Teheran erneut unter israelischem Beschuss - Ewin-Gefängnis Ziel

(Weitgehend neu)
- von Parisa Hafezi und Alexander Cornwell
Istanbul/Tel Aviv (Reuters) - Israel hat seine Angriffe auf den Iran am Montag ausgeweitet und mit dem Ewin-Gefängnis eines der wichtigsten Symbole des Regimes in Teheran ins Visier genommen.
Die israelische Regierung sprach von den bisher heftigsten Bombardierungen der iranischen Hauptstadt. Die Attacke erfolgte einen Tag, nachdem die USA mit Angriffen auf iranische Atomanlagen in den Krieg eingetreten waren. Die Regierung in Teheran kündigte eine harte Vergeltung für die US-Angriffe an.
Der israelische Außenminister Gideon Saar veröffentlichte ein Video, das eine Explosion an einem Gebäude des Ewin-Gefängnisses zeigt, und schrieb dazu: "Viva la libertad!" (Spanisch: "Es lebe die Freiheit!"). Das iranische Justizportal Misan bestätigte den Einschlag, teilte jedoch mit, die Lage sei unter Kontrolle. Das Ewin-Gefängnis ist seit der Revolution von 1979 die zentrale Haftanstalt für politische Gefangene des Teheraner Regimes und ein Ort von Hinrichtungen.
Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz erklärte, man beschränke sich nicht mehr auf Atomanlagen und Raketenstellungen. "Die Armee schlägt derzeit mit beispielloser Härte gegen Ziele des Regimes und staatliche Unterdrückungsorgane im Herzen Teherans zu", erklärte er. Iranische Medien machten widersprüchliche Angaben über das Ausmaß der Angriffe auf die Hauptstadt mit ihren zehn Millionen Einwohnern. Die iranische Nachrichtenagentur Tasnim meldete einen Angriff auf ein Umspannwerk, dementierte jedoch Berichte über einen Stromausfall.
"HERR TRUMP, DER ZOCKER"
Nach dem US-Angriff auf die Atomanlagen am Wochenende hat der Iran wiederholt mit Vergeltung gedroht, diese zunächst aber nicht wahrgemacht. Weder wurden US-Stützpunkte angegriffen noch die für den Ölhandel wichtige Straße von Hormus blockiert. "Herr Trump, der Zocker, Sie mögen diesen Krieg beginnen, aber wir werden diejenigen sein, die ihn beenden", sagte ein iranischer Militärsprecher am Montag.
US-Präsident Donald Trump hatte zuvor offen über einen Sturz der iranischen Regierung spekuliert. "Es ist politisch nicht korrekt, den Begriff 'Regimewechsel' zu verwenden, aber wenn das derzeitige iranische Regime nicht in der Lage ist, IRAN WIEDER GROSSARTIG ZU MACHEN, warum sollte es dann keinen Regimewechsel geben??? MIGA!!!" schrieb Trump auf seiner Social-Media-Plattform. Den US-Angriff auf die unterirdische Atomanlage Fordo nannte er einen "Volltreffer".
Bundesaußenminister Johann Wadephul forderte den Iran erneut zu Verhandlungen mit den USA auf. "Der Iran muss wissen, die Welt wird nicht akzeptieren, dass er atomar bewaffnet ist", sagte Wadephul vor Beratungen der EU-Außenminister in Brüssel. "Wir brauchen eine Verhandlungslösung", fügte er hinzu. "Der Iran muss verstehen, dass er rote Linien überschritten hat", betonte Wadephul mit Blick auf das iranische Atomprogramm.
Der russische Präsident Wladimir Putin kritisierte die Angriffe auf den Iran als unbegründet. Er versicherte dem iranischen Außenminister Abbas Araghtschi zu Beginn eines Treffens in Moskau, dass Russland bereit sei, dem iranischen Volk zu helfen. Das Treffen diene dazu, einen Ausweg aus der gegenwärtigen Situation zu finden. Russland und Iran hatten vergangenen Januar eine strategische Partnerschaft abgeschlossen, die allerdings keine Beistandspflicht im Falle eines Angriffes beinhaltet.
"WIRTSCHAFTLICHER SELBSTMORD"
Bei den am 13. Juni begonnenen israelischen Angriffen sind nach iranischen Angaben bislang mehr als 400 Menschen getötet worden, zumeist Zivilisten. Die iranischen Vergeltungsschläge mit Raketen auf Israel töteten bislang 24 Menschen und verletzten Hunderte. Iranische Raketen konnten dabei erstmals die israelische Luftabwehr umgehen. Die Fähigkeit des Irans zur Vergeltung gilt jedoch nach den israelischen Angriffen als begrenzt.
Die Drohungen des Irans, die Straße von Hormus zu sperren, durch die 20 Prozent des weltweiten Öltransports laufen, zeigten am Montag kaum Wirkung auf die Märkte. Nach einem kurzen Anstieg fiel der Preis für ein Barrel der Nordseesorte Brent zeitweise und notierte zuletzt mit einem leichten Plus von 0,5 Prozent bei 77,38 Dollar. Analysten zufolge kann der aktuelle Risikoaufschlag von über zehn Dollar pro Barrel ohne eine tatsächliche Lieferunterbrechung nicht lange aufrechterhalten werden.
US-Außenminister Marco Rubio bezeichnete eine Blockade der Meerenge als "wirtschaftlichen Selbstmord" für den Iran. "Wir behalten uns Optionen vor, um damit umzugehen", sagte er. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin mahnte, alle Seiten sollten jetzt von einer weiteren Eskalation absehen. Mit Blick auf die Straße von Hormus sagte er, man verfolge die Entwicklung "mit enormer Besorgnis". Die Öl- und Gasversorgung Deutschlands ist nach Angaben von Regierungssprecher Stefan Kornelius aber gesichert. Die Bundesregierung sei kurz nach Beginn der US-Angriffe über die Vorgänge informiert worden, sagte er zudem.
Nach Einschätzung des Chefs der UN-Atomaufsichtsbehörde IAEA, Rafael Grossi, sind die entstandenen Schäden in der unterirdischen Uran-Anreicherungsanlage Fordo beträchtlich. Das Ausmaß könne jedoch noch niemand genau bestimmen. "Angesichts der eingesetzten Sprengkraft und der extrem vibrationsempfindlichen Eigenschaften der Zentrifugen ist davon auszugehen, dass sehr erhebliche Schäden entstanden sind", erklärte Grossi in einer Stellungnahme für eine Dringlichkeitssitzung des Gouverneursrats der Internationalen Atomenergiebehörde.
(Bearbeitet von Alexander Ratz; Redigiert von Philipp Krach; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)