Kutzers Zwischenruf

Die Börse bleibt politisch

Hermann Kutzer · Uhr
Quelle: whiteMocca/Shutterstock.com

Die Suche geht weiter. Die Suche nach den entscheidenden Einflüssen auf Stimmung und Kurse. Seit Jahresanfang haben sich sowohl der volkswirtschaftliche als auch der Finanzmarktausblick rapide verschlechtert. Stark steigende Preise in Verbindung mit einer strafferen Geldpolitik bremsen die Nachfrage und damit das Wachstum weltweit. „Die Welt bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen schwachem oder negativem Wachstum und hoher Inflation“, sagt Desiree Sauer, Investment-Strategin bei Lazard Asset Management. Doch auch in diesem schwierigen Umfeld bieten sich Anlagechancen.

Mir machen vor allem die politischen Einflüsse zu schaffen, die auf die Finanzmärkte einwirken – mal mehr, mal weniger. Aber fragen Sie sich selbst, geschätzte Anleger, ob Sie jemals derart viele gravierende Belastungsfaktoren wie jetzt erlebt haben – zeitgleich und (meist international) miteinander verbunden. Wie selten zuvor wird der von Analysten und Journalisten gerne eingesetzte Spruch „Politische Börsen haben kurze Beine“ gerade jetzt ad absurdum geführt.

Seit Jahren wende ich mich immer wieder einmal gegen dieser sprachlich schlechte und inhaltlich falsche Metapher. Sie trifft allenfalls auf „wahlpolitische Börsen“ zu und soll dann aussagen, dass selbst überraschende Wahlergebnisse den Aktienmarkt meist nur für kurze Zeit beeindrucken. Und sonst? Nein, politisch (mit)bewegte Stimmungen und Kursentwicklungen gibt es ständig. Nur ist das politische Gewicht oft nicht deutlich ablesbar. Und häufig schlägt es sich nur indirekt nieder, wenn politische Entscheidungen nach ihrer Umsetzung die Zukunft von Märkten, Branchen und einzelnen Unternehmen verändern. Außerdem spielt natürlich eine Rolle, dass Politik und Börsen parallel stattfinden – ständig, fortwährend. Und es gibt überall Politik – nicht nur Innen- und Außenpolitik.

Auch als Anleger sollte man sich deshalb bewusst werden, wann und wie Finanz- und Steuerpolitik sowie die monetäre Politik der Zentralbanken (Geld- und Zinspolitik) wirken. Und für internationale Investoren ist es unabdingbar, neben der Wall Street als Leitbörse die politischen Trends zu beobachten – ich denke beispielsweise an die aktuellen Turbulenzen in Großbritannien und Italien. Meine größte Sorge bleibt aber der Ukraine-Krieg und seine Folgen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass viele Menschen (auch Börsianer!) noch nicht begriffen haben, dass in Europa geschossen und offen über die Gefahr einer nuklearen Eskalation diskutiert wird.

Dazu kommen unter anderem Inflation und Rezession. Wichtige wirtschafts- und sozialpolitische Weichenstellungen drängen die bereits angeschlagene Berliner Ampel. Und dire Europäische Zentralbank bereitet den nächsten Zinsschritt vor. Deutschland und Europa steht ein schwieriger Winter bevor. Möge er nicht zu frostig werden!

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