Die besten Wettbewerbsvorteile beim Investieren

Bernd Schmid · Uhr

Viele Anleger beschäftigen sich während ihres Lernprozesses am intensivsten mit ihren analytischen Fähigkeiten. Es steht außer Frage, dass diese essentiell sind. Im Gegensatz zu früher sind sie jedoch nicht mehr ausreichend, um ein überdurchschnittlich guter Anleger zu sein. Dafür gibt es viel zu viele smarte Anleger und frei zugängliche Informationen für jedermann. Der Wettbewerb ist zu groß.

Es gibt aber eine Möglichkeit als Kleinanleger, aus der Menge herauszustechen. Diese hat mit dem Verhalten zu tun. Wie genau, das habe ich in einem kürzlichen Interview mit meinem früheren Kollegen Morgan Housel noch einmal von ihm gelernt. Er geht darauf auch in seinem Buch The Psychology of Money ein – und niemand bringt es so gut auf den Punkt wie er.

Die zwei Dinge, die man braucht, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu schaffen

Es geht dabei in erster Linie um zwei Punkte.

  1. Volatilität sollte man als eine Gebühr betrachten, nicht als eine Strafe

Morgan erklärt, dass viele Anleger Volatilität als eine Strafe betrachten. Wenn man eine Aktie kauft und diese fällt, fühlt es sich so an, als ob der Markt einem sagt: „Das war eine falsche Entscheidung.“

Das kann richtig sein. Es wird für alle von uns hin und wieder auch richtig sein. Für bestimmte Anleger (kurzfristig orientierte) ist es vermutlich sogar richtig. Aber es muss nicht richtig sein.

Vor allem als langfristig orientierter Anleger ist das in der Regel falsch. Denn jede Aktie steigt und fällt. Und es gibt immer Zeiträume, in denen eine einzelne Aktie auch einmal stärker fallen kann.

Und es gibt auch immer gute Gründe dafür. Meine Erfahrung ist jedoch, dass diese Gründe in der Regel wenig die langfristigen Aussichten eines Unternehmens verschlechtern. Für langfristig orientierte Anleger ändert sich daher nicht sehr viel.

Außer eben, dass die Aktie erst einmal weniger wert ist. Das sollte man jedoch nicht als eine Strafe sehen. Sondern als eine Gebühr. Und zwar als die Gebühr, um überhaupt am Aktienmarkt teilnehmen zu können.

Ohne Volatilität geht es einfach nicht, so schön es manchmal wäre. Wer das akzeptiert und sich damit arrangiert, der wird am besten von den vielversprechenden Renditen profitieren können, die der Aktienmarkt langfristig verspricht.

  1. „Persönliche Finanzen sind mehr eine persönliche Angelegenheit als eine finanzielle.“

Morgan zitiert diese Aussage von Tim Maurer, und ich finde, es trifft den zweiten und fast noch wichtigeren Punkt perfekt.

Jeder, von dem man weiß, dass er sich intensiver mit Aktien beschäftigt, wird regelmäßig von allen möglichen Leuten nach Aktientipps gefragt. Ich bin dann immer verleitet, eine Antwort zu geben. Allerdings oft mit Bauchschmerzen, da ich nicht weiß, ob meine favorisierten Aktien auch wirklich zu demjenigen passen, der mich nach einem Tipp fragt.

Ich selbst habe ein hoch konzentriertes Portfolio. Die größten Positionen sind die Aktien, von denen ich glaube, dass sie vom Markt am meisten unterschätzt werden. Das bedeutet im Umkehrschluss: Die meisten Menschen denken über diese Aktien vermutlich anders als ich.

Es ist daher wahrscheinlich, dass die meisten Anleger meine Lieblingsaktien überhaupt nicht überzeugend finden. Für solche Anleger sind meine Tipps wertlos. Denn was passiert, wenn diese Aktien fallen und man hat selbst keine große Überzeugung, dass es wahrscheinlich wieder bergauf geht? Sie werden verkauft.

Andersherum gibt es Anleger, die ein sehr breit gestreutes Portfolio haben, also eines, das aus vielen kleinen Positionen besteht. Das war der Ansatz zum Beispiel von Peter Lynch, der in der Regel eine dreistellige Anzahl an Positionen hatte, in manchen Situationen eventuell sogar vierstellige. Auch unter uns Fools, insbesondere unsere Rule-Breaker-Investoren, ist das ein sehr weit verbreiteter Ansatz.

Das war auch mein Ansatz für einige Jahre. Nur habe ich dann festgestellt, dass ich teilweise Aktien viel zu früh verkauft habe, worunter meine Performance einige Jahre litt. Ich habe dann festgestellt, dass es daran lag, dass ich gar nicht genau wusste, was in diesen Unternehmen wirklich los war – und so habe ich bei einigen schlechten Nachrichten die betroffenen Unternehmen einfach verkauft, ohne mir im Klaren darüber zu sein, ob bzw. wie stark diese Nachrichten meine eigentlich langfristig angelegte Investitionsthese beeinflussten.

So oder so ähnlich wird es jedem Investor gehen, der seinen persönlichen Ansatz noch nicht gefunden hat. Oder dem Investor, der seinen Erfolg in erster Linie dadurch sucht, andere nachzuahmen.

Fazit

Es steht außer Frage, dass man gewisse analytische Fähigkeiten benötigt, um ein erfolgreicher Investor zu werden. Aber diese reichen nicht mehr aus, da es heutzutage keine große Hürde mehr ist, sich diese anzueignen und es trotzdem viele Anleger gibt, bei denen diese den Kern ihrer Kompetenz ausmachen.

Daher sind es nicht mehr diese harten, sondern die weichen Faktoren, die heute den Unterschied ausmachen. Am meisten geht es darum, in volatilen Zeiten die richtigen Entscheidungen zu fällen und darum, den eigenen Investitionsstil zu identifizieren.

Wer diese beiden Dinge beherrscht, der hat sehr gute Chancen, ein erfolgreicher Investor zu sein.

Foto: Elnur / Shutterstock.com

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