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    Sonderfall Porsche, Kommentar zu Börsengängen von Christoph Ruhkamp
Frankfurt (ots) - Eine Selbstverständlichkeit ist das angesichts des düsteren
Umfelds inmitten der Energiekrise ganz sicher nicht: Ganz lässig hat die Porsche
AG mal eben an der Börse eingeparkt. Mit den 9,4 Mrd. Euro Emissionserlös ist
der Porsche-Börsengang das größte IPO in Europa seit einem Jahrzehnt und findet
unter den schwierigsten Marktbedingungen seit Jahren statt. Die Zahl der
Börsengänge ist laut EY-Analyse weltweit im dritten Quartal um 41 % auf 355
gesunken. Seit dem Jahr 2000 waren nur die IPOs von Glencore und Rosneft noch
größer. In Deutschland handelt es sich um den größten Börsengang seit dem IPO
der Deutschen Telekom vor einem Vierteljahrhundert.

Weltweit ist es nach den Daten der Unternehmensberatung EY der größte Börsengang
im dritten Quartal und der zweitgrößte im bisherigen Jahresverlauf. Nur das IPO
der LG Energy aus Südkorea war in diesem Jahr mit einem Emissionserlös von 10,7
Mrd. Dollar noch größer. Bezogen auf die Marktkapitalisierung ist Porsche sogar
das größte Unternehmen, das in diesem Jahrtausend in Europa an die Börse
gegangen ist.

Alle diese Rekorde zeigen im Vergleich zu der sonstigen Flaute am IPO-Markt noch
einmal in aller Deutlichkeit, worum es bei Porsche geht: Es handelt sich um
einen absoluten Sonderfall. Die Marke ist extrem stark. Porsche kennt wirklich
jeder. So orderten nicht nur klassische Autoindustrie-Investoren die Aktie,
sondern auch Großanleger, die sonst auf Luxusgüter im Allgemeinen setzen.
Fünffach überzeichnet waren die Bücher, und nur die Hälfte der Nachfrage zum
Ausgabepreis von 82,50 Euro konnte bedient werden. Obwohl die Aktie am oberen
Ende der Spanne gepreist wurde. Obwohl es die personellen Verflechtungen
zwischen VW-Vorstand und Porsche-Vorstand sowie zwischen VW und den
Eigentümerfamilien Piëch und Porsche gibt. Obwohl die Vorzugsaktionäre
definitionsgemäß über keinerlei Mitsprache- und Stimmrechte verfügen. Und obwohl
eine Sperrminorität von 25 % plus eine der stimmberechtigten Aktien zu einem
geringen Aufschlag an die VW-Eigentümerfamilien ausgegeben wurde.

Das alles hat die Investoren nicht abgeschreckt. Von den Vorzugsaktien gingen
sogar 7,7 % an Privatanleger. Aber die Emission war auch schon frühzeitig gut
abgesichert: Vier Großinvestoren - die Staatsfonds von Katar und Norwegen, T.
Rowe Price und ADQ aus Abu Dhabi - machten zusammen fast 40 % der Nachfrage aus.
Viele Scheichs mögen Sportwagen, und ihr Kalkül, dass alle Wohlhabenden weiter
einen Porsche 911 werden kaufen wollen, auch wenn sich die Erderwärmung
fortsetzt und die Rezession viele andere Leute arm macht, dürfte aufgehen.

Was Porsche jetzt vorgemacht hat, kann kein anderes Industrieunternehmen so
schnell nachmachen. Ein Eisbrecher, wie der Porsche-Vorstand es ankündigte und
wie Investmentbanker es erhofft haben, wird das IPO nicht. Solange die
Zinserhöhungen zur Bekämpfung der galoppierenden Inflation in vollem Gange sind,
wird sich kein anderer in Deutschland aufs Parkett trauen. Das gilt auch für die
Thyssenkrupp-Wasserstofftochter Nucera, die ja eigentlich zur Energiekrise eine
Lösung beizutragen hätte. Es ist keine gewagte Prognose: Hierzulande wird das
Jahr absehbar ohne ein weiteres IPO zu Ende gehen.

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