Streit um Aufsichtsratsposten - Wirtschaftsweise Grimm sieht sich im Recht

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Berlin (Reuters) - Im Rat der Wirtschaftsweisen ist offener Streit über die Rolle der Ökonomin Veronika Grimm wegen eines Aufsichtsratsmandats beim Energietechnik-Konzern Siemens Energy entbrannt.

Diese Frage stelle den Sachverständigenrat Wirtschaft wegen möglicher Interessenkonflikte vor eine Herausforderung, warnten die Ratsvorsitzende Monika Schnitzer sowie die Mitglieder Achim Truger, Ulrike Malmendier und Martin Werding am Mittwoch. Medienberichten zufolge haben sie ihrer Nürnberger Kollegin nahegelegt, den Rat zu verlassen, sollte sie das Mandat antreten. Grimm sieht sich im Recht: "Ich habe prüfen lassen, ob das Aufsichtsratsmandat kompatibel ist mit meiner Aufgabe im Sachverständigenrat. Zusätzlich gab es eine Compliance-Prüfung bei der Siemens Energy. Resultat: unbedenklich."

Es gebe zudem mehrere Fälle aus der Vergangenheit, in denen Mitglieder des Rats auch Aufsichtsratsmandate innehatten: "Das ist immer kollegial und gewissenhaft im Rat behandelt worden", sagte die Ökonomin, die seit April 2020 in dem Gremium sitzt, das die Bundesregierung berät.

Von dort kamen unterschiedliche Stellungnahmen. "Wir verweisen darauf, dass das ein eigenständiges Gremium ist", sagte ein Regierungssprecher. Es habe eigene Regeln und müsse deren Einhaltung selbst beurteilen. Aus Sicht des Bundesfinanzministeriums sprechen keine rechtlichen Gründe gegen ein mögliches Doppelmandat. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte, das Gesetz sehe bei Interessenskonflikten keine Regeln für einen Ausschluss vor. Die Mitglieder des Gremiums seien aber klug genug, Interessenskonflikte zu vermeiden - durch Gespräche im Sachverständigenrat. Eine Sprecherin betonte, Grimm sei weder an der Verhandlung noch an der Entscheidung von Wirtschaftsministerium, Finanzministerium und Kanzleramt über eine Bürgschaft für Siemens Energy beteiligt gewesen.

Die Wirtschaftsweise Malmendier kritisierte offen die Absicht Grimms, am Montag in das Kontrollgremium des Dax-Konzerns einzutreten. "Ich und auch die anderen drei Ratsmitglieder machen uns in diesem Fall große Sorgen", sagte die Ökonomin der "Zeit". Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt sowie Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und auch Wirtschaftsminister Habeck seien über diese Sorgen ins Bild gesetzt worden, berichtete das "Handelsblatt".

Ein Siemens-Energy-Sprecher erklärte, das Unternehmen prüfe immer im Vorfeld, ob der Wahl im Aufsichtsrat konkrete und objektive Sachverhalte entgegenstünden: "Sollte vor der Annahme oder auch während des Mandats ein Interessenkonflikt bestehen, muss dieser von den Kandidaten beziehungsweise Mitgliedern des Aufsichtsrats dem Vorsitzenden angezeigt und dann gemeinsam entschieden werden, wie dieser Interessenkonflikt vermieden oder aufgelöst werden kann."

"EXPERTISE VON GRIMM VON GROSSEM WERT"

In der am Mittwoch lancierten Stellungnahme der vier Weisen heißt es, die Mehrheit im Sachverständigenrat sehe die Nominierung von Grimm in den Aufsichtsrat des Energietechnikkonzerns zwar als "Auszeichnung", doch bestünden in dieser Konstellation mögliche Interessenkonflikte. Diese berührten die Arbeit des Sachverständigenrates in Kernbereichen: "Denn die anstehende Energietransformation ist von herausragender wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Bedeutung. In der Ratsarbeit ist die Expertise von Veronika Grimm daher von großem Wert."

Sie räumen ein, dass das Sachverständigenratsgesetz von 1963 die Wahl eines Ratsmitglieds in einen Aufsichtsrat nicht ausschließt: "In der öffentlichen Wahrnehmung hat die Sensibilisierung von Compliance-Themen allerdings zugenommen und nimmt in der Debatte, aber auch in der Aufstellung von Unternehmen und Konzernen, einen größeren Stellenwert ein als beispielsweise noch vor zehn oder 15 Jahren."

(Bericht von Christian Krämer, Reinhard Becker, Christoph Steitz, Andreas Rinke, redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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