Stimmung in der Wirtschaft trübt sich ein - Kanzler setzt auf Investitionen

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Berlin (Reuters) - Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich überraschend weiter eingetrübt und lässt den Ruf nach neuen Wachstumsimpulsen lauter werden.

Das Ifo-Geschäftsklima sank im Juni auf 88,6 Zähler von 89,3 Punkten im Vormonat und damit das zweite Mal in Folge, wie das Münchner Ifo-Institut am Montag zu seiner Umfrage unter rund 9000 Führungskräften mitteilte. "Die deutsche Wirtschaft tut sich schwer, die Stagnation zu überwinden", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) fordert angesichts der Konjunkturflaute ein Wachstumspaket. Laut Bundeskanzler Olaf Scholz sind in diesem Jahr bereits über 100 Milliarden Euro an Zukunftsausgaben vorgesehen, um etwa die teils marode Infrastruktur auf Vordermann zu bringen und die Wirtschaft zu modernisieren.

Er wolle dem Ergebnis der laufenden Verhandlungen zum Haushalt 2025 nicht vorgreifen: "Aber so viel kann ich sicher sagen: Zukunftsinvestitionen für unser Land werden auch im nächsten Jahr hohe Priorität haben", sagte der SPD-Politiker auf dem Tag der Industrie (TDI) in Berlin. Es sollten auch private Investitionen gefördert werden: "Ich könnte mir vorstellen, dass wir in Sachen Abschreibungen und Forschungsförderung noch eine Schippe drauflegen auf das Wachstumschancengesetz." Die Bundesregierung will laut Scholz in ihrem geplanten Paket zur Konjunkturbelebung auch Anreize für Erwerbstätige setzen, freiwillig länger zu arbeiten.

BDI-Präsident Siegfried Russwurm forderte auf dem TDI im Namen der Industrie von der Regierung eine entschlossene Wachstumsagenda: "Gegenüber den USA und China fällt der Standort Deutschland weiter zurück", warnte der Lobbyist. Dem BDI zufolge fehlen über die kommenden zehn Jahre Mittel für Investitionen und Förderprogramme von rund 400 Milliarden Euro.

"KEIN GROSSER EM-EFFEKT"

Der Ifo-Index macht derzeit wenig Mut mit Blick auf eine durchgreifende wirtschaftliche Besserung, auch wenn Deutschland derzeit Ausrichter der Fußball-EM ist. "Die deutsche Wirtschaft muss auf ihr Sommermärchen noch warten", sagte Ifo-Konjunktur-Experte Klaus Wohlrabe zu Reuters und fügte an: "Es gibt keinen großen EM-Effekt". Während Hotels relativ zufrieden seien mit ihren Geschäften, sei die Gastronomie eher unzufrieden. Mit Blick auf die Gesamtwirtschaft zeige sich, dass vielfach Aufträge fehlten. Die Nachfrage sei nach wie vor schwach. Zudem ziehe die private Nachfrage immer noch nicht an. Dabei gilt der Konsum als Hoffnungsträger für eine anziehende Konjunktur im zweiten Halbjahr.

Die Wirtschaft fahre "mit angezogener Handbremse", erklärte Michael Herzum von Union Investment. Das Ifo-Institut rechnet mit einem sehr verhaltenen Wachstum im laufenden Jahr. Demnach dürfte das Bruttoinlandsprodukt um relativ magere 0,4 Prozent zulegen. Erst kommendes Jahr dürfte das BIP demnach mit 1,5 Prozent kräftiger zulegen. Die Wirtschaft ist Anfang des Jahres dank steigender Exporte und Bauausgaben an einer Rezession vorbeigeschrammt. Es ging zwischen Januar und März um 0,2 Prozent bergauf.

(Bericht von Reinhard Becker, Klaus Lauer, Rene Wagner und Holger Hansen. Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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