Verkehrsverbund: Maßvolle Preiserhöhung beim Deutschlandticket sinnvoll

Berlin (Reuters) - Maßvolle Preiserhöhungen beim Deutschlandticket dürfen dem größten Nahverkehrsverbund des Landes zufolge kein Tabu sein.
Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung aus Union und SPD wird eine Anhebung trotz steigender Kosten der Anbieter für vier Jahre ausgeschlossen. "Das ist sehr ungewöhnlich", sagte Oliver Wittke, Vorstandschef des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR), am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters. "Man sollte die Fahrgäste stärker einbinden, das darf aber nicht sprunghaft geschehen."
Der VRR hat hierzulande die meisten Deutschlandtickets verkauft. Außerdem ist der Verbund einer der größten in Europa, weil die Bevölkerungsdichte in Rhein-Ruhr besonders hoch ist. Wittke sagte, denkbar wäre eine Anpassung des Ticketpreises an die Inflationsrate. Alternativ könnte man sich an den Steigerungen der Personal- und Energiekosten sowie der Trassenentgelte zur Nutzung des Schienennetzes orientieren. Würde man die Einnahmen aus dem Verkauf des Deutschlandtickets um drei Prozent steigern wollen, müsste es 1,74 Euro teurer werden. "Das wäre zumutbar. Eine Preiserhöhung um nur einen Euro würde dem System rund 168 Millionen Euro in die Kassen spülen."
Am Freitag tagt die Sonderkonferenz der Verkehrsminister von Bund und Ländern in Berlin - unter Vorsitz von Bayerns Ressortchef Christian Bernreiter (CSU). Dabei soll die weitere Finanzierung des Deutschlandtickets geklärt werden. Experten halten die Wahrscheinlichkeit einer Einigung für eher gering.
Bernreiter forderte mehr Mittel der Bundesregierung: "Der Bund muss hier Geld draufpacken", sagte er der "Rheinischen Post". In einem Beschlussvorschlag der Länder, aus dem die Zeitung zitierte, hieß es zudem: "Die Länder sehen keine Möglichkeit, insgesamt aufgrund der angespannten Haushaltslage gemeinsam mehr als 1,5 Milliarden Euro pro Jahr für das Ticket aufzubringen."
Der neue Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) hatte sich zuletzt zu dem Plan bekannt, das Deutschlandticket fortzusetzen, eine dauerhafte Finanzierung dafür zu finden und ab 2029 auch stärker die Nutzer des Nahverkehrs heranzuziehen. Aber auch er will nicht für noch mehr Verluste im öffentlichen Nahverkehr geradestehen. Der Bund hat den Ländern und Kommunen zudem gerade bei den Steuerentlastungen für Unternehmen zugesagt, deren Steuerausfälle zu einem Großteil zu übernehmen.
Wittke sagte, es brauche eine schnelle Lösung. "Sonst wird das Deutschlandticket mit rund 14 Millionen Abos, davon allein 1,7 Millionen in Rhein-Ruhr, wieder infrage gestellt. Die Verunsicherung muss enden, dann könnten wir viel mehr Tickets verkaufen." Der VRR rechnet dieses Jahr mit einem Defizit von rund 380 Millionen Euro. Deutschlandweit dürften es bei den Nahverkehrsanbietern rund 3,5 Milliarden Euro werden.
Der bundesweite Monatsfahrschein für den Nahverkehr kostet derzeit 58 Euro. Bislang ist die Finanzierung des Systems nur für 2025 gesichert. Bund und Länder geben jeweils 1,5 Milliarden Euro.
Auch der Tourismusverband DTV pochte auf baldige Klarheit. "Die jährliche Unsicherheit über die Fortsetzung des Tickets muss endlich ein Ende haben", sagte DTV-Geschäftsführer Norbert Kunz. Das Deutschlandticket habe nicht nur Pendlern, sondern auch Touristen neue Möglichkeiten eröffnet. Zwar habe die Preiserhöhung von 49 auf 58 Euro Anfang 2025 nicht zu einer Kündigungswelle geführt, trotzdem gefährde eine weitere Teuerung die Akzeptanz des Angebots.
(Bericht von Christian Krämer, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)