgehandelt. Dabei zahlen größere Unternehmen ihren Mitarbeitern oft einen Teillohnausgleich.

Das Thema, wie in der Corona-Pandemie möglichst viele Arbeitsplätze erhalten werden können, wird für Gewerkschaften immer wichtiger. "Bis zum Jahresende wird die Krise nicht vorüber sein, Beschäftigungssicherung bleibt deshalb eine zentrale Aufgabe", sagt ein Sprecher der IG Metall. Um die Mitarbeiter in den Unternehmen zu halten, fordert die mitgliederstärkste Gewerkschaft Deutschlands die Verlängerung der Kurzarbeit über das laufende Jahr hinaus. Die jüngsten Vereinbarungen großer Unternehmen auf Grundlage tariflicher Regelungen, die auch die Verkürzung von Arbeitszeit vorsehen, nennt die Gewerkschaft "positive Beispiele". Sie seien aber kein Königsweg für alle Firmen. Besonders kleinere Zulieferer bräuchten auch finanzielle Unterstützung, um die Corona-Krise und die Transformation zu meistern. Die Metallarbeitgeber wollten sich nicht äußern. So ist noch unklar, ob das ein Thema der nächsten Tarifrunde werden kann.

AUTOBRANCHE PRESCHT VOR

In der Autobranche gibt es bereits mehrere solcher Vereinbarungen, um auf den Nachfrage-Einbruch in der Corona-Krise zu reagieren: Daimler hat sich mit dem Betriebsrat darauf verständigt, die Wochenarbeitszeit in der Verwaltung und in produktionsnahen Bereichen von Oktober an für ein Jahr um zwei Stunden ohne Lohnausgleich zu senken. Der Autozulieferer ZF Friedrichshafen hat mit der IG Metall einen Tarifvertrag ausgehandelt, der vorsieht, dass die Wochenarbeitszeit an deutschen Standorten um bis zu 20 Prozent gesenkt werden kann. Im Gegenzug für die Einkommenseinbußen will der Stiftungskonzern vom Bodensee bis 2022 auf betriebsbedingte Kündigungen unter den 50.000 Mitarbeitern im Inland verzichten und keine Standorte schließen.

Nicht so weit geht die Regelung beim weltgrößten Autozulieferer Bosch. Dort wurde die Arbeitszeit von Beschäftigten in Entwicklung, Forschung, Vertrieb und Verwaltung an einigen Standorten im Großraum Stuttgart bis Jahresende um bis zu zehn Prozent gesenkt. Rund 35.000 Mitarbeiter sind davon betroffen. Die mit der Arbeitnehmervertretung ausgehandelte Betriebsvereinbarung löst die Kurzarbeit in diesen Bereichen ab. In der Produktion gilt die Kurzarbeit bis Ende 2020 weiter. So sollen die Standorte in der Lage sein, flexibel auf die schwankende Nachfrage zu reagieren.

Auch der Zulieferer Continental bastelt an einer solchen Regelung. Personalchefin Ariane Reinhart hat bereits klargemacht, wohin die Reise geht: "Eine Absenkung der Arbeitszeit ist ein sinnvoller Ansatz, um Produktivität zu sichern, Beschäftigungsperspektiven zu erhalten und diese durch Qualifizierung auszubauen." Es gehe darum, mit innovativen Ansätzen mehrere hundert Millionen Euro einzusparen.

Andere Branchen spielen solche Möglichkeiten ebenfalls durch: Beim gebeutelten Flugzeugbauer Airbus etwa machen sich die Arbeitnehmer Hoffnungen auf eine Vier-Tage-Woche, um Massenentlassungen zu verhindern. "Wir sind bereit, über eine kollektive Arbeitszeitverkürzung zu sprechen", sagte IG-Metall-Hauptkassierer Jürgen Kerner, der bei der Gewerkschaft für die Luft- und Raumfahrtbranche zuständig ist, unlängst.

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